Zusammenfassung
Man kann sich ein Beispiel nehmen. Jochen Hörisch hat in seiner jüngst vollendeten literaturwissenschaftlichen Trilogie eine Idee vorgestellt, die anregend ist. Es gibt, so seine grundlegende Annahme, epochenspezifische Leitmedien, die den Literaten als Fluchtpunkt ihrer Arbeit dienen. Diese »Leit-Medien, die dem ›christlich-abendländischen‹ Projekt Europa bislang eine bei aller Dramatik bemerkenswert elastische Haltbarkeit gegeben haben«, sind »das Abendmahl, das Geld und die audio-visuellen Medien«.1 Den Leitmedien kam und kommt die Funktion zu, die »sog. christlich-abendländische Kultur mit einem intersubjektiv verbindlichen Geltungsrahmen und einer Tiefenstruktur« zu versehen.2 So bildet das Abendmahl »den Rahmen jener verbindlichen Semantik, auf die man sich immer schon berufen haben muß, wenn man sinnvoll kommunizieren will«.3 Spätestens seit dem 16. Jahrhundert nimmt das Geld die Stelle Gottes ein, wobei sich Hörisch der augenfälligen Analogie zwischen Hostie und Münze (dazu kommt später noch die CD-ROM), nämlich daß es sich hier um Scheiben handelt, nicht entziehen will. Jedenfalls thematisiert die Literatur seit dem 16. Jahrhundert verstärkt Probleme des Geldes, wobei die Übergänge von der Sphäre der Religion in die des Geldes leicht vonstatten gehen, verwenden doch beide ein Vokabular, das sich so und so wenden läßt. Weit weniger ambitiös soll hier vorgegangen werden. Man könnte geradezu eine Umkehrung erproben, die nicht von einem Leitmedium spricht, sondern von unscheinbaren Kristallisationspunkten der Handlung, die wichtige Abzweigungen der Erzählung markieren.
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Notizen
Jochen Hörisch, Ende der Vorstellung. Die Poesie der Medien, Frankfurt 1999, S. 11.
Gottfried Achenwall und Johann Stephan Pütter, Anfangsgründe des Naturrechts (1750). Herausgegeben und übersetzt von Jan Schröder, Frankfurt a.M. und Leipzig 1995, S. 277.
Johann Gottlieb Heineccius, Grundlagen des Natur—und Völkerrechts (1738). Übersetzt von Peter Mortzfeld. Herausgegeben von Christoph Bergfeld, Frankfurt a.M. und Leipzig 1994, S. 276.
Marcel Mauss, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. In: Ders., Soziologie und Anthropologie, Band II, Frankfurt a.M. 1978, S. 116.
Hans Kelsen, Vergeltung und Kausalität. Wien, Köln und Graz 1982, S. XXXV.
Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches, § 92. In: Ders., Werke I (Schlechta-Ausgabe) Frankfurt a.M. 1976, S. 501.
Adam Smith: Theorie der ethischen Gefühle. Nach der Auflage letzter Hand übersetzt und mit Einleitung, Anmerkungen und Registern herausgegeben von Walter Eckstein, Hamburg 1994 (1. Auflage 1926), S. 110.
Immanuel Kant, Eine Vorlesung über Ethik. Herausgegeben von Gerd Gerhardt, Frankfurt a.M. 1990, S. 230.
Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten. In: Kants Werke, Akademie Textausgabe, Band VI, Berlin 1968, S. 460.
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung. In: Ders., Sämtliche Werke, Band 1, München 1924, S. 411.
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung. In: Ders., Sämtliche Werke, Band 2, München 1924, S. 684.
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Pircher, W. (2000). Geld, Pfand und Rache. In: Blamberger, G. (eds) Kleist-Jahrbuch 2000. Kleist-Jahrbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02719-1_6
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