Zusammenfassung
Ein Schauspieler hatte während der Proben für ein neues Stück plötzlich größte Schwierigkeiten folgender Natur: Er fühlte sich an mehreren Stellen des Textes wie von einem höheren Zwang bedroht, sein Spiel schlagartig erschrocken abzubrechen. Befragt, worin denn dieser Zwang ungefähr bestünde, antwortete er, er habe plötzlich ganz deutlich die Gewissheit, während er oben auf der Bühne spiele, sitze er auch gleichzeitig plötzlich im Zuschauerraum an einem bestimmten (immer dem gleichen) Sitzplatz unten und schaue sich von unten hinauf sehr missbilligend sich von unten im Zuschauerraum sitzend von jenem Platz aus immer wieder zu und zeige sich herauf eine lange Nase oder mache andere sich von unten hinauf ihn verhöhnende Faxen, und das tue ihm sehr weh, verursache ihm oben auf der Bühne durchaus auch eher immer unerträglichere Schmerzen, es wäre immer mehr zum Weinen und zum Heulen, er sei wütend, wolle sich hineinschmeißen. Dort, wo er in der Bestuhlung unten zu sitzen behauptete, während er oben spielte, saß aber keiner. Das untersuchte man ganz genau und mit allem Verständnis.
Die Danksagung des Kleist-Preisträgers Gert Jonke war eine fulminante Demonstration der allmähligen Verfertigung der Gedanken beim Reden aus dem Geiste Kleist’scher Anekdoten. In »fünf kurzen Blitzlichtabbildungen aus unseren Tagen« versuchte er, »Herrn Kleist persönlich einen schönen Gruß zu schicken«. Die Miniaturen schienen zum Teil aus dem Stegreif gedichtet zu sein, zwei davon konnten für das Kleist-Jahrbuch fixiert werden. Sie wurden am 22. November 2005 in ›Der Standard‹ vorveröffentlicht (Anm. d. Redaktion).
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Jonke, G. (2006). »Blitz Triff Mich«. In: Blamberger, G., Breuer, I., Doering, S., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2006. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00204-4_3
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