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Kleist, Rousseau und der Luxus

Oszillation eines Begriffs in Briefen, ›Berliner Abendblättern‹ und ›Der Findling‹

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Kleist-Jahrbuch 2013
  • 620 Accesses

Zusammenfassung

Kleists Briefwechsel stellt keineswegs ein isoliertes Phänomen in seinem Schreiben dar, was in den letzten Jahren von der Forschung mehrmals hervorgehoben wurde. Die Briefe an Wilhelmine von Zenge, die fehlenden Briefe von der Würzburger Reise und die zusammen mit Henriette Vogel verfassten Abschiedsbriefe werfen nicht nur ein bezeichnendes Licht auf das ruhelose Leben seines Verfassers, sondern lassen auch wichtige Fragen in Bezug auf verschiedene Ebenen seines Werks zutage treten. Eine Besonderheit dieser Kommunikations form sind die fiktiven Briefe in den ›Berliner Abendblättern‹, von Kleist selbst verfasste Leserbriefe, die an die Redaktion adressiert sind und von der Redaktion auch beantwortet werden.1 Beispielsweise gibt sich Kleist in der ›Zuschrift eines Predigers‹ als fiktiver Pfarrer einer kleinen Gemeinde aus, deren Mitglieder durch eine vom Staat eingeführte Lotterie dazu verleitet werden, sich an Glücksspielen zu beteiligen, statt den Pflichten eines guten Christen nachzukommen. Kleist wartet gleich im Anschluss in seiner Funktion als Herausgeber mit einer Antwort auf, in der er sich ironisch mit dem Thema Glück und Zufall auseinandersetzt und gegenüber dem Verfasser des Briefs eine kritische Haltung einnimmt. Mit ihrer Schlagfertigkeit und beißenden Ironie zeugt die ›Zuschrift eines Predigers‹ vom Kommunikationsdrang des Autors, der versucht, mit seinen Lesern in einen direkten, unzensierten Kontakt zu treten und gleichzeitig indirekt Raum für seinen individuellen Standpunkt zu schaffen.

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Anmerkungen

  1. Neben der grundlegenden Studie von Sibylle Peters (Heinrich von Kleist und der Gebrauch der Zeit. Von der MachArt der Berliner Abendblätter, Würzburg 2003) vgl. zum vielschichtigen Thema der Kommunikation in den ›Berliner Abendblättern‹ auch Elke Dubbels, Zur Dynamik von Gerüchten bei Heinrich von Kleist. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 131 (2012), S. 191–210; Dirk Grathoff, Die Zensurkonflikte der ›Berliner Abendblätter. Zur Beziehung von Journalismus und Öffentlichkeit bei Heinrich von Kleist. In: Klaus Peter u.a. (Hg), Ideologiekritische Studien zur Literatur. Essays 1, Frankfurt a.M. 1972, S. 35–168;

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Günter Blamberger Ingo Breuer Wolfgang de Bruyn Klaus Müller-Salget

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Castelli, A. (2013). Kleist, Rousseau und der Luxus. In: Blamberger, G., Breuer, I., de Bruyn, W., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2013. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01199-2_12

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