Zusammenfassung
Offenbar braucht es vor allem der Gedenkanlässe, um das historische Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu wecken und über die Verortung unserer historischen Bedingungen samt den zugehörigen kulturellen Folgen mit ihren Höhen wie Tiefen nachzudenken. Ob der kritische Verstand es immer gut findet oder nicht: Die runden Geburts- oder Sterbedaten sind es vor allem, die eine ganze Maschinerie in Gang setzen. Welche unterschiedlichen Erinnerungen fließen 2012 nicht zu einem preußischen Strom mit Berliner Auswirkungen zusammen! Berlin wurde vor 775 Jahren gegründet. Friedrich II., der auch der Große genannt wird, erblickte am 24. Januar 1712, also vor 300 Jahren, das Licht der Welt. Vor 250 Jahren fand am 22. Juni 1762 die Hochzeit des Berliner Philosophen und Seidenfabrikanten Moses Mendelssohn mit der Hamburger Kaufmannstochter Fromet Gugenheim statt, Ausgangsdatum für eine deutschjüdische Symbiose unermesslichen Reichtums in jeglichem Sinn: nämlich von Bankiers, Künstlern und Gelehrten. Vor 200 Jahren erweckte das Emanzipationsedikt vom II. März, das allen Juden in Preußen die Gleichstellung zusprach, die größten Hoffnungen, womit wir geradewegs bei dem im kurz darauf preußisch gewordenen Düsseldorf als jüdischer Schüler das katholische Lyzeum besuchenden Heinrich Heine wären. Sein und seiner beiden Brüder höherer Schulbesuch (übrigens waren sie die einzigen Jungen aus der israelitischen Gemeinde, was für den Bildungs- und Anpassungswillen der Heines spricht) blieb vor allen Dingen ein Verdienst der Franzosenzeit.
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Anmerkungen
Golo Mann: Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1958, hier Ausgabe von 1974, S. 114. —Es sei auch auf die Preußen-Arbeiten von Hans-Joachim Schoeps (30.1.1909–8.7.1980) verwiesen, den ebenfalls emigrierten Altersgenossen und auch in manchen anderen Lebenslagen als Schicksalsgefährten zu betrachtenden Erlanger Gelehrten: Preussen. Geschichte eines Staates. Bilder und Zeugnisse. Frankfurt a.M., Berlin 1981 und: Das andere Preußen. Konservative Gestalten und Probleme im Zeitalter Friedrich Wilhelm IV. 5. neu bearb. Aufl. Berlin 1981. Vgl. auch Ders.: Ein unbekannter Agentenbericht über Heinrich Heine. — In: HJb 6 (1967). S. 67–80. wiederabeedr. in Werner/Houben II. 278 ff.
Vgl. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, hier die Ausgabe von 1994, S. 393f
Vgl. Joseph A. Kruse: Romantische Weltuntergänge — auch bei Heine und Büchner. — In: Romantik im Vormärz. Hrsg. von Burghard Dedner und Ulla Hoffstätter. Marburg 1992, S. 13–28. hier S. 21f.
Vgl. z. B. Höhn 32004, das Sachregister mit neun Bezügen. — Der Verf. selbst hat einerseits Heines »Briefe aus Berlin« revidiert hrsg. und mit einem Nachwort versehen (Frankfurt a. M. und Leipzig 1991) und andererseits »Heinrich Heine in Potsdam 1829« beschrieben (Kleist-Museum Frankfurt/Oder 2004, Frankfurter Buntbücher 38).
Vgl. z. B. auch Klaus Briegleb: Heine und Preußen. Notierungen zur <Vorrede< vom 18. Oktober 1832. — In: Ders.: Opfer Heine? Versuche über Schriftzüge der Revolution. Frankfurt a. M. 1986, S. 45–70 und Susanne Ledanff: »Berlin ist gar keine Stadt«. Der Ursprung eines Topos. Heines » Briefe aus Berlin«. — In: HJb 38 (1999), S. 1—28.
Vgl. Jan-Christoph Hauschild/Michael Werner: »Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst«. Heinrich Heine. Eine Biographie. Köln 1997, S. 77ff., Mende, IO u. 30.
Vgl. Edith Lutz: Der » Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden« und sein Mit-glied H. Heine. Stuttgart, Weimar 1997, insbes. S. 133–168. Aus Erinnerungsgründen sei das gerade stattgefundene sojährige Gedenken an die Wiederbegründung der Jüdischen Volkshoch-schule Berlin am 12. März 2012 erwähnt, die die Tradition der 1919 ins Leben gerufenen » Freien Jüdischen Volkshochschule« fortführt und somit auch im weitesten Sinn die im Kulturverein angelegten Wurzeln aufgreift.
Vgl. Britta Klar: »Es gibt eine jüdische Kultur, jetzt und hier«. Heute wird die Jüdische Volkshochschule Berlin 50 Jahre alt. Das feiert sie mit einem Festakt. — In: Berliner Morgenpost, Montag, 12. März 2012, Berlin, S. 13.
Vgl. Inge Rippmann (Hrsg.): Ludwig Börne. Das große Lesebuch. Frankfurt a. M. 2012 (Abschnitt: »wie gebannt in diesem magischen Judenkreise«. Börne, Anwalt und Kritiker der Juden, S. S7–79).
Jürgen Engler: Berlin literarisch. Berlin 2012, S. 105 u. 166–170.
Vgl. etwa Bärbel Holtz: Eine mit » Intelligenz ausgerüstete lebendig wirksame Behörde«. Preußens zentrale Zensurbehörden im Vormärz. — In: Zensur im 19. Jahrhundert. Das literarische Leben aus Sicht seiner Überwacher. Hrsg. von Bernd Kortländer und Enno Stahl. Bielefeld 2012, S. 153–176.
Vgl. Joseph A. Kruse: »...alle edeln Herzen des europäischen Vaterlandes«. Heine und Europa. — In: Ders.: Heine-Zeit. Stuttgart, Weimar 1997, S. 186—205.
Vgl. Ernst Huber (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Stuttgart 1961–66. Bd. I, S. 90ff.
Vgl. Bernd Kortländer: Heinrich Heine. Stuttgart 2003, S. 278 ff.
Peter Stein: <Prototyp einer Denk- und Schreibweise<: Heinrich Heines »Reisebilder« als Auftakt zur >Julirevolution der deutschen Literatur<. — In: Heinrich Heine. Ästhetische-politische Profile. Hrsg. von Gerhard Höhn. Frankfurt a.M. 1991, S. 60.
Vgl. z.B. Huber: Dokumente [Anm. I], Bd. I, 95f und Julius Marx: Die österreichische Zensur im Vormärz. Wien 1959, S. 75.
Julius Marx: Die amtlichen Verbotslisten. Neue Beiträge zur Geschichte der öster-reichischen Zensur im Vormärz — In: Mittelungen des österreichischen Staatsarchivs II (1958), S. 432.
Vgl. Christian Dietrich Grabbe: Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe in sechs Bänden. Emsdetten 1960–1973. Bd. V. S. 165 und Bd. I. S. 572.
Vgl. z. B. Huber: Dokumente [Anm. I], Bd. I, S. 96; Margarete Kramer: Die Zensur in Hamburg 1819–1848. Ein Beitrag zur Frage staatlicher Lenkung der Öffentlichkeit während des deutschen Vormärz. Hamburg 1975, S. 74f., und Michaela Breil: Die Augsburger »Allgemeine Zeitung« und die Pressepolitik Bayerns. Ein Verlagsunternehmen zwischen 1815 und 1848. Tübingen 1996, S. 122.
Vgl. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800—I866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1984, S. 160ff.
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Kruse, J.A. (2012). Heine, Preußen und Berlin. In: Brenner-Wilczek, S. (eds) Heine-Jahrbuch 2012. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00815-2_1
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