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Arbeit, Geld, Gesetz

Eine Neubestimmung von Aufgabe und Ziel der Eigentumstheorie John Lockes

  • Chapter
Politisches Denken Jahrbuch 2001

Zusammenfassung

Am 25. 8. 1703 schreibt Locke an Richard King: »Property I have nowhere found more clearly explained, than in a book entitled, Two Treatises of Government« und setzt damit seine anonym erschienene Schrift neben Aristoteles’ Politik, Hookers Of the Laws of Ecclesiastical Polity und Pufendorfs De Officio Hominis et Civis auf die von King erbetene Liste kanonischer Werke der Staatsphilosophie. Blickt man auf die Rezeptionsgeschichte der Two Treatises, dann scheint es sich bei dieser wieder und wieder zitierten Briefstelle um ein geradezu groteskes Fehlurteil Lockes zu handeln: Zwar gehört seine Theorie des ›Arbeitseigentums‹ unzweifelhaft zu den wirkungsmächtigsten Lehrstücken der neueren Rechts- und Sozialphilosophie (und die Treatises bilden so durchaus den würdigen Abschluß einer Liste, an deren Anfang Aristoteles’ Politik steht), doch im Ruf herausragender Klarheit hat Lockes Eigentumstheorie noch nie gestanden: Nicht nur ihre argumentationslogische Struktur, sondern auch ihre politischen und ideologischen Konsequenzen sind vielmehr bis auf den heutigen Tag Gegenstand hartnäckigster Auseinandersetzungen geblieben. Bei John Dunn heißt es feinsinnig: »We know […] that Locke felt some pride in it. But we do not know just which aspects of the theory gave him such satisfaction.«1

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Notizen

  1. Locke, Oxford 1984, S. 42; siehe für die wichtigsten kritischen Stimmen den kurzen Überblick über die Locke-Literatur bei Richard Ashcraft, Locke’s Two Treatises of Government, London 1987, 298 ff.; ich danke K. G. Ballestrem und R. Brandt für kritische Hinweise und Anregungen. Politisches Denken. Jahrbuch 2001

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  2. Siehe Manfred Brocker, Arbeit und Eigentum. Der Paradigmenwechsel in der neuzeitlichen Eigentumstheorie, Darmstadt 1992 (im Titel); im Text wird dann entsprechend von der »Wissenschaftlichen Revolution in der Naturrechtslehre« berichtet. Das ist sicherlich besonders drastisch, aber im Grunde nicht exzentrisch; statt vieler siehe etwa Walter Euchner, Naturrecht und Politik bei John Locke, Frankfurt 1969, 82 (»Neuerung in der Geschichte der politischen Ideen der Neuzeit«), Reinhard Brandt, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, Stuttgart 1974, 71 (»revolutionäre Änderung«); James Tully, A Discourse on Property, Cambridge 1980, 89 (»radical intention«); Jörg Thomas Peters, Der Arbeitsbegriff bei John Locke, Münster 1997, 148 (»Neuer Eigentumsbegriff«; bei Peters findet sich ein recht umfangreiches, aktuelles Literaturverzeichnis zum Thema, ebenso bei Mathew H. Kramer: John Locke and the origins of private property, Cambridge 1997).

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  3. Vor allem die Eigentumstheorie hat den Second Treatise in Verruf gebracht: »Aber ab dem 5. Kapitel, sobald vor allem der Torf stechende Knecht entdeckt ist, gibt es kein Halten mehr. Die Jagd nach Widersprüchen hat begonnen, und nach kurzer Zeit steht Locke — trotz seiner universalistischen Prämissen — als Vertreter der uneingeschränkten Akkumulation, als Theoretiker eines Staates der Eigentümer, als Ideologe der Bourgeoisie klar vor Augen. Wer nicht selbst zu einem kritischen Urteil kommt, dem hilft die Sekundärliteratur schnell auf die Sprünge.« (Karl Graf Ballestrem, Ist es sinnvoll, den klassischen Englischen Liberalismus als bürgerliche Ideologie zu bezeichnen?, in Martyn P. Thompson, John Locke and/und Immanuel Kant. Historische Rezeption und gegenwärtige Relevanz, Berlin 1991, S. 220–233, S. 220f). — Für die neuesten Versuche, den unterschiedlichsten Anforderungen unter der Vorgabe obengenannter Deutungsmaxime gerecht zu werden, siehe Gopal Sreenivasan, The Limits of Lockean Right in Property, Oxford 1995 und Peters 1997.

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  4. Was freilich nicht ausschließt, daß andere Theoriestücke (wie etwa die Lehren von Naturgesetz oder Vertragsfreiheit) solche Unterschiede gleichwohl erzeugen. Die Tatsache, daß Locke, neben Aristoteles und dem stets gelobten Hooker, Pufendorf als einzigen Zeitgenossen auf die Liste für King setzt, zeigt freilich, daß in Lockes eigener Einschätzung mit letzterem eine grundsätzliche Übereinstimmung besteht; vgl. ferner: »[…] Pufendorfs, De Officio Hominis et Civis, and De Jure Naturae et Gentium, which last is the best book of that kind.« (Some thoughts concerning reading [1703], zit. nach: Locke, Political Essays, hrsg. v. Mark Goldie, Cambridge 1997, 352).

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  5. Man kann um der Probe willen die Frage stellen, was sich eigentlich im übrigen Text ändern müßte, wenn an der Stelle des Kapitels »Of Property« etwa das Eigentumskapitel (II, 2) aus Grotius’ De jure belli ac pacis stünde.

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  6. Vgl. dazu Laslett 1988, 34: »Locke simply had not thought in a systematic way about property before 1679.«

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  7. Anarchy, State, and Utopia, New York 1974, insbes. Kap. 6 und 7.

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  8. »[…] we seem to come upon the theoretic base of modern socialism — that the labourer belongs the product of his toil« (Locke’s theory of property 1893, S. 179, zitiert nach Tully 1980 S. 135); ähnlich auch noch R. Poole: Locke and the Bourgeois State, Political Studies 28 (1980), S. 224.

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  9. Leo Strauss, Naturrecht und Geschichte, Frankfurt 1977 (engl. Orig. 1953), 256; C. B. Macpherson, Die Politische Theorie des Besitzindividualismus, Frankfurt 1973 (engl. Org. 1962).

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  10. Filmers (bescheidene) philosophiehistorische Bedeutsamkeit verdankt sich praktisch nur der Tatsache, daß seine Schrift Partriarcha die Zielscheibe für Lockes First Treatise abgegeben hatte; und der First Treatise wiederum gilt als philosophisch weitgehend obsolet, weil er nur der Auseinandersetzung mit der ihrerseits obsoleten Theorie Filmer gewidmet ist. Noch im Jahre 1974 hat Peter Lasletts nachdrücklicher Hinweis auf die Bedeutung Filmers auch für die Eigentumstheorie des Second Treatise den heftigen Widerspruch Karl Olivecronas hervorgerufen; siehe dazu: Patrick Kelly, Locke and Filmer. Was Laslett so wrong after all? Locke Newsletter 8 (1977), 77–91. — Es ist nicht uninteressant, daß z. B. bereits der frühen und prägenden schottischen Locke-Rezeption durch Gershom Carmichael der Kontext der Filmer-Replik entgangen ist (siehe dazu den Abdruck der einschlägigen Passagen aus der Mitschrift Johannes Millers aus dem Carmichaelschen Naturrechtskolleg von 1702/03 bei Hans Medick: Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft, Göttingen 1973, 301 ff.).

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  11. Dieses Interpretationsprogramm wird beispielhaft und aufwändig in Brocker 1992 durchgeführt. Selbst J. Papy (De kritiek van Locke op Robert Filmer over de oorsprong van privé-bezit, Tijdschrift voor filosofie. — 59 [1997], 253–275), der sich ganz auf die Lockesche Filmer-Erwiderung konzentriert, versucht gleichwohl eine zentrale Abgrenzungen gegen Grotius festzumachen (s. u. Anm. 17).

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  12. Robert Filmer, Patriarcha and other Writings (J. P. Sommerville, ed.) Cambridge 1991; darin: Observations upon H. Grotius’ De Jure belli & pacis (S. 208–234), 219 Fn.

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  13. Dieses Argument dient Filmer als Allzweckwaffe, mit der er wenige Seiten zuvor bereits Hobbes niedergestreckt hatte: Im Leviathan XIV,5 heißt es: »[…] as long as every man holdeth this [natural] Right, of doing any thing he liketh; so long are all men in the condition of Warre. But if other men will not lay down their Right, as well as he; then there is no Reason for any one, to devest himselfe of his.« Filmer wendet dagegen ein: »Hence it follows that if all the men in the world do not agree, no commonwealth can be established.« (Patriarcha &c., 198, Herv. B. L.). Während man dieses Argument hinsichtlich des Eigentums durchaus ernst nehmen muß, ist es hier freilich bestenfalls unsinnig.

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  14. Lockes Two Treatises of Government werden gemäß der Ausgabe von Peter Laslett, Cambridge Texts in the History of Political Thought, 1988, zitiert; Einleitung und Apparat dieser Ausgabe als ›Laslett 1988‹.

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  15. Der politische Frieden ist eine menschliche Kunstleistung. Dieser Gedanke ist beiden Autoren gemeinsam und bleibt von Lockes Kritik der Hobbesschen Naturzustandstheorie (II § 19) unberührt. Wie später auch Rousseau stellt Locke den ›wahren‹ Naturzustand als einen Friedenszustand dar und macht den Krieg im ›Naturzustand‹ zum Resultat der — künstlichen, d. i. genuin menschlichen — Sprengung der natürlichen Ordnung (sc. ›to put oneself into a state of war‹, II §§ 16 f., § 172 u. ö; vgl. für die Gründung der politischen Gemeinschaft die entsprechende Formel: ›put himself under the law‹, §§ 118, 164). Der natürliche Friedenszustand ist somit der Zustand unter solchen Menschen, die von der Natur (d. i. dem natürlichen Gesetz) geführt werden. Genaugenommen ist in diesem engeren Sinne auch der Hobbessche Kriegszustand kein Naturzustand, denn er wird nicht unwesentlich durch die Sprach- d. i. Vernunftfähigkeit des Menschen erzeugt (Leviathan XVII 6) — und die Sprache ist nun einmal die erste Kunstleistung des Menschen (Leviathan IV 1). Für die politische Philosophie der Neuzeit ist in erster Linie die Feststellung problemkonstitutiv, daß der natürliche Frieden heutzutage keine realistische Option mehr darstellt (Hobbes hatte seinen Lesern das »heutzutage«, das »realistisch« und das »mehr« erspart). Siehe dazu Bernd Ludwig, Die Wiederentdeckung des Epikureischen Naturrechts. Zu Hobbes’ Philosophischer Entwicklung von De Cive zum Leviathan während des Pariser Exils 1641–1650, Frankfurt 1998, bes. Kap. VII d.

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  16. Die genaue Datierung innerhalb der Jahre 1679–82 und insbesondere die Frage, ob der zweite bereits vor dem ersten Treatise begonnen oder gar weitgehend fertiggestellt war, ist Gegenstand längerer Diskussionen (dazu: J. R. Milton: Dating Locke’s Second Treatise, History of Political Thought 16,3 [1995], 356–390), die aber für das Folgende nicht ertragreich sind, zumal u. a. für das Kapitel V keine genauere Datierung möglich scheint.

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  17. Laslett 1988, 361 merkt bezüglich II § 138 an, »Locke leaves it possible to suppose that consent is collective, not individual.« Das ist zwar nicht direkt falsch, aber dennoch höchst irreführend: Sicherlich ist es prinzipiell möglich, daß jemand individuell der Regierung etwas übereignet, was über das gesetzlich Geforderte noch hinausgeht. Aber es geht Locke im gesamten Kap. XI (II §§ 134–142) ausschließlich um den ›collective consent‹, nämlich darum, daß dem Bürger von der »Legislative Power« nur dann etwas genommen werden darf, wenn es das (Eigentums-)Gesefz zuläßt. Ähnlich auch das Mißverständnis dieses Kapitels bei Papy 1997, 269 f., der obengenannte Stellen dann als eine Art libertäre Grotius-Kritik liest. — Ebenso irreführend ist Lasletts Bemerkung zu II § 140 selbst: »Here Locke’s individual doctrine of property and his assumption about majorities and representation are joined with traditional English Constitutionalism«. Es geht hier grundsätzlich nicht um eine ›individual doctrine of property‹, sondern einzig um das, was von der Legislative als Gesetz deklariert wird. ›Property‹ ist — auch bei Locke — ausschließlich außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft (und vor der Erfindung des Geldverkehrs) etwas ›individuelles‹ im Sinne einer nicht durch eine Vereinbarung gestifteten Rechtsbeziehung zwischen dem Einzelnen und seinem Eigentum (s. u.).

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  18. So etwa Karl Olivecrona, Appropriation in the State of Nature: Locke on the Origin of Property, Journal for the History of Ideas 35 (1974), 229 (Fremdkörper); Brandt 1974, 89 (Diskrepanz); Tully 1980, 152 (Zurechtrücken); Peters 1997, 198 (Marginalisierung — mit Berufung auf Euchner); Sreenivasan 1995.

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  19. Ein direkter Bezug auf Filmers eigene Theorie findet sich z. B. in II § 39, wo Locke erklärt, daß keine Notwendigkeit bestehe, zur Ableitung des Eigentums auf die — Filmersche — Theorie von Adams Herrschaft über die Welt auszugehen. Vgl. dazu Filmer, Patriarcha &c., 216 f. und 236. — Wenn im Folgenden von Grotius die Rede ist, so ist darunter immer der Filmersche ›Grotius‹ zu verstehen. Die Frage, ob Locke während der Arbeit am Kapitel V auch Grotius (und Pufendorf) selbst vor Augen hatte, kann daher für das Folgende offen bleiben.

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  20. Olivecrona (1974, 221, vgl. ähnlich ders.: An insertion in § 25 of the Second Treatise, Locke Newsletter 6 (1975), 63–66) nimmt die Tatsache, daß Locke es in Kapitel V unterläßt, für diese Behauptung eigens zu argumentieren, als Indikator dafür, daß das Argument nicht Filmer im Blick hat. Das ist allein deshalb uneinschlägig, weil dieser Teil der Filmerschen Kritik bereits mit §§ 4 und 5 des Second Treatise als erledigt vorausgesetzt wird: Mit der These der Gleichheit und Freiheit aller Menschen, deren Verteidigung gegen Filmer Gegenstand im First Treatise war. Ein Argument in II § 25 käme in jedem Falle zu spät.

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  21. Auffallend ist, daß ein »Consent of all« tatsächlich nur in der Eigentumstheorie thematisiert wird. Vgl. aber auch I § 88 in bezug auf das Erbrecht: »[…] we cannot say, that it is the common consent of mankind; for that hath never been asked, nor actually given« — Filmer hatte also zumindest im Prinzip recht.

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  22. Es steht selbstverständlich frei, jede Alternative zu Grotius’ Eigentumstheorie immer schon als nicht-kontraktualistisch zu bezeichnen. Worauf es hier aber nur ankommt, ist die Tatsache, daß an die systematische Stelle des Grotiusschen Vertrages bei Locke wiederum ein Vertrag treten wird. Das Arbeitsargument tritt hingegen — wie sich unten zeigen wird — allenfalls an die Stelle des Grotiusschen ›arripere‹ (bzw. Ciceros Besetzen eines Theaterplatzes) aus De jure belli &c. 2.2.2.1. Eine grundsätzliche Lockesche Grotius-Kritik, die in der Eigentumstheorie über das hinausginge, was Filmer (zu Recht) an Grotius’ Vertrag bemängelt hatte, ist — wie bereits eingangs betont — im Text nicht zu finden.

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  23. Wenn man mit Laslett (s. o.) davon ausgeht, daß Locke erstmals um 1680 mit dem Filmerschen Argument konfrontiert wurde, dann sind Vermutungen über eine grundsätzliche Wandlung der Lockeschen Auffassung der Eigentumstheorie (vom Kontraktualismus zur ›Arbeitstheorie‹) wenig hilfreich: Locke ist und bleibt ›Kontraktualist‹, doch erst aufgrund von Filmers Einwänden sieht er sich genötigt, das kontraktualistische Argument ausdrücklich zu verteidigen und zu diesem Zweck auch zu ergänzen. Das bei Euchner 1969, 81 (vgl. Brandt 1974, 72) zum Beweis einer Wandlung angeführte, frühe ›kontraktualistische‹ Locke-Zitat dementiert vor diesem Hintergrund die Kontinuität keineswegs. Dort heißt es: »Men therefore must either enjoy all things in common or by compact determine their rights« (MS Locke, c 28,139f., ‹Morality‹, jetzt abgedr. in Goldie 1997, S. 268; Goldie datiert es auf ~1678, Euchner und Brandt nahmen mit Polin eine Abfassung vor 1660 an). — Über mögliche Gründe, welche Locke zu seiner vermeintlichen Verwerfung der Vertragstheorie hätten veranlaßt haben können, konnten auch jene Autoren, die eine solche Verwerfung annehmen, nur spekulieren (siehe dazu etwa Peters 1997, 148 ff.).

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  24. Für die Probleme, in die das Übersehen dieser zweistufigen Grundstruktur des Arguments erzeugt, siehe jüngst noch Sreenivasan 1995, 37 ff. und 47 ff; John Thomasi, The Key to Locke’s Proviso, British Journal for the History of Philosophy, 6 (1998), 447–454, oder die gesamte Untersuchung von Kramer 1997, in der überhaupt nur die erste Stufe berücksichtigt wird.

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  25. Selbstredend ist hier und im Folgenden nicht an eine Gleichheit der tatsächlichen Besitztümer zu denken, sondern es geht durchweg um die Gleichheit der Besitzmöglichkeiten.

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  26. Property ist das, was einem nicht ohne Zustimmung genommen werden kann (II § 138 u. ö.; dazu auch Tully 1980, 116). Locke’s verschiedene Verwendungsweisen von ›Property‹ (etwa: objektbezeichnend im Sinne speziell von »Sach-Eigentum« [§ 25 ff.] bzw. allgemein von »life, liberty and estate« [§§ 59, 87; vgl. auch die Abfolge der drei Kapitel 3, 4 und 5 = life, liberty, estate] oder aber als unexemplifizierter Rechtstitel im Sinne von »suum« [etwa § 27] bzw. »that without a man’s consent cannot be taken from him« [§§ 138 ff., 193]) sind kontextabhängig relativ leicht zu entschlüsseln und brauchen daher — wie sich zeigen wird — für die folgenden Überlegungen nicht weiter erörtert zu werden (siehe dazu Olivecrona 1975).

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  27. Vgl. II § 16: »[…] by the fundamental law of Nature, man being to be preserved as much as possible«, auch II §§ 6 und 183.

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  28. An dieser Stelle macht Locke offensichtlich Gebrauch von Filmers Haupteinwand gegen Grotius.

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  29. Vgl. II § 37 und ähnlich auch schon zuvor II § 6: »[…]he has not liberty to destroy himself, or so much as any creature in his possession, but where some nobler use than its bare preservation calls for it.«

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  30. Dies ist eine auf den juridischen Kern zugespitzte Formulierung der Lockeschen Theorie der Appropriation durch Arbeit (vgl. besonders II § 34 ab »He that had as good left[…]«); siehe zum »Arbeitsargument« unten VI.

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  31. Der Zusammenschluß zu politischen Gemeinschaften ist — sofern die Eigentumsfrage gelöst ist — kein Problem nach außen, vgl.: »This any number of men may do, because it injures not the freedom of the rest; they are left, as they were, in the liberty of the state of Nature« (II § 95); dasselbe gilt freilich auch für die 〉lokale〈 Einführung des Geldes (s. o.).

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  32. Siehe etwa: »labour […] has begun a property« (II § 30), »Thus labour, in the Beginning, gave a Right of Property« (II § 45), »labour could at first begin a title of Property« (II § 51).

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  33. Siehe oben Abschnitt III. Eine der Stellen, die auf den ersten Blick in eine andere Richtung zu weisen scheinen, ist II § 226: »For when men, by entering into society and civil government, have excluded force, and introduced laws for the preservation [!] of property, peace, and unity amongst themselves[…]«. Da Locke es hier aber zur Aufgabe des Gesetzes erklärt, Eigentum, Frieden und Einheit zu bewahren, obwohl zumindest die beiden letztgenannten bekanntlich aus dem Nichts des Kriegszustandes erzeugt werden, ist aus solchen Formeln für die Frage, ob die Gesetze eine vorgegebene Eigentumsverteilung nur sichern bzw. bewahren dürfen, oder aber eine gänzlich neue stiften dürfen, nichts zu entscheiden — es sei denn, man legt die Worte hier auf die Goldwaage: Dann aber muß man aus Kohärenzgründen — und gegen den ersten Eindruck — letzteres annehmen. Keinesfalls erlauben sie aber die entgegengesetzte Schlußfolgerung, daß das von Locke vielfach benutze 〉preserved〈 einen sprachlichen Hinweis darauf enthält, das vorstaatliche Eigentum habe eigenständige normative Implikationen für den Gesetzgeber. — Jeremy Waldrons im Detail höchst sorgfältige Diskussion z. B. gerät bereits auf der ersten Seite (The Right to Private Property, Oxford 1988, 137) anläßlich einer vergleichbaren Stelle (II, § 138; siehe dazu auch oben Abschnitt III) auf Abwege, und liest Locke sodann nur noch durch die Brille Nozicks: »The government […] is constrained by the independently established right of the individuals subject to it.« (ebd. 138; siehe für den einzigen grundsätzlichen diesbezüglichen 〉Vorbehalt〈 139). Für eine solche Behauptung gibt es aber weder einen stichhaltigen direkten Hinweis noch irgendein Argument bei Locke: Wenn 〉government〈 die Exekutive bezeichnet, wird man Waldrons 〉independently〈 im Sinne von 〉by the law〈, lesen, und der Satz ist trivial; wenn 〉government〈 aber für die Legislative stünde, wäre der Satz geradeheraus falsch. Waldrons Schlußfolgerung »Locke did not believe the introduction of civil society made much difference to the overall shape of this [sc. durch Arbeit erzeugte] fabric of rights« (251) geht — so wird sich im folgenden noch zeigen — an Lockes Intentionen und Leistungen vollständig vorbei (vgl. unten Anm. 41f.). Dasselbe gilt auch z. B. für die zusammenfassende Behauptung von Brocker: »Als Naturrecht war das Eigentum — gemäß der Lehre von der neuen Arbeitstheorie — unantastbar sowohl für den Staat wie für jeden Dritten« (Brocker 1992, 280); auch hier kann man durch Ersetzung von 〉Staat〈 durch 〉Exekutive〈 oder 〉Legislative〈 entweder einen — bei großzügiger Auslegung — trivialen oder aber einen falschen Satz erzeugen.

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  34. Insofern sind Interpretationen, die Perioden der Erwerbsmodalitäten unterscheiden (etwa Karl Olivecrona, Locke’s Theory of Appropriation, Philosophical Quarterly, 24 (1974a, 220), unangemessen und führen sogar zu Problemen mit dem Lockeschen Textaufbau (ebd., 233f.).

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  35. Dazu II § 50: »[…] it is plain, that Men have agreed [!] to disproportionate an unequal Possession of the Earth[…]« Hinsichtlich der natürlichen Gütergemeinschaft aller Menschen kann man freilich den von Filmer eingeforderten »express consent« (vgl. II § 25) über die Aufteilung nicht einfach durch einen stillschweigenden »consent of all the commoners« einsetzen, denn das wäre eine petitio principii: Ein 〉tacit and voluntary consent〈 ohne eine Ausstiegsoption ist eine contradictio in subjecto, denn es fehlt die Rechtfertigung dafür, das Dabeibleiben als »declaration«, d. i. als Willensausdruck zu deuten (siehe dazu oben Anm. 21 und II §§ 119 und 121).

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  36. Vgl. dazu I § 88: über das Erbrecht: »[…]if common tacit consent hath establish’d it, it would make but a positive and not Natural Right[…]«.

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  37. In normativer Hinsicht handelt es sich freilich bereits um Eigentum im strikten Sinne der Lockeschen Definition gemäß II § 193 (und Locke gibt keinen Hinweis, daß er etwas anderes meinen könnte): Etwas, was keinem Menschen ohne dessen eigene Zustimmung genommen werden kann. Es ist aber noch nicht dasjenige (positive) Eigentum 〉quale nunc in usu est〈.

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  38. Allein diese strikte Beschränkung der Aneignungsfunktion der Arbeit auf die 〉prima occupatio〈 machte die alte (s. CIC Digesten XLI 1,7,7 und Institutionen II 1,25) und berühmte (s. Grotius De jure belli &c. 2,8,19,1 f.) Frage, wem das Werk gehört, wenn jemand einen fremden Stoff (»aliena materia«) bearbeitet hat in bezug auf Lockes spezielle Verwendung der Arbeitstheorie gegenstandslos. Eine Anwendung das Arbeitsarguments jenseits der prima occupatio hätte einen neuzeitlichen Autor freilich sofort gründlich disqualifiziert.

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  39. Es mag zu den Turbulenzen der Interpretationsgeschichte gehören, daß die wirkungsmächtigste neuere Locke-Interpretation dadurch auf die Bahn kam, daß sie aus einer richtigen Einsicht den falschen Schluß zog: »Lockes überraschende Einsicht war es, das Eigentumsrecht zunächst auf natürliches Recht und natürliches Gesetz zu gründen, und dann alle dem Eigentumsrecht vom natürlichen Gesetz auferlegten Beschränkungen aufzuheben« (Macpherson 1973, 225). Daß alle diese Aufhebungen aber gerade aus dem »voluntary agreement« der Menschen hervorgehen, daß also das Eigentum nur unter der Bedingung von den 〉natürlichen Grenzen〈 befreit wird, daß die naturgesetzliche letztlich durch die staatsgesetzliche Bestimmtheit (vgl. den entsprechenden Gedanken zu 〉natürliches vs. bürgerliches Gesetz〈 in II § 22) ersetzt wird, und daß auf diesem Wege das natürliche Gesetz aufgrund seiner den Gesetzgeber einschränkenden Funktion durch die Hintertür wieder hereinkommt, das alles ist Macpherson entgangen.

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  40. Abgedruckt in Goldie 1997, 182–198. Die steigende Steuerlast durch die Armenfürsorge (»tax for their maintenance«) und die Frage ihrer Reduzierung durch gesetzliche Maßnahmen wird hier nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit der Besteuerung der Besitzenden erörtert, sondern ausschließlich in Hinblick auf den zu begrenzenden Schaden für das publik good (sc. »growing burden on the Kingdom«, 183, vgl. zur Besteuerung auch ebd. 252, 258).

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  41. Ein Problem, welches 〉libertäre〈 Lesarten Lockes lösen müßten, ist, warum spezielle Eigentumsrechte gleichsam 〉durch den Gesellschaftsvertrag hindurch〈 notwendig wirksam bleiben sollten. Alle Rechte, die ein Bürger hat, hat er gemäß Locke entweder ausdrücklich aufgrund seiner freiwilligen Unterwerfung unter das Gesetz zuerteilt bekommen, oder es sind solche, die er — aufgrund eines naturrechtlichen Verbotes — durch den Gesellschaftsvertrag gar nicht erst ablegen durfte: Als Gottes Geschöpf kann der Einzelne z. B. nicht über sein Leben und seine Freiheit verfügen (wobei aber selbst das Leben des Soldaten nicht sakrosankt ist, wenn es für den öffentlichen Zweck des »preserving of the rest« eingesetzt werden muß, II § 139; selbstredend hat der militärische Vorgesetzte keinen Zugriff zu privaten Zwecken auf das property des Soldaten, weder auf dessen life, liberty noch auf dessen estate). Locke argumentiert an keiner Stelle dafür, daß [auch] äußere Güter per se kein legitimer Vertragsgegenstand im Gesellschaftsvertrag sind (warum und vor allem: wie sollte er denn auch?). Ganz im Gegenteil: Der Eintritt in die Gesellschaft ist die — allein durch das natürliche Gesetz beschränkte — bedingungslose Überantwortung des natürlichen 〉property〈 an das bürgerliche Gesetz (II § 120 f.). Wer diese Übertragung nicht will, bleibt konsequenterweise 〉draußen〈. Natürlicher »estate« wäre bei Locke also bestenfalls als politische Bargainingposition anzusehen, mit der man vor dem Eintritt in eine Gesellschaft Einfluß auf die Gesetzgebung nehmen könnte (vgl. II § 131). Hat man einen 〉express consent〈 erst einmal gegeben, dann taugen sie aber nicht einmal mehr für rechtmäßige Austrittsandrohungen (vgl. § 121). Es kommt hinzu, daß die durch Arbeit ausgezeichneten natürlichen Eigentumstitel gegenüber dem, was die Kultur hervorbringt, verschwindend und im Grunde durch den »tacit consent« über den Geldgebrauch bereits zu einem positiven Eigentumsrecht geworden sind (s. o. Anm. 36). — Der nachdrücklichste neuere Versuch, in Lockes Eigentumstheorie 〉libertäre〈 Elemente zu entdecken ist der von Waldron (s. o. Anm. 33).

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  42. Vgl. auch I § 92 und II §142. Nur in besonderen Fällen stimmen dann auch in der politischen Gemeinschaft Gesetzes- und 〉Arbeitseigentum〈 noch unmittelbar überein: Das gilt etwa für den Fischfang im (als unerschöpflich angenommenen) Meer und für des Jagen der innerstaatlich als 〉common〈 deklarierten Tiere, d. i. dort, wo es entweder bleibenden Überfluß gibt, oder wo der Erwerbsmodus gesetzlich entsprechend festgeschrieben ist. (II § 30): Die Entnahme von Gütern aus den staatsinternen 〉Commons〈 wird durch das Staatsgesetz auf analoge Weise geregelt, wie die aus dem gottgegebenen 〉Common〈 durch das Naturgesetz. Letzteres erlaubt allerdings immer dann die Aneignung durch Bearbeitung, wenn für alle anderen Genügendes gleicher Qualität bleibt und nichts verdirbt. Wer hingegen im staatlichen 〉Common〈 etwas bearbeitet, dem gehört es freilich nur dann, wenn das Staatsgesetz dies ausdrücklich vorsieht (II § 35; vgl. Grotius, De jure belli &c. 2.2.2.5): Wer z. B. ein Rasenstück im öffentlichen Park umgräbt oder ohne Jagdschein einen Hirsch im Staatsforst erlegt, wird nicht dessen Eigentümer — es mag für andere noch so viel übrigbleiben — sondern ist ein Fall für den Strafrichter. Die Frage, auf welche Weise etwa die Ergebnisse kooperativer Tätigkeit innerhalb einer Political Society durch Lohnverträge, Steuerabgaben und Subventionen etc. distribuiert werden müssen, beantwortet Lockes Eigentumstheorie definitiv nicht. Selbstverständlich gebietet das Naturrecht zumindest z. B. die Armenfürsorge (I § 42; vgl. Grotius, De Jure Belli &c. 2.2.6.1 f.) und verbietet die Vernichtung brauchbarer Güter (II § 31). Eine vollständige Entkopplung von Arbeit und Eigentum ist andererseits aus staatspragmatischen Gründen sicherlich nicht geboten, denn das »publick good« wird — so das liberale credo — allein durch eine Eigentumsordnung gefördert, die den Bürgerfleiß durch das Privatinteresse befeuert. Doch diese Restriktionen für einen Gesetzgeber sind keine Besonderheiten speziell der Lockeschen Eigentumstheorie, sondern seiner allgemeinen Naturrechtslehre (dazu II § 171). — In II § 222 z. B. wird entsprechend deutlich, daß Locke auch unter solch scheinbar 〉besitzindivi-dualistischen〈 Formeln wie: »Whenever the legislators endeavour to destroy the Property of the people […]« nichts anderes versteht, als daß die Repräsentanten das Gemeinwohl verraten: »For the people having reserved to themselves the choice of their representatives as the fence to their properties, could do it for no other end but that they might always be freely chosen, and so chosen, freely act and advise as the necessity of the commonwealth and the public good should, upon examination and mature debate, be judged to require. This, those who give their votes before they hear the debate, and have weighed the reasons on all sides, are not capable of doing.« (Herv. B. L.). Es geht auch in diesem Paragraphen ausdrücklich nicht um das Mißachten des individuellen »estate« — wie z. B. Waldron 1988, 137 als Einstieg in seinen Interpretationsversuch unterstellt —, sondern vielmehr um das Mißachten des »publick good«. Lockes 〉Government〈 schützt nicht speziell solche Rechte, die der Einzelne gleichsam mitbringt, sondern allein diejenigen, welche ihm die — von gewählten Deputierten, in Konformität mit dem natürlichen Gesetz gegebenen — Gesetze zuweisen, sei es vermittels des Schuldrechts bei Transaktionen zwischen Bürgern oder durch direkte Umverteilung via Steuer und Subvention wie etwa in der Armenfürsorge.

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  43. Dazu Tully 1980, 131 ff. In diesem Resultat stimmt die hier gegebene Interpretation daher mit der Tullys weitgehend überein; vgl. auch Dunn 1984, 43 f.

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  44. Siehe dazu jetzt Barbara Arneil: John Locke and America, Oxford 1996, 132 ff.

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  45. Selbst aus den staatlichen Verpflichtungen kann man aussteigen, solange man ihnen nur stillschweigend, d. i. durch bloße Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zugestimmt hat (wie es etwa Ausländer und die noch unmündigen Kinder tun). Aber auch hier gilt: Man läßt alles Sacheigentum zurück und wendet sich entweder einem anderen bestehenden Staat zu oder macht sich in vacuos locos auf (II § 121).

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  46. Immanuel Kant z. B. geht von der vollständigen Besiedlung der Erde aus und löst das Problem der »Ursprünglichen Erwerbung« mit Rekurs auf die a-priori-Norm des »Exeundum est e statu naturali«. Er entgeht damit vergleichbaren empirischen Prämissen: Eigentumsansprüche im Naturzustand sind »pro-visorisch« für die Ausgeschlossenen verbindlich, d. h. in Anbetracht der Tatsache, daß sie die kategorisch-gebotene Verrechtlichung der Welt einleiten (so etwa Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, § 9; siehe dazu Karlfriedrich Herb, Bernd Ludwig Naturzustand, Eigentum und Staat. I. Kants Relativierung des 〉ideal des hobbes〈, Kant-Studien, 83 (1993), S. 283–316, bes. 291 ff.). Das Lockesche Arbeitseigentum zusammen mit der Geld-Einführung erfüllt damit einen Teil der systematischen Funktion von Kants »provisorischem Mein und Dein«. Dem gesetzlichen Eigentum Lockes entspricht bei Kant — in etwa — das »peremtorische Mein und Dein« (s. u. Anm. 62).

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  47. D. Hume, Essays. Moral, Political, and Literary, Bd. I (= Works, ed. Green, Grose, Bd. III), London 1882, 451.

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  48. Humes polemischer Kniff besteht freilich gerade darin, die zweite Alternative mit dem Kriegszustand gleichzusetzen. — Eine Regierung aber, die ihren Bürgern den Krieg erklärt hat (nicht erst dadurch, daß sie sein Leben bedroht, sondern bereits indem sie sich entweder der Wahl nicht stellt oder das mehrheitlich beschlossene Gesetz nicht bona fide anwendet, vgl. II § 20, § 211ff.), wird nicht dadurch wieder legitim, daß sie ihren Bürgern das Exil ermöglicht und diese es dann nicht annehmen: Das berühmte »Wem’s nicht paßt, der kann ja gehen!« aus dem Munde von Tyrannen und Usurpatoren (und Humeschen Käpitänen) ist gemäß Locke keine Einladung zum »free consent«, sondern rechtswidrige Erpressung und daher nichts anderes, als die explizite Kriegserklärung, bzw. die implizite Deklaration der Auflösung der Regierung, welche die Bürger aus der Verpflichtung entläßt (vgl. etwa II § 186, § 239). Regierungen hingegen, die den 〉trust〈 nicht mißbrauchen, haben grundsätzlich einen Anspruch auf lebenslange Herrschaft über diejenigen, die durch einen 〉express consent〈 zu 〉full members〈 geworden sind (II § 121). Diese Regierungen verdanken ihre Legitimität der Tatsache, daß sie diejenigen von der Mehrheit getragenen Gesetze achten — und sich dementsprechend auch nur gemäß jenen Gesetzen verändern (etwa II § 214ff.) —, denen sich jeder einzelne bei Eintritt in die Gesellschaft freiwillig unterworfen hat (siehe hierzu auch B. Ludwig: Locke on tacit and express consent, vorauss. in: The Locke Newsletter, 2000). — Daß die friedensstiftende Anwendung dieser rechtsphilosophisch klaren Unterscheidungen oftmals gerade dann, wenn sie am nötigsten wäre, die menschenmögliche politische Urteilskraft überfordert, steht auf einem anderen Blatt.

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  49. Diese dritte Bedingung wird von Locke fast beiläufig (II § 31) thematisiert, und die als solche nicht uninteressante Frage etwa, inwieweit das 〉Verderbenlassen〈 auch innerhalb der entwickelten arbeitsteiligen Gesellschaft Eigentumstitel entwertet, wird von Locke nicht erörtert. Es ist offensichtlich (vgl. II § 31ff.), daß diese Bedingung einzig die Grenze des von Gott dem Einzelnen zugestandenen natürlichen Reichtums festlegt (vgl. oben Anm. 29), während die beiden anderer Bedingungen (»enough and as good for others« und »action and labour«) den Anteil allein gegenüber den anderen Menschen bestimmen (insofern liegt die u. a. von Th. Mautner: Locke on Original Appropriation, American Philosophical Quarterly 19 [1982], 264 f. vermutete Unverträglichkeit der ersten und dritten Bedingung nicht vor). Diese dritte Bedingung ist gleichwohl für Lockes Argument unerläßlich, damit sich auf der Erde unter natürlichen Bedingungen keine Knappheit einstellen kann: Obgleich die menschlichen Bedürfnisse prinzipiell unbegrenzt sind, kann man stets nur einem begrenzten Ausschnitt derselben tatsächlich nachgehen; das natürliche Recht folgt mit der 〉before it spoils〈-Klausel ebendieser Einschränkung (und dankenswerterweise ist die Natur so eingerichtet, daß die Erde noch 1690 allen Menschen mehr als diesen Anteil bieten könnte). Eine Verknappung kommt also erst mit dem Geld auf; sie wird daher mit diesem zusammen freiwillig eingeführt und ist somit nicht unrecht.

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  50. Locke muß in Kap. V nicht mehr für die Verfügungsgewalt des Einzelnen über die Gegenstände argumentieren (die ist — sofern nichts verdirbt — mit z. B. I § 37 ff. und II § 4 ff. immer schon vorausgesetzt), sondern allein für eine Ausschlußbefugnis gegenüber allen anderen; vgl. etwa Pufendorff, De jure naturae et gentium, IV,4,3: Das Eigentumsproblem stellte sich nicht, wenn es nur einen Menschen gäbe.

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  51. Siehe u. a. Brandt 1974, 75 ff., Tully 1980, 4 ff und 35 ff.; Sreenivasan 1995,59 ff. (»workmanship-model«, für eine durchschlagende Kritik daran siehe T. J. Berry, Making up Locke’s theory of property, in: History of philosophy quarterly 16 (1999), S. 203–223). Eine zusammenfassende Diskussion einiger der bislang vorgeschlagenen Alternativen zur 〉Vermischungstheorie〈 (wie etwa Werterhöhungs-, Identifikations-, Erschaffungs-, Verdienst-Theorien) finden sich bei Mautner 1982 und bei Waldron 1988, 184 ff.

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  52. Allenfalls im Kontext der Boden-〉Bearbeitung〈 wählt Locke eine Terminologie, die auch den Kultivierungs-Aspekt herausstellt. (II § 32). Da er aber ausdrücklich dasselbe Argument bemühen will (»Property in that too is acquired as the former«), ist die Kultivierung hier nur als eine spezielle Form der 〉Hinzufügung〈 von Arbeit anzusehen.

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  53. Diese Behauptung, daß »Actions or Labour« (II § 44; d. i. die actiones propriae, selbstverständlich nicht die Produkte der Arbeit!) zu meinem 〉property〈 (d. i. zum meum) gehören, ist naturrechtlicher Traditionsbestand und steht Lockes Darlegung zufolge (sc. »unquestionable [!] property«) nicht zur Debatte (siehe Grotius De jure belli &c. 1,2,1,5 und 2,17,2,1: »Natura homini suum est vita […], corpus, membra, fama, honor, actiones propriae«; vgl. dazu Karl Olivecrona, The Term 〉Property〈 in Locke’s Two Treatises of Government, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 61 (1975) S. 109–115; vgl. auch noch J. S. Pütter, G. Achenwall, Elementa Iuris Naturae (1750), § 263: »Anima, corpus, actiones hominis iustae sunt suum cuiuslibet proprium«). — Wenn man übrigens mit Hooker (und Grotius) von der natürlichen Gleichheit aller Menschen ausgeht (so II § 5), dann ist freilich kaum etwas anderes als »Action or Labour« als naturrechtliches Auszeichnungskriterium für das meum externum auszudenken, denn es kommt dann ja keine natürliche Eigenschaft mehr in Frage, sondern ausschließlich ein zurechnungsfähiger Akt. Andersherum: Wenn man sich erst einmal auf die Filmersche Frage eingelassen hat, dann bleibt — unter den traditionellen Voraussetzungen — außer den 〉actiones propriae〈 gar nichts anderes mehr übrig. Theorieexterne, d. i. ideologiekritische, Erklärungen der Lockeschen 〉action-theory〈 sind daher redundant. Daß diese — nicht zuletzt dank des Namens 〉labour-theory〈 — späteren ideologischen Bedürfnissen entgegenkam, steht auf einem anderen Blatt.

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  54. Insofern rennt z. B. David Hume mit seiner Locke-Kritik auch hier offene Türen ein: »We cannot be said to join our labour to anything but in a figurative sense. Properly speaking, we only make an alteration on it by our labour« (A Treatise on Human Nature, III, 2,3, Fn. 2). Es wird sich gleich zeigen, daß Locke tatsächlich mit einer solchen 〉alteration〈 auskommt.

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  55. Allein für diesen Argumentationsschritt ist das vieldiskutierte »enough and as good left in Common for others« (II § 27) entscheidend. Zu den gängigen Interpretationsprobleme siehe Mautner 1982, S. 261 ff., der m. W. als erster zu Recht darauf hinweist, daß es sich dabei weniger um ein Kriterium, als eine unbefragte »background condition« handle; ferner Waldron 1988, S. 209 ff, 280 ff. — Nozick 1974 (S. 175ff.) ersetzt das Prinzip durch die absurde Forderung, daß durch die Aneignung »the situation of others should not be worsened«, womit ihm sogleich alle objektivierbaren Maßstäbe entgleiten.

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  56. Natürliche Freiheit ist bei Locke Unterworfenheit unter das natürliche Gesetz (II § 22), und das natürliche Gesetz ist »the direction of a free and intelligent Agent to his proper Interest« (II § 57); das, was »Fancy and covetousness« nahelegen, gehört für Locke — offensichtlich — nicht dazu.

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  57. Ich entziehe den Gegenstand nicht etwa dadurch, daß ich ihn durch Bearbeitung zum Eigentum mache (das wäre hier eine offensichtliche petitio principii), sondern umgekehrt: Der Eigentumstitel folgt normenlogisch daraus, daß ein bearbeiteter Gegenstand nicht mehr zum »natural common« gehört. Allenfalls die Formulierung in II § 27 (»it being by him removed[…]«) könnte möglicherweise zur falschen Lesart verleiten; die Formeln in z. B. II § 28 (»That labour put a distinction[…]«), § 29 (»His labour hath taken[…]«), § 30 (»[…]hath thereby removed[…]«), § 46 (»all that his Industry […]«) hingegen sind alle eindeutig.

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  58. Für das 〉alle anderen〈 läßt uns der Text genaugenommen im Stich: Warum hebt meine Arbeit, wenn sie doch den Gegenstand der natürlichen (!) Gemeinschaft entreißt, mein natürliches (!) Recht nicht auch auf? Lockes Formulierungen zeigen, daß er hier kein Problem sah (bzw. sehen wollte), denn er thematisiert in Kap. 5 niemals etwas anderes, als die negative, d. i. die bloße Ausschluß-Funktion (vgl. oben Anm. 50) der Arbeit (und das daraus resultierende Moment des Eigentumstitels). Folgende Überlegung kann die Lücke schließen, ohne die in der vorigen Anm. genannte petitio principii zu begehen: Herrenlose Gegenstände widersprechen dem Schöpfungsplan (denn sie wären für die Menschheit nutzlos), also muß wenigstens ein Mensch sein natürliches Recht auf den fraglichen Gegenstand behalten. Auch hierfür ist die Bearbeitung — selbstverständlich wiederum allein unter Bedingungen des Überflusses — die einzige nicht-willkürliche Auszeichnung (sc. »He gave it to the Industrious and Rational«, II § 33).

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  59. Eine subjektivitätstheoretische Deutung der Arbeitstheorie mittels Rekurs auf den Essay concerning Human Understanding (wie sie etwa Brandt 1974, 78 ff. versucht hat) wird hiermit entbehrlich. Ein solcher Rückgriff konnte m. E. hier ohnehin nur ein Notbehelf sein: Die Treatises sind ein politischer Beitrag zu einer naturrechtlichen Debatte, die Adressaten sind somit keine Fachkollegen der Metaphysik. Die Schrift ist ferner anonym veröffentlicht worden, und der Leser muß daher zunächst mit dem auszukommen versuchen, was sie selbst und der kanonische naturrechtliche Bildungshintergrund ihm bieten. Zudem sind auch keinerlei Querverweise im Text auszumachen, nicht einmal 〉esoterische〈, die denjenigen, der um Lockes Autorschaft schon weiß, zu den richtigen Passagen des Essay weiterführten (nicht ohne Grund ist Brandts Interpretation daher höchst aufwendig). Der zeitgenössische Leser wird etwa bezüglich des epistemischen Status der leges naturae durch den Essay eher irritiert, als daß er dort eine Stützung der (traditionellen) Position der Treatises erwarten könnte. Laslett (1988, 85) betont m. E. zu recht, daß die Treatises ohne intendierten inhaltlichen Bezug zum Essay geschrieben wurden.

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  60. Es liegt etwa der Verdacht nahe, daß man ohne eine Äquivokation bei »removing it from the natural state« o. ä. nicht ans Ziel kommt, d. i. ohne Identifikation von 〉Zustand〈 im Sinne eines Komplexes von natürlichen Eigenschaften und im Sinne des rechtlichen Status; ferner kann man etwa das oben in Anm. 58 angesprochene Problem aufgreifen. — Nozicks launige Bemerkung hingegen, man würde doch wohl eher seinen Tomatensaft verlieren, als sich das Meer aneignen, wenn man jenen in dieses schüttet (1974, 174 f.), ist — wie man hier leicht sieht — sowenig ein kritischer Beitrag zur Debatte um Locke’s Eigentumstheorie, wie es etwa die Feststellung wäre, daß man gemäß Locke durch das Ausatmen von Luft den Kosmos erwirbt (das Eintauchen einer Zehe genügte also auch schon für die Meeres-Erwerbung!): Solange genug Meer für die anderen bleibt (was — wie alle Rechtskundigen seit Thukydides wissen, s. etwa Grotius De jure belli &c. 2,2,3,2 u. ö. — aufgrund der Unabgrenzbarkeit aber gerade ausgeschlossen ist), wäre das Argument in der einen Richtung einschlägig, andernfalls eben in der anderen (denn man verliert das natürliche Recht am Tomatensaft, wenn man ihn nutzlos verschüttet).

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  61. Deutlich kommt das grundlegende Mißverständnis der gängigen Interpretationen etwa in einer Formulierung bei Lawrence C. Becker zum Ausdruck, wenn dieser behauptet, bei Locke komme das Eigentum zustande »by the alteration in one’s relation to the thing which is the consequence of the labour. But how is this so?« (Property Rights. Philosophic Foundations, London 1977, S. 34, Herv. B. L). Die — erwartungsgemäß unbefriedigende — Antwort auf die hier mit-zitierte Frage leitet dann direkt zur Beckerschen Locke-Kritik (ebd. S. 36 ff.) über. Ähnlich auch Waldron 1988, S. 20: »Natural Rights to Property are, in Locke’s view, rooted in certain relations that some individual happen to establish between themselves and certain things«. Auch das ist nicht etwa nur etwas ungenau formuliert, sondern geradeheraus falsch: Der Bearbeiter ändert bei Locke seine eigene Rechtsbeziehung zum Gegenstand gerade nicht (und wenn er es täte, so wäre das für Locke eher ein ärgerliches Problem, vgl. oben Anm. 58), sondern er hebt allein die natürlichen Rechtsbeziehungen der Anderen zum Gegenstand auf: Ein einzelner Mensch etwa würde prinzipiell kein Eigentumsproblem haben (vgl. oben Anm. 50), und sein Auflesen von Eicheln hätte konsequenterweise keinerlei rechtliche oder moralische Implikationen (welche sollten das auch sein?).

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  62. Zu den verschiedenen Versuchen in dieser Richtung vgl. oben Anm. 51. — Die letztlich absurden Konsequenzen der Rekonstruktion des Eigentums als individuelle Person-Sache-Beziehung hat u. a. Immanuel Kant in seinen Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre (§§11 und 17) vorgeführt. Das war bei Kant (mangels Bekanntschaft) aber nicht als Locke-Kritik gedacht (Kant bezeichnet dort gerade die Bearbeitungs-Theorie als eine »alte [!] und noch [!] verbreitete Meinung«) — und wäre, wie soeben gezeigt, dazu auch gar nicht geeignet gewesen.

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  63. Im Sinne der auf Hohfeld zurückgehenden Terminologie wird das privilege des Bearbeiters einer — selbst rechtlosen — Sache (sc. die Abwesenheit einer Verpflichtung zum Nichtgebrauch, d. i. die natürliche Gebrauchserlaubnis) durch die Aufhebung der entsprechenden privileges aller anderen (d. i. durch den Wegfall von deren natürlicher Gebrauchserlaubnis) in ein claim-right (Ausschlußbefugnis) aufgewertet. Die Arbeit ist somit die Quelle einer power des ersten Bearbeiters, welcher die liability der später Kommenden gegenübersteht. — Es ist zumindest bemerkenswert, daß Locke und Kant — bei allen sonstigen Unterschieden in der Argumentation — beide den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Eigentums dadurch führen, daß das privilege (die Gebrauchsbefugnis) des Aneignenden aufgrund eines fehlenden Einspruchsrechts der Anderen de facto zum Eigentumsrecht wird (und nicht etwa aufgrund irgendeines hinzukommenden Rechts auf die Sache). Bei Locke ist der Einspruch unrecht, weil das einschlägige natürliche Recht anderer durch die Bearbeitung aufgehoben wird, bei Kant hingegen besagt das »Rechtliche Postulat der praktischen Vernunft«, daß eine Maxime, die Aneignung verhindert, generell rechtswidrig ist. Dazu: B. Ludwig: Whence Public Right? The Role of Theoretical and Practical Reason in Kant’s Doctrine of Right, in: M. Timmons (Hrsg.): Kant’s Metaphysics of Morals: Interpretative Essays, Oxford 2000.

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  64. Das Fehlen einer plausiblen Antwort auf diese Frage beklagt z. B. Kramer 1997, S. 146 ff.

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  65. Das übersieht etwa Peter Nicholson in seiner sonst vieles zurechtrückenden Besprechung von Sreenivasan 1995 (The Locke Newsletter 29 [1998], 153–168, hier 161).

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  66. Siehe zu diesen Diskussionen etwa Brandt 1974, 84f, Tully 1980, 135 ff. und Neal Wood, John Locke and Agrarian Capitalism, Cambridge 1984, 85 ff., für eine Wiederaufnahme Waldron 1988, 225 ff.

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  67. Siehe etwa noch J. Rawls, A Theory of Justice, Cambridge 1971, § 22.

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  68. Tully identifiziert bisweilen sogar die konventionelle Einführung des Geldes mit der Einrichtung der Regierung (1980, 129 f., 152 ff., aber auch anders S. 147), womit er trotz aller Subtilität bei der Aufspürung des intellektuellen Kontextes das entscheidende Argument verfehlt. — Die zahllosen, von Tully für seine Interpretation herangezogenen terminologischen und sachlichen Unterscheidungen (z. B. 〉positive vs. negative community〈, exclusive vs. inclusive rights〈) spielen in der Lockeschen Präsentation selbst überhaupt keine Rolle, womit deutlich wird, daß Tully sich auf Nebenschauplätzen bewegt. Daß er dabei letztlich auf Abwege gerät, zeigt sich in einer zusammenfassenden Bemerkung: »For Locke, social relations naturally conduce to a just society only when money is absent. Money disrupts this natural order, and government is required to constitute a new order of social relations which will bring the actions of men once again in line with Gods intentions (II § 135).« Weder an der angegebenen Stelle, noch anderswo im Treatise findet sich für die Behauptung eine Stütze, daß Geld eine natürliche Ordnung bzw. eine 〉just society〈 zerstört, und auch nicht für die, daß Regierungen eine solche Ordnung wieder herstellen. Das Geld ist überhaupt keine destruktive Gewalt, sondern eine segensreiche Erfindung, die menschliche Kulturleistungen freisetzt und deshalb von den Menschen freiwillig eingeführt wird (die Feststellung, daß das Geld nicht-natürlich ist, ist bei Locke keine Kritik, sondern Ausdruck des zugrundeliegenden 〉agreement〈). Man lese nach in den II §§ 37–50: Hier im Eigentumskapitel zumindest wird ein Loblied auf die Erfindung des Geldes gesungen; die dadurch erzeugte Ungleichheit ist ein Segen, da sie alle besser stellt. Die von Tully für eine angebliche Lockesche Denunziation des Geldes herangezogenen Belege (S. 148 ff.) stammen alle aus einem viel späteren Kontext (II §§ 105–111), in dem es Locke überhaupt nicht um das Geld geht (dies wird nur einmal im II § 108 am Rande erwähnt), sondern um die despotischem Anfänge der Staaten. Eine aufschlußreiche Kritik an Tully findet sich etwa bei Wood 1984, Kap. V, zum Geld siehe insbesondere S. 72–78.

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  69. Siehe Nicholson 1998, 154 ff.

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  70. »Locke justifies property arrangements not on the base of material right, but in view of their utilitarian result (i. e. their ability to be profitable to all, including the day-labourer in Devonshire).« (Shadia E. Drury) Locke and Nozick on Property, Political Studies 30 [1982] S. 20–41, hier: 40). Drury kommt gleichwohl der hier vertretenen Interpretation m. W. am nächsten. Er betrachtet aber die drei normativen Schichten des Eigentums (Arbeit, Geld-Konsens, Gesetz) allein diachronisch aber nicht rechtfertigungstheoretisch (gegenüber den in der natürlichen Gemeinschaft Verbliebenen, gegenüber den am Geldverkehr Beteiligten, gegenüber den Mitbürgern), womit auch bei ihm der Kerngedanke des Lockeschen Arguments (s. u.) nicht zum Vorschein kommt (ähnlich noch Thomasi, 1998 S. 454). Daß zumindest Locke selbst den Zustand natürlichen Überflusses nicht nur in fernen Urzeiten, sondern (auch) in der Gegenwart ansiedelt, ergibt sich daraus, daß er immer wieder auf die zeitgenössischen Amerikaner verweist, und zudem ausdrücklich von den Teilen der Welt spricht, in denen immer noch Überfluß herrscht (z. B. II § 122, 184).

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  71. Etwa Sreenivasan 1995,141. Ganz auf die Geldtheorie meint Kramer 1997 verzichten zu können: Er erwähnt das Geld gar nicht erst (das Wort ›money‹ kommt — wenn ich recht sehe — im einschlägigen Kontext nur innerhalb von Locke-Zitaten auf S. 144 vor!). Anläßlich eines Zitats aus II § 27 heißt es entsprechend: »By and large, the rest of the labour theory of property does little more than refine the crucial verdicts of the paragraph just quoted« (130). Kramers Kritik fällt sodann erwartungsgemäß vernichtend aus.

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  72. Vgl. dazu etwa den Schlußsatz von II § 36: »[…]which, how it has done, I shall, by and by shew more at large« Das eigentliche rechtstheoretische Argument ist mit II § 39 bereits abgeschlossen (einzelne Teilschritte werden freilich danach noch einmal wiederholt). — Möglicherweise rechtfertigt die Arbeitswerttheorie ja unter der Hand auch noch die willkürliche Aufhebung des Zustandes natürlicher Bedürfnislosigkeit, da sie die Konformität mit dem Schöpfungsauftrag (in Baconscher Lesart) sicherstellt. Allerdings ist eine solche Rechtfertigungsabsicht im Second Treatise nicht zu entdecken; sie muß daher eigens erfunden werden — und ermöglicht sodann freilich allerlei demaskierende ›Einsichten‹ hinsichtlich dessen, was Locke seinen Lesern eigentlich ›verbergen‹ wollte (und bis Mitte unseres Jahrhunderts dann freilich auch erfolgreich verborgen hat; so Strauss [1953] 1977, 256 ff.).

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  73. Das »Differenzprinzip« ist also bei Locke — anders als z. B. bei John Rawls — ein Prinzip politischer Klugheit, ein Teil der Motivations-Theorie, nicht der Gerechtigkeitstheorie (der Begriff einer ›sozialen Gerechtigkeit‹ taucht bekanntlich erstmals in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf).

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  74. Die Einsicht, daß der Wert der Güter vornehmlich von der eingebrachten Arbeit bestimmt wird, findet sich z. B. auch bei Pufendorf (u. a.: De officio hominis et civis, I, 12, 7) und ist unter jenen Ökonomen, deren Schriften in Lockes Bibliothek standen, ohnehin ein Gemeinplatz (siehe dazu die Literatur bei Peters 1997, 148 f.).

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Ludwig, B. (2001). Arbeit, Geld, Gesetz. In: Ballestrem, K.G., Gerhardt, V., Ottmann, H., Thompson, M.P. (eds) Politisches Denken Jahrbuch 2001. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02726-9_5

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