Zusammenfassung
In seinem Beethoven-Buch hat Paul Bekker dem ersten Satz der Klaviersonate op. 31,2 eine Beschreibung angedeihen lassen, die der Musik eine fantastisch-dämonische Szenerie unterlegt. Der Rezitativakkord ist eine „mystische Tiefe“, ihr „entsteigt eine gespenstige Erscheinung mit leisen Schritten nach oben tappend“.2 In dem folgenden Allegro hört Bekker ein Reagieren auf den Anfang, es sind „heftig abwehrende Achtelrhythmen“, die „fortdrängen von dem drohenden Spuk“. Die sequenzierte Wiederholung des Largo wird mit dem Satz beschrieben: „Doch das Phantom kehrt wieder, ernster noch mahnend durch die überraschende C-Dur-Wendung.“ August Halm hat Bekkers Deutung bekanntlich einer ausführlichen Kritik unterzogen, und es ist jener Satz vom wiederkehrenden Phantom, bei dem Halm der Geduldsfaden reißt und seine Kritik in Polemik übergeht:
„Kann mirjemand sagen, wieso ein C-dur, und käme es noch so überraschend, den Ernst der Lage oder der Mahnung erhöht? Will man schon ein Gleichnis, so werfe man es nicht mit dem Sachlichen durcheinander. Ich bitte: ein Gespenst mit einer C-dur-Wendung!“3
Es handle sich um ein Beispiel von „künstlichem Konstruieren der Konflikte seitens des Interpreter der das Geschehen, nein das Schattenbild des Geschehens, auf eine Bühne wirft, die er selbst erst herstellt, wobei überdies durch das Projizieren das Bild verzerrt“ werde, es sei „eine Camera obscura, durch die das Wirkliche hier hindurchzugehen gezwungen wird!“4
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Literatur
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Thorau, C. (2000). Invasion der fremden Prädikate — Struktur und Metapher in der Musikbeschreibung (Beethoven, Klaviersonate op.31, 2). In: Polth, M., Schwab-Felisch, O., Thorau, C. (eds) Klang — Struktur — Metapher. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01901-1_10
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