Zusammenfassung
Dieser Eintrag in Brümmers Dichterlexikon hat den Schriftsteller Hermann Schiff, den Stiefcousin Heinrich Heines, endgültig zur persona non grata erhoben. Er ist vergessen, verdrängt, vertrieben. Charlotte Embden schrieb ihrem Bruder Heinrich Heine am 26. März 1852, man könne Schiffs an sich unterhaltsame Besuche leider nicht dulden, da seine ungepflegte Erscheinung »schauderhaften Geruch« verbreite (HSA XXVII, 33); ebenso ist er auch aus der guten Stube der Literatur verwiesen worden. Die einzigen literarischen Rehabilitierungsversuche bis heute erfolgten im Zug der Wiederentdeckung der jüdischen »Ghettogeschichten« (von denen auch Schiff einige schrieb). Eine einzige gründliche biographische Arbeit, auf die man sich heute stützen kann, legte der Heine-Forscher Friedrich Hirth 1913 vor.2 Seine Studie rettete Schiff vor allen Originalitäten und versuchte, ihn in christliche Horizonte zu integrieren, muss aber dennoch als Basis gelten, auf die jeder Zugang zu Schiff aufbaut.
Schiff, Hermann (eigentlich David Bär Schiff), pseud. Isaak Bernays u. Heinrich Freese, ein Vetter Heinrich Heines, wurde am i. Mai 1801 von jüdischen Eltern unter ärmlichen Verhältnissen in Hamburg geboren, absolvierte seine Vorstudien auf dem dortigen Johanneum und besuchte dann die Universität Göttingen, um Philosophie zu studieren, machte dort auch 1824 sein Doktorexamen. Er beschäftigte sich in der Folge bald mit Musik, bald mit der Litteratur, siedelte alsdann nach Leipzig über, wo er mit seinem Freunde Wilh. Bernhardi (s. d.) die Monatsschrift »Der Dichterspiegel« redigierte (1826), u. ging dann nach Berlin, wo er längere Zeit für den »Gesellschafter« u. den »Freimütigen« arbeitete u. sich eine leidlich gesicherte Stellung erwarb. Um das Jahr 1835 kehrte er nach Hamburg zurück, u. hier ergriff er die verschiedenartigsten, oft abenteuerliche Erwerbszweige: so war er Schauspieler, Musiker, Fechtmeister, Ballettänzer, Dichter, Notenschreiber. Dabei befand er sich gewöhnlich in sehr dürftigen Verhältnissen, so daß sich die Behörde sogar gezwungen sah, ihn einige Zeit ins Werk- und Armenhaus aufzunehmen, aus dem ihn der Redacteur der »Reform«, Richter, befreite. Indessen zog auch dieser Freund schließlich seine Hand von ihm zurück, als er sah, daß es unmöglich sei, Sch. aus seiner Versumpfung emporzureißen. Ebenso unglücklich verheiratet und ebenso verwildert wie Grabbe, nur noch tiefer gesunken wie dieser, endete Sch. endlich am 1. April 1867 im Hamburger Armenhause.1
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Anmerkungen
Franz Brümmer: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts. Fünfte, in Nachträgen ergänzte und bedeutend vermehrte Ausgabe. Bd. 3. Leipzig o.J. [1901], S.417.
Friedrich Hirth: Hermann Schiff. — In: Lebensbilder von Honoré de Balzac. […] Aus dem Französischen übersetzt von Dr. [Hermann-David Baer] Schiff. Drei Teile in zwei Bänden. Mit einer Geschichte des Werkes und einer Biographie Schiffs hrsg. von Friedrich Hirth. Bd. 1. München, Leipzig 1913, S.LIII–CCVI.
Hermann Schiff: Heinrich Heine und der Neuisraelitismus. Briefe an Adolf Strodtmann. Hamburg, Leipzig 1866, S.105.
[Hermann Schiff]: Das Marienkind. Geschichte eines Engels. Leipzig 1842, S.53.
[Hermann Schiff]: Luftschlösser. Vom Verfasser des Schief-Levinche. Hamburg 1854, S.175.
Zit. n. Hermann Abert: W. A. Mozart. Neubearb. u. erw. Ausg. von Otto Jahns Mozart. 7. Auflage. Bd. 1. Leipzig 1955, S.683.
Karl Rosenkranz: Aesthetik des Häßlichen. Königsberg 1853, S. 3.
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Briese, O. (2011). Der arme Vetter Hermann Schiff. In: Brenner-Wilczek, S. (eds) Heine-Jahrbuch 2011. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00693-6_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00693-6_8
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