Zusammenfassung
Arnold Schönberg hat auf den Verlauf der Musikgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenso nachdrücklich Einfluß genommen2, wie John Cage die Verständigungsbasis darüber, was Musik sei oder sein könne, in dessen zweiter Hälfte vielleicht eindringlicher als die meisten anderen Künstler seiner Zeit durchleuchtet hat3. Beide sind im allgemeinen Bewußtsein unserer Tage zu ganz unterschiedlich eingeordneten Ikonen der Avantgarde und des emphatisch „Neuen“ in der Musik ihrer jeweiligen Jahrhunderthälften avanciert. Ihre kurze Begegnung in den dreißiger Jahren, als der ins Exil gezwungene sechzigjährige Wiener Schönberg den jungen gebürtigen Kalifornier Cage unterrichtete, hat Anlaß zu mitunter gegenläufigen Kommentaren gegeben, die hier eine geschichtliche Konsequenzlogik zwischen den Werken beider erkennen wollten4, dort die Möglichkeit einer künstlerischen Erbschaft Cages von Schönberg als haltlose Konstruktion zurückwiesen5.
Ich fragte einmal einen Historiker: „Wie schreiben Sie Geschichte?“ Er antwortete: „Oh, man muß sie erfinden.“1
John Cage
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Notizen
John Cage im Gespräch, hrsg. von R. Kostelanetz, Köln 1989, S. 43.
Stil oder Gedanke? Schönberg-Rezeption in Europa und Amerika, hrsg. von S. Litwin und K. Veiten, Saarbrücken 1995 (= Schriftenreihe der Hochschule des Saarlandes für Musik und Theater, Bd. 3).
H. Danuser, Die Musik des 20. Jahrhunderts, Laaber 1984 (= Neues Handbuch der Musikwissenschaft, Bd. 7), S. 330.
H.-K. Metzger, John Cage oder Die freigelassene Musik, in: John Cage, hrsg. von H.-K. Metzger und R. Riehn, München 1978 (= Musik-Konzepte Sonderband), S. 6 ff.
I. Pepper, John Cage und der Jargon des Nichts, in: Mythos Cage, hrsg. von C.-S. Mahnkopf, Hofheim 1999, S. 9.
Brief von Cage an Adolph Weiss von 1935, zitiert nach W. George, Adolph Weiss, Diss. University of Iowa 1971, S. 309.
M. Hicks, John Cage’s Studies with Schoenberg, in: American Music 8, 1990, S. 127.
J. Cage, A Year from Monday, Middletown 1968, S. 46.
Zitiert nach einem Brief an Dieter Schnebel vom 11. 12. 1973 (D. Schnebel, Disziplinierte Anarchie, in: Herausforderung Schönberg, hrsg. von U. Dibelius, München 1974, S. 152.
C. Tomkins, Profiles: Figure in an Imaginary Landscape, in: The New Yorker, 28. 11. 1964, S. 74.
Brief von Cage an Adolph Weiss (April 1935), zitiert nach W. George, Adolph Weiss, a. a. O., S. 311.
Brief von Cage an Adolph Weiss (Mai 1935), zitiert nach W. George, Adolph Weiss, a. a.O., S. 314.
Vergleiche F. Schmidt, John Cage, in: Frankfurter Allgemeine Magazin vom 17. 8. 1984. Vergleiche zum Beispiel auch C. Tomkins, The Bride and the Bachelors: The Heretical Courtship in Modern Art, New York 1965, S. 84 f.
J. Cage, Für die Vögel Gespräche mit Daniel Charles, Berlin 1984, S. 76.
A. Schönberg, Der Segen der Sauce, in: ders., Stil und Gedanke, hrsg. von I. Vojtech, Frankfurt a. M. 1976, S. 150 f.
A. Schönberg, George Gershwin (1938), in: ders., Style and Idea, New York 1950, S. 476.
Zitiert nach R. Kostelanetz, John Cage, Köln 1973, S. 101.
J. Cage, 45’ for a speaker, in: ders., Silence, Middletown 1961, S. 146.
Zitiert nach R. Kapp, John Cage, in: Phren. 5.-17. Jahrestagung 1981–1994. Dokumentation, Teil I, Freiburg 1994, S. 48.
J. Cage, Bekenntnisse eines Komponisten (1948), in: MusikTexte 8, 1990/1991, S. 58.
J. Cage, The East in the West, in: Modern Music 23, 1946, S. 115.
Gottfried Michael Koenig, in: U. Stürzbecher, Werkstattgespräche mit Komponisten, Köln 1971, S. 27.
J. Cage, Autobiographische Skizze, in: John Cage. Anarchic Harmony, hrsg. von S. Schädler und W. Zimmermann, Mainz 1992, S. 24.
J. Cage, Vorlesung beim Commemorative Lecture Meeting (New York, August 1989); deutsch in: du. Die Zeitschrift der Kultur, Heft 5, Mai 1991, S. 18.
John Cage and Roger Reynolds: A Conversation, in: Musical Quarterly 65, 1979, S. 593.
H. Cowell, Current Chronicle, in: Musical Quarterly 38, 1952, S. 124.
Vergleiche Hans Curjels Äußerung in: Melos 22, 1955, S. 97. Noch 1987 betont beispielsweise Gisela Gronemeyer, Cage habe bei Schönberg ein „gründliches musikalisches Handwerk“ gelernt {Amerikanische Musik seit Charles Ives, hrsg. von H. Danuser u. a., Laaber 1987, S. 314).
So betonte Cowell etwa wiederholt: „I was never a pupil of Schoenberg in the usual sense and have never adopted any of his techniques“ (zitiert nach S. Feißt, Henry Cowell und Arnold Schönberg, in: Archiv für Musikwissenschaft 55, 1998, S. 69).
Vergleiche dazu Henry Cowells „Adventures in Harmony“ (1911) oder „The Tides of Manaunon“ (1912), sowie M. Fürst-Heidmann, Das präparierte Klavier des John Cage, Regensburg 1979, S. 29.
J. Cage, Komposition als Prozeß (1958), in: Darmstadt-Dokumente I, München 1999 (= Musik-Konzepte Sonderband), vergleiche etwa S. 152.
Schoenberg est mort, zitiert nach der deutschen Übersetzung von J. Häusler, in: Meios 41, 1974, S. 62–64.
H. H. Stuckenschmidt, Luft von anderem Planeten, in: Melos 32, 1965, S. 110.
G. Eberle, Musik 50er Jahre, Berlin 1980, S. 47.
R. Wiggershaus, Die Frankfurter Schule, München Wien 1986, S. 572.
L. Nono, Texte, Zürich Freiburg 1975, S. 40.
P. Boulez, Aléa, in: ders., Werkstatt-Texte, Berlin Frankfurt a. M. Wien 1972, S. 103.
H. H. Eggebrecht, Musikalisches Denken, Wilhelmshaven 1977, S. 219 ff.
D. Schnebel, Komposition von Sprache — sprachliche Gestaltung von Musik in Adornos Werk, in: ders., Denkbare Musik. Schriften 1952–1972, Köln 1972, S. 469. Dabei übersieht Schnebel freilich gewisse kritische Fragestellungen Adornos gegenüber Cages Kunstauffassung (vergleiche Th. W. Adorno, Vers une musique informelle, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 16, hrsg. von R. Tiedemann, Frankfurt a. M. 1978, S. 533 f.).
G. Borio, Musikalische Avantgarde um 1960. Entwurf einer Theorie der informellen Musik, Laaber 1993, S. 170.
Th. W. Adorno, Vers une musique informelle, a. a. O., S. 536. Adorno bekräftigte diese These später auch in seiner Ästhetischen Theorie (Th. W. Adorno, Ästhetische Theorie, Frankfurt a. M. 1973, S. 231).
G. Henrichs, Bedeutete John Cage einen Sprung in der Neuen Musik?, in: Archiv für Musikwissenschaft 55, 1998, S. 4 bzw. S. 7.
Th. W. Adorno, Dissonanzen, Göttingen 1956, S. 116.
Vergleiche Th. W. Adorno, Ästhetische Theorie, a. a. O., S. 229–235. Vergleiche hierzu auch G. Borio, Negativität als Paradigma der Avantgarde, in: ders., Musikalische Avantgarde um 1960, a. a. O., S. 15–22.
J. Becker und W. Vostell, Happenings, Reinbek 1965, S. 232.
Zitiert nach M. Rieple, Musik in Donaueschingen, Konstanz 1959, S. 81.
A. Schönberg, Harmonielehre, Wien 1986, S. 31.
P Bürger, Theorie der Avantgarde, Frankfurt a. M. 1974, S. 28 f. bzw. S. 66 f.
J. Stenzl, Tradition und Traditionsbruch, in: Die neue Musik und die Tradition, hrsg. von R. Brinkmann, Mainz 1978, S. 97.
Vergleiche H. Neuhoff, How Musical is Cage?, in: Neue Zeitschrift für Musik 5, 1994, S. 47.
E. Stein, Der Lehrer, in: Arnold Schönberg. Mit Beiträgen von Alban Berg [u. a.], München 1912, S. 82. In ihrer Tendenz ähnliche Berichte sind auch von amerikanischen Schülern Schönbergs überliefert (vergleiche zum Beispiel: W. Langie, Schoenberg as a Teacher, Diss. phil. Los Angeles 1967; P. Alderman, Arnold Schoenberg at USC, in: Journal of the Arnold Schoenberg Institute (JASI) V, 2, 1981, S. 203–210; L. M. Knight, Classes with Schonberg, in: /AS/XIII, 2, 1990, S. 137–163). Vergleiche hierzu auch: C. Spies, Schoenberg’s Influence on Composing in America, in: JASI XVIII, 1/2 — XIX, 1/2, 1995–1996, S. 760.
A. Riethmüller, Wie über den Komponisten John Cage reden?, in: Archiv für Musikwissenschaft 52, 1995, S. 108 bzw. S. 110.
P. van Emmerik und M. Erdmann, Cage-Forschung, in: Archiv für Musikwissenschaft 49, 1992, S. 214.
R. Oehlschlägel, Komponieren nach Schönberg und Cage, in: Musik Texte 27, 1989, S. 47.
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Schmidt, M. (2000). Experimente der Geschichte oder was Cage von Schönberg über Cage Lernte. In: Wagner, G. (eds) Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02720-7_11
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