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Über einige Grausamkeiten bei Heinrich von Kleist

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Kleist-Jahrbuch 2008/09
  • 245 Accesses

Zusammenfassung

Die Campagne in Frankreich von 1792 hatte die Führung des Koalitionsheeres als eine Art Spaziergang nach Paris ausgegeben. Zwei Vorkommnisse, die der Berichterstatter Goethe gleich zu Anfang, bei der Einnahme der Festung Verdun, erzählt, zeigen hingegen »ahndungsvoll«, wie sehr man die Moral der Revolutionsarmee und damit den eigenen Aufwand unterschätzt hat. Es handelt sich um zwei befremdende, ja provozierende Akte revolutionärer Leidenschaft. In trockener Außensicht erscheinen hier jäh psychische Umwälzungen, die die Innenseite der Revolution ausmachen.

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Notizen

  1. Johann Wolfgang Goethe, Campagne in Frankreich 1792. In: Goethes Werke (Hamburger Ausgabe), textkritisch durchgesehen und kommentiert von Erich Trunz (im Folgenden nach der Sigle HA zitiert), Bd. 10, München 71981, S. 210.

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  2. Dazu Gustav Roethe, Goethes Campagne in Frankreich 1792. Eine philologische Untersuchung aus dem Weltkriege, Berlin 1919, S. 89f. und 206. Mit Zweifeln an Goethes ›heroisierender‹ Pointierung der Vorgänge und entsprechenden Korrekturen aus anderen Quellen. Nach Laukhards Bericht gab es preußische Offiziere, die den Leichnam Beaurepaires auf den Schindanger werfen wollten (vgl. Roethe, Goethes Campagne, S. 207f).

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  3. Goethe, Belagerung von Mainz, HA 10, S. 387. Mit dem seltsamen Befund: »Dieses revolutionäre Te Deum hat ohnehin etwas Trauriges, Ahndungsvolles, wenn es auch noch so mutig vorgetragen wird«.—Vgl. Hans-Werner Engels (Hg), »Die furchtbare Hymne«. Die Marseillaise in Deutschland—Lieder und Gedichte gegen den ungerechten Krieg, Saarbrücken 1989 (Revolutions-Reflexe in der deutschen Literatur; V), S. 51f. Bereits der Druck im ›Strasburgischen politischen Journal‹ von 1792 trägt den Titel ›Das Tedeum der Neu-Franken‹; Engels (Hg), »Die furchtbare Hymne«, S. 3.

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  4. Gerhard Schulz, Kleist. Eine Biographie, München 2007, S. 13ff.

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  5. An Auguste Helene von Massow, Frankfurt am Main, 13(—18.) März 1793, SW9 II, 467. Zu den Aktivitäten der preußischen Armee vgl. Curt Jany, Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914, 2., erg. Aufl., hg. von Eberhard Jany, Bd. 3, 1763 – 1807, Osnabrück 1967, S. 289ff., und neuerdings Peter Baumgart, Die preußische Armee zur Zeit Heinrich von Kleists. In: KJb 1983, S. 43–70, hier S. 58ff.

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  6. Gute Übersicht bei Gonthier-Louis Fink, Das Motiv der Rebellion in Kleists Werk im Spannungsfeld der französischen Revolution und der napoleonischen Kriege. In: KJb 1988/89, S. 64–88.

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  7. SW II, 153. Dazu Helmut J Schneider, Der Zusammensturz des Allgemeinen. In: Positionen der Literaturwissenschaft. Acht Modellanalysen am Beispiel von Kleists ›Das Erdbeben in Chili‹, hg. von David E. Wellbery München 1985, S. 110–129;

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  8. Jules Michelet, Histoire de la Révolution française, édition établie et annotée par Gérard Walter, 2 Bde., Paris 1979, hier Bd. 1, S. 402ff.: ›De la religion nouvelle.—Fédérations‹. Michelet stehen Berichte aus ganz Frankreich zur Verfügung. Wie dicht sich seine Darstellung mit der Kleists berührt (selbstverständlich ohne philologisch nutzbare Kontakte), zeigt beispielhaft folgende Stelle (S. 410f.): »Je ne crois pas qu’à aucune époque le cœur de l’homme ait été plus large, plus vaste, que les distinctions de classes, de fortunes et de partis aient été plus oubliées. Dans les villages surtout, il n’y a plus ni riche, ni pauvre, ni noble, ni roturier; les vivres sont en commun, les tables communes. Les divisions sociales, les discordes ont disparu. Les ennemis se réconcilient, les sectes opposées fraternisent, les croyants, les philosophes, les protestants, les catholiques. […] Les lieux ouverts, les campagnes, les vallées immenses où généralement se faisaient ces fêtes, semblaient ouvrir encore les coeurs. L’homme ne s’était pas seulement reconquis lui-même, il rentrait en possession de la nature. Plusieurs de ces récits témoignent des émotions que donna à ces pauvres gens leur pays vu pour la première fois … Chose étrange! Ces fleuves, ces montagnes, ces paysages grandioses, qu’ils traversaient tous les jours, en ce jour ils les découvrirent; ils ne les avaient vus jamais.« Es wäre der Mühe wert, auch Kleists gedruckte Quellen aufzusuchen.

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  9. Helmut Koopmann, Freiheitssonne und Revolutionsgewitter. Reflexe der Französischen Revolution im literarischen Deutschland zwischen 1789 und 1840, Tübingen 1989, S. 93–122 (im Folgenden: S. 119) mit dem Resultat: »Am Ende spricht vieles dafür, hinter dem ›Erdbeben in Chili‹ eine Stellungnahme Kleists zur Geschichte seiner Zeit und zu dem wichtigsten Ereignis dieser Geschichte zu sehen.«

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  10. Ilse Müllner, Gegen den Willen. Sexuelle Gewalt im Alten Testament. In: Essener Unikate. Berichte aus Forschung und Lehre. Geisteswissenschaften 21. Religion und Gewalt, Universität Duisburg-Essen 2003, S. 8–21, hier S. 15.

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  11. Abgedruckt in: Susanna Böhme-Kuby (Hg), Das Neueste aus Paris. Deutsche Presseberichte 1789–1795, München 1989, S. 240.

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  12. Euripides, Sämtliche Tragödien in zwei Bänden, nach der Übersetzung von Johann J.C. Donner bearb. von Richard Kannicht, Stuttgart 1958, Bd. 1, S. 131. Zur Einwirkung des Euripides auf Kleist: Jochen Schmidt, Heinrich von Kleist. Studien zu seiner poetischen Verfahrensweise, Tübingen 1974, S. 234–241; ders., Heinrich von Kleist. Die Dramen und Erzählungen in ihrer Epoche, Darmstadt 2003, S. 110–113.

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  13. Schillers Werke. Nationalausgabe, hg. von Benno von Wiese unter Mitwirkung von Helmut Koopmann, Weimar 1962, Bd. 2, Weimar 1983, S. 237.

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  14. »Jamais, depuis, aucun de mes champs de bataille ne me donna l’idée d’autant de cadavres que m’en présentèrent les masses de Suisses, soit que la petitesse du local en fit ressortir le nombre, soit que ce fût le résultat de la première impression que j’éprouvais en ce genre. J’ai vu des femmes bien mises se porter aux dernières indécences sur les cadavres des Suisses« (Emmanuel de Las Cases, Mémorial de Sainte-Hélène, préface de Jean Tulard, présentation et notes de Joël Schmidt, Paris 1968, S. 1016).

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  15. Zitiert nach Ernst Schulin, Die Französische Revolution, München 1988, S. 207.

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  16. Robespierre, Textes choisis, préface et commentaires par Jean Poperen, 3 Bde., Paris 1958, Bd. 3, S. 118.

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  17. Friedrich Sieburg, Robespierre. Napoleon. Chateaubriand, Stuttgart 1967, S. 98.

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  18. Edmund Burke, Betrachtungen über die französische Revolution, in der deutschen Übertragung von Friedrich Gentz, bearb. und mit einem Nachwort von Lore Iser, Einleitung von Dieter Henrich, Frankfurt a.M. 1967, S. 131f.

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  19. Saint-Just, Œuvres complètes, édition établie par Michèle Duval, Paris 1984, S. 760 (»Es liegt etwas Furchtbares in der geheiligten Liebe zum Vaterland: sie ist so ausschließlich, dass sie alles ohne Mitleid, ohne Furcht, ohne menschliche Achtung dem öffentlichen Interesse opfert.«).

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  20. Ruth Klüger, Freiheit, die ich meine: Fremdherrschaft in Kleists ›Hermannsschlacht‹ und ›Verlobung in St. Domingo‹. In: Dies., Katastrophen. Über deutsche Literatur, München 1997 (zuerst Göttingen 1994), S. 133–161. Erstdruck: Kleist’s Treatment of Imperialism. In: Monatshefte 69 (1977), S. 17–33; Wolf Kittler, Die Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poesie. Heinrich von Kleist und die Strategie der Befreiungskriege, Freiburg i.Br. 1987; Richard Samuel, Heinrich von Kleists Teilnahme an den politischen Bewegungen der Jahre 1805–1809, deutsch von Wolfgang Barthel, Frankfurt (Oder) 1995. Das englische Original, Samuels ungedruckte Dissertation, lag schon 1938 vor.

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  21. Carl Schmitt, Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin 31962, S. 15.

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  22. Peter Michelsen, »Wehe, mein Vaterland, Dir!« Heinrich von Kleist ›Die Hermannsschlacht‹. In: KJb 1987, S. 115–136, hier S. 131. Schon Friedrich Gundolf betrachtet das Stück als »die einzige deutsche Haßdichtung«, »ein Hohelied des dämonischen Hasses«, bedenkt es allerdings, aus dem Geist der Lebensphilosophie, mit schwer verständlichen Güteprädikaten: »ein besessenes Meisterwerk«, das »durch die plastische Verewigung einer der unsterblichen Lebensmächte dauern wird«; es handle sich gar um das »verhältnismäßig unverkrampfteste, unhysterischste, neben dem Guiskard-Fragment männlichste seiner bisherigen Stücke« (Friedrich Gundolf, Heinrich von Kleist, Berlin 1922, S. 117f und 126). Ohne solche Ornamente eröffnet Eichendorff diese Deutungstradition: »Aber eben hier lauert auch schon der Dämon; es ist, als hörte man ihn überall mit kaum verhaltenem Ingrimm in die Kette beißen, und das Ganze ist, bei aller Trefflichkeit, dennoch eigentlich eine großartige Poesie des Hasses« (Joseph Freiherr von Eichendorff, Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands. In: Ders., Werke und Schriften, hg. von Gerhart Baumann in Verbindung mit Siegfried Grosse, Bd. 3, Stuttgart 1979, S. 367. — Den interessanten Versuch, Hermanns Hass als einen ›dezisionistischen‹ zu verstehen und damit als modernes Moment‹ eines Feindschaftsmodells, unternimmt

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  23. Johannes F. Lehmann, Zorn, Hass, Entscheidung. Modelle der Feindschaft in den Hermannsschlachten von Klopstock und Kleist. In: Historische Anthropologie 14 (2006), S. 11–29.

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  24. Carl von Clausewitz, Vom Kriege, hg. von Werner Hahlweg, Bonn 1980 (Nachdruck 191991), S. 970f: »Österreich und Preußen versuchten es mit ihrer diplomatischen Kriegskunst; sie zeigte sich bald unzureichend. Während man nach der gewöhnlichen Art, die Sachen anzusehen, auf eine sehr geschwächte Kriegsmacht sich Hoffnung machte, zeigte sich im Jahre 1793 eine solche, von der man keine Vorstellung gehabt hatte. Der Krieg war urplötzlich wieder eine Sache des Volkes geworden. Und zwar eines Volkes von 30 Millionen, die sich alle als Staatsbürger betrachteten. […] Mit dieser Teilnahme des Volkes an dem Kriege trat statt eines Kabinetts und eines Heeres das ganze Volk mit seinem natürlichen Gewicht in die Waagschale. Nun hatten die Mittel, welche angewandt, die Anstrengungen, welche aufgeboten werden konnten, keine bestimmte Grenze mehr; die Energie, mit welcher der Krieg selbst geführt werden konnte, hatte kein Gegengewicht mehr, und folglich war die Gefahr für den Gegner die äußerste. [...] Seit Bonaparte also hat der Krieg, indem er zuerst auf der einen Seite, dann auch auf der anderen wieder Sache des ganzen Volkes wurde, eine ganz andere Natur angenommen, oder vielmehr, er hat sich seiner wahren Natur, seiner absoluten Vollkommenheit sehr genähert.«

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  25. Und nicht um ein »hochinteressantes Ehedrama«, wie Claus Peymann glaubt. Vgl. Claus Peymann und Hans Joachim Kreutzer, Streitgespräch über Kleists ›Hermannsschlacht‹. In: KJb 1984, S. 77–97, hier S. 92.

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  26. Marcus Tullius Cicero, Abhandlung über die menschlichen Pflichten in drey Büchern. Aus dem Lateinischen übersetzt von Christian Garve, 4. vollständige Ausgabe, Breslau 1792, S. 23f. (De officiis I, 11). Garves Kommentar geht nicht weiter auf die hier vorgetragenen Selbstverständlichkeiten ein. Christian Garve, Philosophische Anmerkungen und Abhandlungen zu Cicero’s Büchern von den Pflichten. Anmerkungen zu dem Ersten Buche, Breslau, Leipzig 61819, S. 86ff. Sehr anstößig und unbequem müsste Hermann auch vorkommen, was Garve an anderer Stelle über die »Liebe gegen Feinde« zu sagen hat. Sie beruhe auf »Hochachtung gegen die Natur des Menschen« und auf »Mitleiden mit den allen Menschen gemeinen Schwachheiten und Schmerzen«, also auf Einsicht in »die Gleichheit der Natur und die Gleichheit der Noth«. »Wessen Verstand erleuchtet genug ist, die erste einzusehen; wessen Herz empfindlich genug ist, die andre zu fühlen: der ist vor einem dauerhaften und bittern Hasse, auch gegen diejenigen gesichert, welche ihn am tiefsten verwundet.« Kein Lehrer der Tugend habe deshalb jemals Haß vorgeschrieben (ebd., S. 196 und 201).—Zur Bedeutung des (Neu-)Stoizismus für die preußische Staatsethik, mit Blick besonders auf den ›Prinzen von Homburg‹: J. Schmidt, Heinrich von Kleist (wie Anm. 24), S. 161–170, dort S. 167, Anm. 164 und S. 169, Anm. 166 auch Bezüge auf Ciceros ›De officiis‹. Umso merkwürdiger, daß Hermann das »Werk« eines Hauptgewährsmanns dieser Ethik ausdrücklich denunziert.—Ohne Kenntnis von Garves Übersetzung und Kommentar behandelt neuerdings eine ganze Dissertation die Beziehung von Kleists ›Hermannsschlacht‹ zu Cicero, mit der fragwürdigen These, Kleist habe seinem Hermann Ciceros Theorie des ›bel lum iustum‹ eingepflanzt. Pierre Kadi Sossou, Römisch-Germanische Doppelgängerschaft. Eine ›palimpsestuöse‹ Lektüre von Kleists ›Hermannsschlacht‹, Frankfurt a.M. u.a. 2003.

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  27. Vgl. beispielsweise, mit Forschungsübersicht, Hans Peter Herrmann, Die Verlobung in St. Domingo. In: Kleists Erzählungen, hg. von Walter Hinderer, Stuttgart 1998, S. 111–140, bes. S. 126ff.

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Günter Blamberger Ingo Breuer Sabine Doering Klaus Müller-Salget

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Schings, HJ. (2009). Über einige Grausamkeiten bei Heinrich von Kleist. In: Blamberger, G., Breuer, I., Doering, S., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2008/09. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00361-4_11

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