Zusammenfassung
Der Erzähler des »Wintermärchens« ist ein Gourmand. Wo immer er Station macht, isst er so gerne und viel, dass es scheint, er wolle seine Lehre, es gebe hienieden genügend Schönheit und Lust für alle Menschen, mit dem eigenen Tun beglaubigen. Dieses Bild wird jedoch dadurch getrübt, dass der Genuss, und zwar vor allem der Alkoholgenuss, des Erzählers offenbar dazu dient, jene Rausch- und Traumpassagen im Text vorzubereiten, in denen seine Genussdoktrin unter starker Betonung ihrer Gefahren ausgestreut wird. So ist es in Köln, wo der Erzähler dem Rheinwein zuspricht, bevor er durch die Stadt geht und die Eindrücke empfängt, die im Traum vom Liktor wiederkehren, der das glückenterbte Volk allzu unerbittlich in seine Rechte einsetzt, und so ist es in Hamburg, wo der Erzähler abermals Rheinwein trinkt, ehe er Hammonia begegnet, aus deren ererbtem Nachtstuhl von Karl dem Großen er die Schrecknisse jener Tage herausriecht, an denen das Werk des Liktors nicht nur im Traum verrichtet werden wird. Man wird also sagen können, dass sich die Genussdoktrin in einen — wenigstens scheinbaren — Widerspruch verwickelt. Hier steht die Lehre, nach der alle Menschen genießen können sollen, dort der exzessive Genuss des Erzählers, der zu jener traumhaften Wunscherfüllung führt, in der sich die Widerhaken seiner Lehre offenbaren.
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Referenzen
Vgl. Dirk Dethlefsen: Die ›unstä te Angst‹. Der Reisende und sein Dä mon in Heines »Deutschland. Ein Wintermä hrchen«. — In: HJb 28 (1989), S. 211–221.
Vgl. Hans-Werner Hahn: Nationalismus und Parteiströmungen 1830–1847. — In: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. 10., völlig neu bearb. Aufl ., Bd. 14: Reformen, Restauration und Revolution 1806–1848/49. Bearb. v. Hans-Werner Hahn, Helmut Berding. Hrsg. v. Jürgen Kocka. Stuttgart 2010, S. 467–503.
Vgl. Herbert Clasen: Heinrich Heines Romantikkritik. Tradition — Produktion — Rezeption. Hamburg 1979, S. 233 ff.
Vgl. »Fasces«. — In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6., gänzlich neubearb. u. verm. Aufl . Leipzig, Wien: 1902 ff., Bd. 6., S. 343.
Vgl. Klaus Briegleb: Bei den Wassern Babels. Heinrich Heine, jüdischer Schriftsteller in der Moderne. München 1997, S. 20 ff.
Vgl. Tamara Eisenberg: Neither Christ nor Barbarossa. Heinrich Heine’s »Messiah in golden chains«. — In: Benjamin — Agamben. Politik, Messianismus, Kabbala. Hrsg. von Vittoria Borso, Claas Morgenroth, Karl Solibakke und Bernd Witte. Würzburg 2010, S. 219–227.
Vgl. Friedrich Battenberg: Das europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas. 2., um ein Nachwort des Autors erw. Aufl. Darmstadt 2010. Bd. 2, S. 135 f.
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Kruschwitz, H. (2013). Kämpe und Gourmand der Revolution Zur Genussdoktrin in Heines »Deutschland. Ein Wintermärchen«. In: Brenner-Wilczek, S. (eds) Heine-Jahrbuch 2013. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01198-5_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-01198-5_3
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-02497-8
Online ISBN: 978-3-476-01198-5
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)