Zusammenfassung
Der Umgang mit Heine im Deutschland des Nationalsozialismus gehört zu den dunklen Kapiteln seiner Rezeptionsgeschichte. »Das Ziel der nationalsozialistischen Kulturpolitik war es, den sehr populären, in einem nicht geringen Teil des Volkes beliebten, im Ausland hochgeschätzen Dichter aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen zu löschen.«1 Besondere Aufmerksamkeit haben deswegen stets diejenigen Fälle bekommen, in denen es dennoch zu Veröf entlichungen von Heine-Texten kam. Neben manchen geradezu atemberaubenden Kuriositäten wie etwa der Tatsache, dass ausgerechnet im »Liederbuch der NS-Frauenschaften«, das mit dem »Horst Wessel-Lied« und »Unserm Führer!« eröf net wird, die vom ebenfalls verfemten Felix Mendelssohn Bartholdy komponierten Heine-Verse »Leise zieht durch mein Gemüt« stehen — allerdings ohne dass Dichter oder Komponist mit Namen genannt würden2 –, ist dabei besonders der Umgang mit Heines wohl berühmtestem Gedicht »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten« von Interesse. Dass es mit der Zuschreibung »Dichter unbekannt« in Anthologien, Lese- und Liederbüchern die NS-Zeit überlebt habe, ist eine zählebige Legende, für die trotz intensiver Forschungen3 bisher kein Beleg gefunden werden konnte. Zwar gab es nach 1933 tatsächlich anonyme Publikationen der »Loreley«, in denen nur noch der Komponist der berühmten Vertonung, Friedrich Silcher, genannt wurde, während der Name Heines fortgelassen wurde4, vermutlich trug jedoch keine von ihnen jenen berühmten, zum gef ügelten Wort gewordenen Zusatz »Dichter unbekannt«, zu dem Hartmut Steinecke bemerkte, er »[…] widerspräche auch den strategischen Hauptlinien der Literaturpolitik«5 in der Nazizeit.
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Anmerkungen
Hartmut Steinecke: Heinrich Heine im Dritten Reich und im Exil. Paderborn 2008 (Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften; Vorträge; G 416), S. 9.
Vgl. zuletzt Anja Oesterhelt: »Verfasser unbekannt«? Der Mythos der Anonymität und Heinrich Heines ›Loreley‹. — In: Anonymität und Autorschaft. Zur Literatur- und Rechtsgeschichte der Namenlosigkeit. Hrsg. von Stephan Pabst. Berlin u. a. 2011, S. 325–358,
davor Bernd Kortländer: Le poète inconnu de la ›Loreley‹. Le médiateur supprimé. — In: romatisme 101 (1998), S. 29–40, und Steinecke: Heine im Dritten Reich [Anm. 1], S. 35 f.
Heinz Schreckenberg: Der Antisemitismus der Hitlerjugendführer. — In: Grenzgänge. Menschen und Schicksale zwischen jüdischer, christlicher und deutscher Identität. Festschrift für Diethard Aschof . Hrsg. von Folker Siegert. Münster 2002, S. 270–306, hier S. 277. Ein Beleg dafür ist etwa die lobende Erwähnung des »Kilometerstein« in der Zeitschrift »Die HJ«, wonach er helfe, »schwere Märsche, schlechtes Wetter und stumpfe Stimmungen fröhlich zu überwinden.« Zit. nach der vorderen Umschlaginnenseite in Der Kilometerstein, Feldpostausgabe 1941 [Anm. 15].
Georg Spandau: Heinrich Heine im deutschen Lied. — In: Das deutsche Podium 4, Nr. 11., 13.03.1936, S. 1. Zit. nach Steinecke: Heine im Ditten Reich [Anm. 1], S. 36.
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Pielenz, A., Liedtke, C. (2013). Die Wehrmacht singt die »Loreley«. In: Brenner-Wilczek, S. (eds) Heine-Jahrbuch 2013. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01198-5_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-01198-5_9
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