Zusammenfassung
Kleists Dramen standen unter dem Verdacht der Bühnenferne. Da sie weder mit den Konventionen der Aufklärungsbühne noch mit den Vorstellungen des Weimarer Hoftheaters einhergingen, galten sie als unaufführbar, ja anti-theatralisch.1 Ihr Verfasser selbst wies wiederholt darauf hin. Besonders prominent ist in diesem Zusammenhang sein Brief an Goethe vom 28. Januar 1808, der zugleich eine Huldigungsadresse an den Weimarer Weltautor und ein Werbungsschreiben an die Adresse des Theaterleiters darstellt. Zum einen bringt Kleist dem derart Angesprochenen einen Auszug seiner ›Penthesilea‹ als Gabe dar, und zwar, wie es in der denkwürdig-demütigen Pathosformel heißt, »auf den ›Knieen meines Herzens«‹ (DKV IV, 407); zum anderen reflektiert er die Möglichkeit einer Aufführung in Weimar. Der bezugsreichen Formel, mit der Kleist sich dem Richtspruch Goethes zu unterwerfen und seiner Kenntnis als Theaterdirektor anzuvertrauen scheint, folgt das Eingeständnis, das neue Stück sei,
übrigens eben so wenig für die Bühne geschrieben, als jenes frühere Drama: der Zerbrochne Krug, und ich kann es nur Ew. Excellenz gutem Willen zuschreiben, mich aufzumuntern, wenn dies letztere gleichwohl in Weimar gegeben wird. Unsre übrigen Bühnen sind weder vor noch hinter dem Vorhang so beschaffen, daß ich auf diese Auszeichnung rechnen dürfte (DKV IV, 407f.).
Von dem effektheischenden Lob des Hoftheaters und Bedenken angesichts der bevorstehenden Aufführung des Lustspiels einmal abgesehen, nimmt Kleist an dieser Stelle eine folgenreiche Unterscheidung vor, die das Theater als Institution grundsätzlich kennzeichnet und seine Einrichtung topographisch bestimmt.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Vgl. Heinz Kindermann, Bühne und Zuschauerraum. Ihre Zuordnung seit der griechischen Antike, Wien 1963.
Vgl. dazu Johannes E Lehmann, Der Blick durch die Wand. Zur Geschichte des Theaterzuschauers und des Visuellen bei Diderot und Lessing, Freiburg i.Br. 2000.
Gotthold Ephraim Lessing, Hamburgische Dramaturgie. In: Ders., Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 6: Werke 1767–1769, hg. von Klaus Bohnen, Frankfurt a.M. 1985, S. 181–694, hier S. 185.
Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn und Friedrich Nicolai, Briefwechsel über das Trauerspiel, hg. und kommentiert von Jochen Schulte-Sasse, München 1972, S. 85.
Vgl. dazu Dieter Borchmeyer, Saat von Göthe gesäet… Die ›Regeln für Schauspieler‹ — Ein theatergeschichtliches Gerücht. In: Wolfgang F. Bender (Hg.), Schauspielkunst im 18. Jahrhundert. Grundlagen, Praxis, Autoren, Stuttgart 1992, S. 261–287 sowie zu möglichen Auswirkungen auf die Weimarer Inszenierung von Kleists Lustspiel Klaus Schwind, ›Regeln für Schauspieler‹ — »Saat von Göthe gesäet«: aufgegangen in der Uraufführung des ›Zerbroch(e)nen Krugs‹ 1808 in Weimar? In: Erika Fischer-Lichte und Jörg Schönert (Hg.), Theater im Kulturwandel des 18. Jahrhunderts. Inszenierung und Wahrnehmung von Körper — Musik — Sprache, Göttingen 1999, S. 151–183. 24 Johann Wolfgang Goethe, Schauspielkunst. Regeln für Schauspieler. 1803. In: Ders., Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche, Bd. 18: Ästhetische Schriften 1771— 1805, hg. von Friedmar Apel, Frankfurt a.M. 1998, S. 860–882. Vgl. die Frühfassung ebd., S. 857–860 sowie die Bezeichnung als »Katechismus« ebd., S. 1315.
Ludwig Friedrich Catel, Vorschläge für eine Verbesserung der Schauspielhäuser, Berlin 1802, S. 7.
Friedrich Schiller, Ueber das gegenwärtige teutsche Theater. In: Ders., Schillers Werke. Nationalausgabe, Bd. 20: Philosophische Schriften. Erster Teil, hg. von Benno von Wiese unter Mitwirkung von Helmut Koopmann, Weimar 1962, S. 79–86, hier S. 83.
Vgl. zu Bezügen auf Schillers Frühschrift Wild, Wider die Marionettentheaterfeindlichkeit (wie Anm. 1), S. 117, 129f sowie zu Kleists Rezeption von Schiller Hartmut Reinhard, Rechtsverwirklichung und Verdachtspsychologie. Spuren der Schiller-Rezeption bei Heinrich von Kleist. In: KJb 1988/89, S. 198–218;
Helmut Koopmann, Kleist und Schiller. In: Heilbronner Kleist-Blätter 19 (2007), S. 50–71.
Vgl. das Kapitel ›Der Panoptismus‹ in Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a.M. 1976, S. 251–292.
Vgl. das Kapitel ›Panoptismus‹ in Hans-Christian von Herrmann, Das Archiv der Bühne. Eine Archäologie des Theaters und seiner Wissenschaft, München 2005, bes. S. 219–234 sowie mit Bezug auf Schiller Jörg Robert, Vor der Klassik. Die Ästhetik Schillers zwischen Karlsschule und Kant-Rezeption, Berlin und Boston 2011, S. 123–159.
Vgl. zu Träumen bei Kleist Peter-André Alt, Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte det Neuzeit, München 2002, S. 257–264; speziell zum
Bis in die Kommentare setzt sich die Verstörung fort. Vgl. Ruth Klüger, Die andere Hündin: Käthchen. In: KJb 1993, S. 103–115.
Die Theatralität der Szene arbeitet umfassend heraus Erika Fischer-Lichte, Theatralität. Zur Frage nach Kleists Theaterkonzeption. In: KJb 2001, S. 25–37.
Vgl. dazu Walter Hinderer, Prinz Friedrich von Homburg. In: Ders. (Hg.), Kleists Dramen. Interpretationen, Stuttgart 1997, S. 144–185, hier S. 156.
Die Wunschökonomie des Prinzen von Homburg ist wiederholt dargestellt worden. Vgl. etwa Berhard Greiner, Kleists Dramen und Erzählungen. Experimente zum ›Fall‹ der Kunst, Tübingen und Basel 2000, S. 256f.
Vgl. dazu bezogen auf die Rampe Günter Sasse, Das Spiel mit der Rampe. Zum Verhältnis von Bühnenwirklichkeit und Zuschauerwirklichkeit im Theater der Moderne. In: DVjs 61 (1987), S. 733–754;
Klaus Lazarowicz, Die Rampe. Bemerkungen zum Problem der theatralen Partizipation. In: Wolfgang Frühwald und Günter Niggl (Hg.), Sprache und Bekenntnis. Festschrift für Hermann Kunisch, Berlin 1971, S. 295–314;
Dieter Wellershoff, Die Überbrückung der Rampe. In: Ders., Die Auflösung des Kunstbegriffs, Frankfurt a.M. 1976, S. 11–27.
Blaise Pascal, Pensées. In: Ders., Œuvres complètes, hg. von Louis Lafuma, Paris 1963, S. 590, Nr. 678–358. Für Anregungen und Diskussion habe ich Günter Blamberger sowie Martin Roussel von Herzen zu danken; wertvolle Hinweise haben mir Katharina Schmidt und Uta Neidhardt zukommen lassen; für die Überlassung einer Ihrer Fotografien bin ich Katharina Schmidt zu Dank verpflichtet; die Liste wäre (wie immer) unvollständig ohne die Verdankung von Krystyna Greub-Frącz.
Im Werkverzeichnis der Plastik Cy Twomblys trägt das Werk den Titel ›Madame D’O‹ und auch die Inschrift ist ebenda mit ›D’O‹ transkribiert, was dem optischen Befund widerspricht. Vgl. Nicola Del Roscio (Hg), Cy Twombly. Catalogue Raisonné of Sculpture, Vol. 1, 1946–1997, München 1997, Nr. 130, S. 268. Del Roscio gibt in diesem Katalog als Standort der Plastik »collection the artist, Lexington« an; wie Nicola Del Roscio mir freundlicherweise mitteilte, befindet sich das Werk nun im Besitz von Twomblys Sohn Alessandro Twombly (E-Mail vom 4. Juni 2014).
Katharina Schmidt (Hg), Cy Twombly. Die Skulptur/The Sculpture (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel/The Menil Collection, Houston), Ostfildern-Ruit 2000, S. 124, 128. Vgl. zu Twombly allgemein jetzt
Thierry Greub (Hg.), Cy Twombly. Bild, Text, Paratext, Paderborn 2014;
Nicola Del Roscio (Hg.), Cy Twombly. Die Werkübersicht. Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Photographien, München 2014.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2014 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Fortmann, P. (2014). Das Spiel auf der Rampe und dem Prospekt. In: Blamberger, G., Breuer, I., de Bruyn, W., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2014. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01374-3_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-01374-3_6
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-02542-5
Online ISBN: 978-3-476-01374-3
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)