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Darstellung weiblicher Delinquenz in der Gartenlaube

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Querelles: Jahrbuch für Frauenforschung 2000
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Zusammenfassung

Der Verfasser der Kriminalerzählung Das lebendig vergrabene Kind,1 Jodocus Deodatus Hubertus Temme (geb. 1788 in Lette, gest. 1881 in Zürich), war preußischer Untersuchungsrichter und galt im 19. Jhdt. als bekannter Rechtstheoretiker.2 Daneben trat er ab 1837 auch als Verfasser von literarischen Kriminalerzählungen und Chronist von Volkssagen an die Öffentlichkeit.3 Zusammen mit Eugenie Marlitt gehörte er zu den bekanntesten Autoren der von Ernst Keil 1853 gegründeten Wochenzeitschrift Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt.4 Als Familienblatt verstand sich Die Gartenlaube als eine unterhaltende und zugleich bildende Lektüre für die gesamte Familie. Dieser Anspruch spiegelt sich in dem breiten Themenkreis wider, den die Beiträge der Gartenlaube umfassen. Neben populärwissenschaftlich geschriebenen geschichtlichen, politischen und naturwissenschaftlichen Aufsätzen finden sich Gedichte, Lebensschilderungen, Erzählungen und Novellen. Ähnlich wie bei anderen Familien- und Kulturblättern des 19. Jahrhunderts5 bestand die Leserschaft der Gartenlaube aus dem gebildeten, höheren Bürgertum. An der schnell anwachsenden Auflagenhöhe (1853: 5.000; 1863: 160.000; 1875: 382.0006) zeigt sich, daß die Popularität der Gartenlaube und damit auch ihre Leserschaft sehr groß waren. Zählt man pro Familie mehrere Leser und Leserinnen und berücksichtigt die Tatsache, daß die Gartenlaube auch in Cafés, Bibliotheken und Lesehallen auslag, so kann das Lesepublikum auf mehrere Millionen geschätzt werden.7 Das auf Unterhaltung und Bildung gleichermaßen ausgerichtete Profil der Gartenlaube war dabei nur vordergründig unpolitischer Natur.

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Anmerkungen

  1. J.D.H. Temme verfaßte ab ca. 1830 Romane und Kriminalgeschichten und publizierte mehrere Sammlungen mit Volkssagen und Volksmärchen, wie z. B. die Volkssagen Ostpreußens, Litthauens und Westpreußens (1837) und die Volkssagen von Pommern und Rügen (1840). Ab 1840 schrieb Temme vorwiegend Kriminalgeschichten und Novellen sowie rechtswissenschaftliche Kompendien. Seine bekanntesten rechtstheoretischen Lehrbücher waren das Lehrbuch des preußischen Civilrechts (1846), das Lehrbuch des preußischen Strafrechts (1853) und das Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts (1876). Siehe: J.D.H. Temme: Erinnerungen. Posthum hg. von Stephan Born. Leipzig 1883;

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  2. Freund, Winfried: Demokrat, Richter, Kriminalautor. Eine Wiederbegegnung mit Jodocus Donatus (sic!) Hubertus Temme. In: Gerhard P. Knapp (Hg.): Autoren damals und heute: Literaturgeschichtliche Beispiele veränderter Wirkungshorizonte. Amsterdam 1991, S. 257–271; ADB -Allgemeine deutsche Biographie. Band 37. 1894, S. 558–560.

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  3. Die Gartenlaube war die dritte Zeitschrift, die Ernst Keil (1816 bis 1878) gründete und herausgab. Seine erste Zeitschrift, Der Leuchtturm, gründete er 1845. 1848 wurde sie ob ihres liberal-revolutionären Profils verboten und Keil mit einer Gefängnisstrafe belegt. Auch seine zweite Zeitschrift, Der illustrirte Dorfbarbier‘, wurde kurz nach ihrem Erscheinen aus politischen Gründen eingestellt. Die Idee, die zur Gründung der Gartenlaube führte, war Keil nach Aussagen von B. K. Starcher während eines erneuten Gefängnisaufenthaltes im Landgefängnis Hubertusburg gekommen. Nach dem Tode Keils 1878 wurde Die Gartenlaube von seinem Redakteur Ferdinand Stolle weitergeführt, bis sie 1884 von den Gebrüdern Körner aufgekauft wurde. 1904 übernahm der Scherl-Verlag die mittlerweile anspruchslos gewordene Zeitung und führte sie bis zur Einstellung 1944 als Unterhaltungsblatt für ›bessere Damen‹ und ›höhere Töchter‹. Siehe: Starcher, B. K.: Ernst Keil und die Anfänge der Gartenlaube. In: Seminar, Jg. 13, 1973, Nr. 13, S. 205–213.

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  4. Weitere Familienblätter waren z. B. das von Karl Göpel zwischen 1844 und 1845 herausgegebene Schwäbische Museum. Familienblatt zur Unterhaltung und Belehrung und zur Besprechung vaterländischer Interessen oder auch das Pfennig Magazin, das von 1833 bis 1855 in Leipzig erschien und mit seiner Mischung aus Wissensvermittlung und Unterhaltung einen Vorläufer der Gartenlaube darstellt. Siehe dazu auch: Radeck, Heide: Zur Geschichte von Roman und Erzählung in der Gartenlaube (1853–1914). Nürnberg 1967.

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  5. Barth, Dieter: Das Familienblatt — ein Phänomen der Unterhaltungspresse des 19. Jahrhunderts: Beispiele zur Gründungs- und Verlagsgeschichte. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, 15. Jg., 1975, Nr. 15, S. 121–316.

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  6. Rolf Engelsing gibt für 1873 mit einer Auflagenhöhe von 460.000 eine sogar noch höhere Zahl an. Siehe: Engelsing, Rolf: Die Zeitschrift in Nordwestdeutschland: 1850–1914. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, 6. Jg., 1965, Nr. 6, S. 937–1036. Im Vorwort des vollständigen Gesamtregisters von 1880 werden für den Zeitraum von 1853 bis 1880 5,57 Millionen gedruckte Exemplare angegeben. Diese Angabe entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Auflagenhöhe von 206.297. B. K. Starcher gibt in seinem Aufsatz eine Auflagenhöhe von 1866: 170.000; 1868: 250.000; 1876: 325.000 und 1878: 375.000 an. Seine Zahlenangaben stammen von Alfred Johns, dem Sohn von Eugenie Marlitt, der sie wiederum von Ernst Keil erhalten haben soll. Siehe: Starcher 1973, S. 213.

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  7. Hazel E. Rosenstrauch hat die Leserschaft für 1876 auf über fünf Millionen geschätzt. In: Rosenstrauch, Hazel E.: Zum Beispiel die Gartenlaube. In: Annamaria Rucktäschel, Hans D. Zimmermann (Hg.): Trivialliteratur. München 1976, S. 169–189; hier S. 175.

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  8. Zur literarischen Verarbeitung siehe: Becker-Cantarino, Barbara: Die Kindsmörderin als literarisches Sujet. In: Renate Möhrmann (Hg.): Verklärt, verkitscht, vergessen. Die Mutter als ästhetische Figur. Stuttgart 1996, S. 108–129.

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  9. Zu den rechtlichen Aspekten von Kindstötung siehe: Kastner, Klaus: Der Kindsmord: historische, rechtliche und literarische Aspekte. In: NJW — Neue Juristische Wochenschrift, 1991, Nr. 23, S. 1443–1451.

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  10. Die Zemaiten waren ein schmaler Landstrich östlich der preußisch-russischen Grenze, der das preußische Litauen vom russischen Litauen trennte. Als Szamaiten (russischlitauisch auch Dzimke) wurde ein dort lebender Volksstamm bezeichnet, der hauptsächlich aus verarmten Bauern und Leibeigenen bestand. Die Szamaiten gehörten einer sprachlichen und kulturellen Minderheit Litauens an und wurden häufig mit Sinti- und Roma-Stämmen in Verbindung gebracht. Sie sind in heutigen kulturtopographischen Karten nicht mehr verzeichnet. Siehe: Glogau, Otto: Littauen und die Littauer. Tilsit 1896; hier vor allem S. 35–36.

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Siebenpfeiffer, H. (2000). Darstellung weiblicher Delinquenz in der Gartenlaube . In: Bettinger, E., Ebrecht, A. (eds) Querelles: Jahrbuch für Frauenforschung 2000. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01716-1_12

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-01716-1_12

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

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