Zusammenfassung
Für die erste Generation der Aufklärer bildeten die Opposition zur scholastischen Pedanterie, die Verbreitung des Wissens über den engen Kreis der Gelehrtenrepublik hinaus, die Bemühungen um ein neues Publikum und die Beziehung des Wissens auf das Leben den einheitlichen Beweggrund ihrer Tätigkeit, ob sie als Universitätsprofessoren (Christian Thomasius), höfische Beamte (Gottfried Wilhelm Leibniz) oder als Lehrer und Erzieher (Christian Weise) wirkten. Nicht dem Denkinhalt, sondern der Denkart wurde die Priorität eingeräumt, und Ernst Cassirer hat dieses allgemeinste, doch prägnante Merkmal der Aufklärung mit Recht zur Grundlage seiner Darstellung gemacht. »Die Vernunft ist weit weniger ein […] Besitz, als sie eine bestimmte Form des Erwerbs ist. Sie ist nicht das Ärar, nicht die Schatzkammer des Geistes, in der die Wahrheit, gleich einer geprägten Münze, wohlverwahrt liegt; sie ist vielmehr die geistige Grund- und Urkraft, die zur Entdeckung der Wahrheit und ihrer Bestimmung und Sicherung hinführt […]. Das gesamte 18. Jahrhundert faßt die Vernunft in diesem Sinne. Es nimmt sie nicht sowohl als einen festen Gehalt von Erkenntnissen, von Prinzipien, von Wahrheiten als vielmehr als eine Energie; als eine Kraft, die nur in ihrer Ausübung und Auswirkung völlig begriffen werden kann. Was sie ist und was sie vermag, das läßt sich niemals vollständig an ihren Resultaten, sondern nur an ihrer Funktion ermessen.«[1] Zuallererst erweist sich die Funktionalität der Vernunft in der Sprache, die damit also mehr als bloß deren Medium, nämlich ihr konstitutiver Bestandteil ist.
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Anmerkungen
Ernst Cassirer: CassirePhilosophie der Aufklärung. der AufklärunTübingen 31973, S. 16.
Moses Mendelssohn: Was ist Aufklärung? In: Was ist Aufklärung: Beiträge aus der Berlinischen Monatsschrift 1783–1786. In Zusarb. m. Michael Albrecht ausgew., eingel. u. m. Anm. vers. von Norbert Hinske. Darmstadt 1973, S. 444f.
Gottfried Wilhelm Leibniz: Ermahnung an die Teutsche, ihren Verstand und Sprache besser zu üben, samt beigefügten Vorschlag einer teutschgesinnten Gesellschaft (1697). In: Politische Schriften. 2 Bde. Hg. u. eingel. v. Hans Heinz Holz. Frankfurt a.M. 1966, Bd. 1, S. 67.
Gottfried Wilhelm Leibniz: Philosophische Schriften. 3 Bde. Hg. u. übers. von Hans Heinz Holz. Darmstadt 1965, Bd. 3/2, S. 167.
Christian Thomasius: Kleine deutsche Schriften. Halle 1701, S. 48.
Christian Thomasius: Ausübung der Vernunfft-Lehre. O.O. 21699, S. 147.
Johann Christoph Gottsched: Ausführliche Redekunst, Nach Anleitung der alten Griechen und Römer […] Leipzig 1736. Nachdruck Hildesheim, New York 1973, S. 34
Daniel Peucer: Erläuterte Anfangs-Gründe der Teutschen Oratorie in kurzen Regeln und deutlichen Exempeln vor Anfängern. Dresden 41765. Nachdr. Kronberg/Ts. 1974, S. 12.
Johann Jacob Breitinger: Critische Dichtkunst Worinnen die Poetische Mahlerey in Absicht auf die Erfindung Im Grunde untersuchet und mit Beyspielen aus den berühmtesten Alten und Neuern erläutert wird. Mit einer Vorrede eingeführet von Johann Jacob Bodemer. 2 Bde. Zürich und Leipzig 1740, Bd. 1, S. 469.
Friedrich Gottlieb Klopstock: Ästhetische Schriften. In: Ausgewählte Werke. Hg. v. Karl August Schleiden. Mit e. Nachw. v. Friedrich Georg Jünger. München 1962, S. 1009.
Pseudo-Longinos: Vom Erhabenen. Griech. u. dt. Übers. v. Reinhard Brandt. Darmstadt 1966, S. 29.
Vgl. Marie-Luise Linn: A.G. Baumgartens »Aesthetica« und die antike Rhetorik. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 41 (1967), S. 424–443.
Alexander Baumgarten: Kollegium über die Ästhetik. In: Bernhard Poppe: Alexander Gottlieb Baumgarten. Borna, Leipzig 1907 (= Phil. Diss. Univ. Münster), S. 65–259. § 7, 76f.
Johann Gotthelf Lindner: Kurzer Inbegriff der Aesthetik, Redekunst und Dichtkun. Königsberg und Leipzig 1771. Nachdr. Frankfurt a.M. 1971. Th. 2, S. 5.
Johann Joachim Eschenburg: Theorie der schönen Wissenschaften und Künste. Neue, umgearb. Aufl. Berlin 1789, S. 268.
Christoph Martin Wieland: Theorie und Geschichte der Red-Kunst und Dicht-Kuns. Anno 1757. In: Gesammelte Schriften. Hg. v. der Deutschen Kommission der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Erste Abteilung, vierter Band: Prosaische Jugendwerke. Hg. v. Fritz Homeyer und Hugo Bieber. Berlin 1916, S. 307.
Vgl. dazu Reinhard Breymayer: Pietistische Rhetorik als eloquentia nov-antiqua. Mit besonderer Berücksichtigung Gottfried Polykarp Müllers (1684 bis 1747). In: Bernd Jaspert u. Rudolf Mohr (Hg.): Traditio — Krisis — Renovatio aus theologischer Sicht. Festschrift für Winfried Zeller zum 65. Geburtstag. Marburg 1976, S. 258–272.
Gottlieb Polycarp Müller: Abriß einer gründlichen Oratorie, zum Academischen Gebrauch entworffen und mit Anmerckungen versehen. Leipzig 1711, S. 26.
Friedrich Andreas Hallbauer: Anweisung zur Verbesserten Teutschen Oratorie, Nebst einer Vorrede von Den Mängeln der Schul-Oratorie. Jena 1725. Nachdr. Kronberg/Ts. 1974, S. 289f.
Johann Christoph Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkuns. Vierte, sehr vermehrte Aufl. Leipzig 1751. Nachdr. Darmstadt 1982, S. 103.
Johann Jakob Breitinger: Von dem Wunderbaren und dem Wahrscheinliche. In: Johann Christoph Gottsched und die Schweizer Joh. J. Bodmer und Joh. J. Breitinger. Hg. v. Johannes Crüger. Berlin und Stuttgart 1884. Nachdr. Darmstadt 1965, S. 163.
Vgl. Marcus Tullius Cicero: De orator. Über den Redner. Lat. u. dt. Übers. u. hg. von Harald Merklin. 2., durchges. u. bibl. erg. Aufl. Stuttgart 1981, S. 581.
Christian Thomasius: Kurtzer Entwurf der politischen Klugheit, sich selbst und andern in allen menschlichen Gesellschaften wohl zu rathen, und zu einer gescheiden Conduite zu gelange. Franckfort und Leipzig 1710. Nachdr. Frankfurt a.M. 1971, S. 10.
Johann Christoph Gottsched: Grundriß zu einer vernunfftmäßigen Redekunst. Hannover 1729, S. 4.
Adolph Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Menschen. Hg. u. mit e. Nachw. v. Gert Ueding. Frankfurt am Main 1977.
Vgl. Adam Müller: Zwölf Reden über die Beredsamkeit und deren Verfall in Deutschland. Mit e. Essay u. e. Nachw. v. Walter Jens. Frankfurt a.M. 1967, S. 75.
Jean Paul: Levana oder Erziehlehre. In: Werke. Hg. v. Norbert Miller. 5 Bde. München 1963, Bd. 5, S. 566.
Johann Heinrich Pestalozzi: Denkschrift an die Pariser Freunde über Wesen und Zweck der Methode (1802). In: Werke. Hg. u. kommentiert v. Gertrude Cepl-Kaufmann u. Manfred Windfuhr. Bd. 2: Schriften zur Menschenbildung und Gesellschaftsentwicklung. München o.J., S. 75.
Vgl. Georg Jäger: Humanismus und Realismus. Schulorganisation und Sprachunterricht 1770–1840. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 1 (1976), S. 146–159.
Heinrich Martin Gottfried Köster: Gedanken von den Schulsachen. Frankfurt a.M. 21776, S. 267.
Walter Jens: Eine deutsche Universität. 500 Jahre Tübinger Gelehrtenrepublik. Tübingen 31977, S. 102.
Johann Christoph Gottsched: Der Biedermann. Leipzig 1727–1729. Nachdr. Stuttgart 1975, S. 107f. (= 27. Blatt, 3. Nov. 1727).
Knigge: Adolph Freiherr von: Ueber Schriftsteller und Schriftstellerey. Hannover 1793, S. 9.
Michel de Montaigne: Essais. Ausw. u. Übertr. v. Herbert Lüthy. Zürich 1953, S. 724.
Christian Heinrich Schmidt: Theorie der Poesie nach den neuesten Grundsätzen und Nachricht von den besten Dichtern nach den angenommenen Urteile. Leipzig 1767. Nachdr. Frankfurt a.M. 1972, S. 31.
Moses Mendelssohn: Charakter des Sokrates. In: Gesammelte Schriften. Hg. v. F. Bamberger u. a. Stuttgart 1972, Bd. 3/1, S. 18.
Johann Jakob Engel: Der Philosoph für die Welt, Carlsruhe 1783. Th. 1, S. 117f.
Friedrich von Blankenburg: Literarische Zusätze zu Johann Georg Sulzers Allgemeiner Theorie der schönen Künst. 3 Bde. Leipzig 1796–98, Bd. 1, S. 642.
Vgl. Reinhard M.G. Nickisch: Gottsched und die deutsche Epistolographie des 18. Jahrhunderts. In: Euphorion 66 (1972), S. 365–383.
Christian Fürchtegott Gellert: Gedanken von einem guten deutschen Briefe, an den Herrn F. H. v. W. In: Belustigungen des Verstandes und des Witzes. Auf das Jahr 1742. Leipzig 1742, S. 183f.
Christian Fürchtegott Gellert: Briefe, nebst einer Abhandlung von dem Guten Geschmacke in Briefen. Leipzig 1751, S. 3.
Gottsched: Ausführliche Redekunst (1736), S. 525.
Gottsched: Ausführliche Redekunst (1736), S. 534.
Vgl. Werner Welzig: Vom Nutzen der geistlichen Rede. Beobachtungen zu den Funktionshinweisen eines literarischen Genres. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 4 (1979), S. 1–23.
Philipp Jakob Spener: Theologische Bedencken. 4 Bde. Halle 31712ff. Bd. 3, S. 751.
Zinzendorf: Nikolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhut 1735, S. 2.
Georg Ehrenfried Behrnauer: Kurtzer Entwurff wie in dem Budißinischen Gymnasio seithero Die anvertraute Jugend so wohl in Doctrina, als Disciplina, unter Göttlichem Segen angeführet worden […]. Baudißin [Bautzen] 1722, S. 12.
Vgl. Elke Haas: Rhetorik und Hochsprache. Über die Wirksamkeit der Rhetorik bei der Entstehung der deutschen Hochsprache im 17. und 18. Jahrhundert. Frankfurt a.M., Bern, Cirencester 1980.
Johann Christoph Adelung: Gesammelte Zeugnisse für die Hochdeutsche Mundart. In: Magazin für die deutsche Sprache. 2 Bde. Leipzig 1782–1784. Nachdr. Hildesheim, New York 1974, Bd. 2/1, S. 39.
Johann Christoph Adelung: Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache zur Erläuterung der Deutschen Sprachlehre für Schulen. 2 Bde. Leipzig 1782. Nachdr. Hildesheim, New York 1971, Bd. 1, Vorrede, S. LIXf.
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Ueding, G., Steinbrink, B. (2011). Rhetorik der Aufklärung — das 18. Jahrhundert in Deutschland. In: Grundriß der Rhetorik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00726-1_5
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