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Aspekte der ‘femme machine’ bei Hesiod, Villon, Marot, Marino und Hoffmannswaldau

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Abkehr von Schönheit und Ideal in der Liebeslyrik

Zusammenfassung

Daß Frauen den Männern zum Verderben gereichen, ist der Literatur seit alters vertraut. An der Stammutter aller Frauen — der mythischen Pandora — hat Hesiod die Mittel bereits vorgeführt, über die Frauen verfügen, um ihr unheilvolles Werk an den Männern zu verüben. Diese Mittel verdankt Pandora den Gaben mehrerer Götter, die sie auf Geheiß des Zeus als ein Ensemble verschiedener Reize und Fähigkeiten schufen. Mit ihr wollte er den Frevel des Titanen Prometheus gestraft sehen, der gegen den Willen des olympischen Gottes den Menschen das Feuer überbrachte.1 Die Allbeschenkte — so die Bedeutung des Namens Pandora — sollte über alle Reize verfugen, die Männer dazu verführen können, sie zu umarmen, obwohl sie „ihr eigenes Weh“ dabei ans Herz drücken.2 Als ob es sich um die Fabrikation eines Kunstwerks, aber nicht um die Erschaffung eines Menschen handle, greift der Schmiedegott Hephaistos zu Erde und Wasser, um den Leib der künftigen Verführerin zu kneten und zu töpfern. Leben und Stimme tat er danach hinein, damit das Weib sich auch bewegen und wirken könne. Für den „Liebreiz“ sorgte Aphrodite, die ihr diesen wie Locken „ums Haupt schüttete“.3 Doch die wichtigsten Eigenschaften steuerte der Gott der Diebe und Kaufleute bei: Hermes pflanzte der künstlichen Frau „scharwenzelnden Sinn“, „verschlagene Artung“, „Täuschung“ und „schmeichelnder Worte Gewalt“ ein.4

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Literatur

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  4. Ebd., V. 67 u. 78. Neigungen und Trieben entsprochen haben, die Männer an Frauen befriedigen. Was Freud später die erotischen Partialtriebe nennen wird — sie haben in der mythischen Pandora ihre erste Verkörperung gefunden. Freilich umschreiben „Liebreiz“ und „lockende Schönheit“ noch recht allgemein die erotische Faszination des Frauenkörpers; doch wer genug Zeit hatte, der konnte von der Literatur genauer darüber belehrt werden, welche Reize Frauen einsetzen, um Männer an sich zu ziehen — und zu verderben. Es ist der von Peter Brockmeier interpretierte François Villon5 gewesen, der — soweit ich sehe — den von Hesiod knapp umrissenen Katalog weiblicher Reize bedeutend erweiterte.6 Im Gedicht über die „belle heaulmière“ werden von einer alt gewordenen Helmschmiedin mehrere anatomische Details aufgezählt, die ihr in der Jugend dazu dienten, selbst die noch so schlauen Männer zu fangen.7 An erster Stelle stehen, wie es sich gehört, der erhobene „front poly“, die „cheveulx blons“, die „sourcils voultiz“ und die „grant entroeil“. Danach steigt der Blick tiefer, und wir dürfen von einem „beau nez droit, grant ne petit“ erfahren. Weiter schweift der Blick zu den „petites joinctes oreilles“, dem „menton fourchu“ und den „belles levres vermeilles“. Die Aufzählung läuft über die „gentes espaulles“ und die „petiz tetins“ hinunter bis zum „sadinet / assis sur grosses fermes cuisses“.

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Glaser, H.A. (2000). Aspekte der ‘femme machine’ bei Hesiod, Villon, Marot, Marino und Hoffmannswaldau. In: Fischer, C., Veit, C. (eds) Abkehr von Schönheit und Ideal in der Liebeslyrik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02695-8_15

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02695-8_15

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-45232-0

  • Online ISBN: 978-3-476-02695-8

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