Zusammenfassung
Unter allen Romanen Goethes haben — neben dem Werther und den Wahlverwandtschaften — Wilhelm Meisters Lehrjahre die größte Resonanz und folgenreichste Rezeption erfahren.1 Die außerordentliche Wirkung dieses Goetheschen Romans beruht sowohl auf seiner Stellung innerhalb des gesamten Oeuvres Goethes als auch auf seiner „unendlichen Auslegbarkeit“ im Horizont unterschiedlicher Erwartungen und Anschlußmöglichkeiten. Dem Faust vergleichbar hat Friedrich Schlegel bereits 1808 anläßlich der Rezension von Goethes Werken die Sonderrolle der Lehrjahre hervorgehoben:
Der Meister hat auf das Ganze der deutschen Literatur sichtbar wie wenige andere Erscheinungen gewirkt, und recht eigentlich Epoche gemacht, indem er dieselbe mit der Bildung und dem Geist der guten und schlechten Gesellschaft in Berührung setzte, und die Sprache nach einer ganz neuen Seite hin mehr bereicherte, als es vielleicht in irgendeiner Gattung durch ein einzelnes Werk auf einmal geschehen ist.2
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Notizen
Zur Rezeptionsgeschichte vgl.: Goethes „Wilhelm Meister“. Zur Rezeptionsgeschichte der Lehr- und Wanderjahre. Hrsg. von Klaus F. Gille. Königstein/Ts. 1979.
Außerdem die Dokumente zur Wirkungsgeschichte in: Johann Wolf gang Goethe: „Wilhelm Meisters theatralische Sendung“. „Wilhelm Meisters Lehrjahre“. „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“. Hrsg. von Wilhelm Voßkamp und Herbert Jaumann. Unter Mitwirkung von Almuth Voßkamp. Frankfurt a.M. 1992, S. 1273–1362.
Vgl. auch: Wilhelm Voßkamp: „Man muß den Roman mehr als einmal lesen.“ Zur Wirkungsgeschichte von Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre[n]“. In: Offenes Gefüge. Literatursystem und Lebenswirklichkeit. Fs. für Fritz Nies. Hrsg. von Henning Krauß. Tübingen 1994, S. 199–210.
Friedrich Schlegel: „Goethes Werke“ nach der Gottaschen Ausgabe von 1806. Erster bis vierter Band. In: F. Schlegel: Kritische Schriften, Hrsg. von Wolfdietrich Rasch. München 21964, S. 306.
Vgl. Georg Simmel: Goethe. Leipzig 1913. Ders.: Kant und Goethe. In: Die Kultur 10 (1906), S. 1–71.
Georg Lukács: Wilhelm Meisters Lehrjahre (1936). In: Schriften zur Literatursoziologie, ausgewählt von Peter Ludz. Neuwied u. a. 51972, S. 383–402.
Walter Benjamin: Gesammelte Schriften II. Frühe Arbeiten zur Bildungs- und Kulturkritik. Frankfurt a. M. u. a. 1972.
Vgl. dazu Dieter Borchmeyer: Höfische Gesellschaft und Französische Revolution hei Goethe. Adliges und bürgerliches Wertesystem im Urteil der Weimarer Klassik. Kronberg/Ts. 1977.
Wilhelm Voßkamp: Klassik als Epoche — Zur Typologie und Funktion der Weimarer Klassik. In: Epochenschwelle und Epochenbewußtsein. Hrsg. von Reinhart Herzog und Reinhart Koselleck. München 1987, S. 493–514.
Zum Begriff der Krise vgl. Reinhart Koselleck: „Krise“. In: Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck. Stuttgart 1982, S. 617–650. Ders.: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. Freiburg/München 1959 (Neudruck Frankfurt 1973).
Zur Klassik-Diskussion insgesamt: Klassik im Vergleich. Normativität und Historizität europäischer Klassiken. Hrsg. von Wilhelm Voßkamp. Stuttgart/Weimar 1993.
Vgl. Wilhelm Voßkamp: Der Bildungsroman als literarisch-soziale Institution. Begriffs- und funktionsgeschichtliche Überlegungen zum deutschen Bildungsroman am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Zur Terminologie der Literaturwissenschaft. Hrsg. von Helmut Brackert und Jörn Stückrath. Reinbek 1991, S. 251–269.
Vgl. Georg Stanitzek: Bildung und Roman als Momente bürgerlicher Kultur. Zur Frühgeschichte des deutschen „Bildungsromans“. In: DVjs. 162 (1988), S. 416–450;
und Wilhelm Voßkamp: „Bildungsbücher“. Zur Entstehung und Funktion des deutschen Bildungsromans. In: Die Fürstliche Bibliothek Corvey. Ihre Bedeutung für eine neue Sicht der Literatur des frühen 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Rainer Schöwerling und Hartmut Steinecke. München 1992, S. 134–146.
Vgl. Martin Swales: The German Bildungsroman from Wieland to Hesse. Princeton 1978, S. 7;
Louis Dumont: Homo aequalis, II. L’idéologie allemande. France-Allemagne et retour. Paris 1991, S. 35 f.
Vgl. Hartmut Steinecke: Wilhelm Meister und die Folgen. Goethes Roman und die Entwicklung der Gattung im 19. Jahrhundert. In: Goethe im Kontext. Hrsg. von Wolfgang Wittkowski. Tübingen 1984, S. 89–118,
und Ernst Behler: Wilhelm Meisters Lehrjahre und die Romantheorie der Frühromantik. In: Etudes Germaniques 44 (1989), S. 409–427.
Thomas Mann: Von Deutscher Republik. Politische Schriften und Reden in Deutschland. Frankfurt a. M. 1984, S. 195.
Wilhelm Voßkamp: Individualität — Biographie — Roman. In: Lehensläufe um 1800. Hrsg. von Jürgen Fohrmann. Tübingen 1998, S. 257–261.
Vgl. Wilhelm Voßkamp: ,Perfectihilité’ und ‚Bildung‘. Zu den Besonderheiten des deutschen Bildungskonzepts im Kontext der europäischen Utopie- und Fortschrittsdiskussion. In: Europäische Aufklärung(en). Einheit und nationale Vielfalt. Hrsg. von Siegfried Jüttner und Jochen Schlobach. Hamburg 1992, S. 117–126.
Vgl. Wilhelm Voßkamp: Deutsche Zeitgeschichte als Literatur. Zur Typologie historischen Erzählens in der Gegenwart. In: Berichte und Abhandlungen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1999, Bd. 9, S. 122–127.
Zit. Ausgabe: Botho Strauß: Der junge Mann. Roman. München/Wien 1984;
Seitenzahlen im folgenden Text. Literatur zu Botho Strauß’: Der junge Mann: Roland Jost: Botho Strauß’ „Regressive Universal- poesie“. Von der Erzählung „Die Widmung“ zum Roman „Der junge Mann“. In: Im Dialog mit der Moderne. Zur deutschsprachigen Literatur von der Gründerzeit bis zur Gegenwart. Hrsg. von Roland Jost und Hansgeorg Schmidt. Frankfurt a.M. 1986, S. 481–499.
Henriette Herwig: „Romantischer Reflexions-Roman“ oder erzählerisches Labyrinth? Botho Strauß: „Der junge Mann“. In: Strauß lesen. Hrsg. von Michael Radix. München/Wien 1987, S. 267–282.
Heidy M. Müller: Transformationen romantischer Inspirationsquellen im Jungen Mann“ von Botho Strauß. In: Literarische Tradition heute. Deutschsprachige Gegenwartsliteratur in ihrem Verhältnis zur Tradition. Hrsg. von Gerd Labroisse und Gerhard P. Knapp. Amsterdam 1988, S. 181–199.
Stig Olsen: Der Bildungsroman im postmodernen Gewand. Zu „Der junge Mann“ von Botho Strauß. In: AUGIAS 41 (1991), S. 24–39.
Zu Goethes Utopie-Kritik vgl. Wilhelm Voßkamp: Utopie und Utopiekritik in Goethes Romanen „ Wilhelm Meisters Lehrjahre“ und „ Wilhelm Meisters Wanderjahre“. In: Utopieforschung. Hrsg. von Wilhelm Voßkamp. Bd. 3. Stuttgart 1982, S. 227–249.
Zu Botho Strauß vgl. Wolfgang Braungart: „Theophane Herrlichkeit“. Utopie, Utopiekritik und Ästhetik der Präsenz bei Botho Strauß. In: Zeitgenössische Utopieentwürfe in Literatur und Gesellschaft. Hrsg. von Rolf Jucker. Amsterdam 1997, S. 295–312.
Vgl. Botho Strauß: Beginnlosigkeit Reflexionen über Fleck und Linie. München 1992.
Vgl. Botho Strauß: Aufstand gegen die sekundäre Welt. Bemerkung zu einer Ästhetik der Anwesenheit (1991). In: Der Aufstand gegen die sekundäre Welt. Bemerkungen zu einer Ästhetik der Anwesenheit. München 1999, S. 38–53.
Vgl. hierzu auch die Referenzen bei Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie. Frankfurt a.M. 1970, z.B. S. 174 f., S. 243 f.
Zit. Ausgabe: Thomas Bernhard: Auslöschung. Ein Zerfall. Frankfurt a.M. 1986;
Seitenzahlen im folgenden im Text. Zur Literatur vgl. vor allem: Antiautobiografie. Zu Thomas Bernhards „Auslöschung“. Hrsg. von Hans Höller und Irene Heidelberger-Leonard. Frankfurt a.M. 1995.
Als Überblick zur Thomas Bernhard-Literatur insgesamt: Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Stuttgart/Weimar 1995.
Vgl. Walter Pape: „Mich interessiert nur mein Körper und mein Kopf und sonst gar nichts.“ Erzählerische und autobiographische Subjektivität bei Thomas Bernhard. In: Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität. Hrsg. von Reto Luzius Fetz, Roland Hagenbüchle und Peter Schulz, Berlin/New York 1998, S. 1174–1197.
Vgl. Wilhelm Voßkamp: „Extinction“. Propos de l’autoreflexion du roman d’éducation au 20ème siècle chez Thomas Bernhard. In: Revue Germanique Internationale 12 (1999), S. 257–269. Ders.: Auslöschung. Zur Selbstreflexion des Bildungsromans im 20. Jahrhundert bei Thomas Bernhard. In: Literatur und Demokratie. Fs. für Hartmut Steinecke. Hrsg. von Alo Allkemper und Norbert Otto Eke. Berlin 2000, S. 231–244.
Vgl. Wilhelm Voßkamp: „Un livre paradoxal“. Jean Jacques Rousseaus „Emile“ in der deutschen Diskussion um 1800. In: Rousseau in Deutschland. Neue Beiträge zur Erforschung seiner Rezeption. Hrsg. von Herbert Jaumann. Berlin/New York 1995, S. 101–113.
Hans-Ulrich Kreichel: Auslöschungsverfahren. Exemplarische Untersuchung zur Literatur und Poetik der Moderne. München 1995, S. 52.
Vgl. Manfred Engel: Der Roman der Goethezeit Bd. 1. Stuttgart/Weimar 1993, S. 388 f.
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Vosskamp, W. (2000). Wilhelm Meisters „Theatralische Sendung“ und dessen „Lehrjahre“ im 20. Jahrhundert bei Botho Strauß und Thomas Bernhard. In: Keller, W. (eds) Goethe-Jahrbuch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02710-8_15
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02710-8_15
Publisher Name: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-7400-1120-8
Online ISBN: 978-3-476-02710-8
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