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Zentrale Voraussetzungen von Kleists Schreibpraxis um 1800 — festgemacht am Beispiel der Lektüre des Martini-Briefes und des „Glücks“-Aufsatzes

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»Des Gedankens Senkblei«
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Zusammenfassung

Gelenkt durch die teleologische Vervollkommnungsidee, orientiert sich Kleist zwischen Frühjahr 1799 und Sommer 1800 bekanntlich vorrangig am aufklärerischen Wissenschaftsideal. Auch wenn Kleist im Laufe dieser Entwicklungsjahre den ihn zum Wissen und Handeln drängenden Traum von Ursprung und Vollendung unterläuft, indem er immer dezidierter die Autokratie der Vernunft kritisiert, so bleibt doch das Selbstdenker-Diktum der Aufklärung von entscheidender Bedeutsamkeit für ihn. All das ist als allgemeiner Grundzug des intellektuellen Werdegangs Kleists von einem Teil der Forschung deutlich herausgestellt worden.74 Wenn bei einer Gegenüberstellung von zwei Zeugnissen aus unterschiedlichen Entwicklungsetappen, von 1799 und 1800, ebendiese ambivalente Haltung Kleists gegenüber den fundamentalen Wert-Positionen der Aufklärung — Autonomie der Vernunft, Wahrheitsanspruch und Tugendideal — hier erneut einer Prüfung unterzogen wird, so mit dem Ziel, beide Seiten des Problems zu zeigen: Kleists Beharren auf den Grundvoraussetzungen aufklärerischen Denkens ebenso wie seine gleichzeitige Emanzipation von der dogmatischen Verzerrung, von der vereinseitigenden, Heterogenes ausschließenden Rigorosität dieser Überzeugungen. Von ihren Folgen her gesehen, bewirken diese gegenläufigen geistigen Einstellungen, bei Kleist ähnlich wie etwa bei Hamann oder Lenz, eine Radikalisierung des zunächst einmal umstandslos übernommenen Gedankenguts. Anhand der ins Auge gefaßten Detailanalysen soll versucht werden nachzuweisen, daß die allmählich sich vollziehenden Veränderungsprozesse sich weniger an der Wahl der Themen, weniger an den diskursiv entwik-kelten Fragen als vielmehr an der Art der sprachlichen Manifestation dingfest machen lassen — zum Teil an den vom Schreibenden nicht intendierten sprachlichen Verwerfungen und argumentativen Brüchen.

Darf man sich in dieser Welt wohl bestreben, das Vollkommene wirklich zu machen, oder muß man sich nicht begnügen, nur das Vorhandne vollkommner zu machen? (Aus den Denkübungen für Wilhelmine von Zenge, Sommer 1800).

Selbstdenken heißt den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst (d.i. m seiner eigenen Vernunft) suchen; und die oberste Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung (I. Kant, Was heisst: sich im Denken orientieren? [1786]).

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Kapp, G. (2000). Zentrale Voraussetzungen von Kleists Schreibpraxis um 1800 — festgemacht am Beispiel der Lektüre des Martini-Briefes und des „Glücks“-Aufsatzes. In: »Des Gedankens Senkblei«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02697-2_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02697-2_5

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-45234-4

  • Online ISBN: 978-3-476-02697-2

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

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