Zusammenfassung
Anders als bei Karl Kraus, der — zumal in den beiden Aufsätzen »Heine und die Folgen« und »Die Feinde Goethe und Heine« — seine ablehnende Haltung medial wirkungsvoll inszenierte1, endet die sukzessive Abkehr Richard Schaukals von seinem ehemaligen Vorbild Heine nicht in einer wortgewaltigen Abrechnung mit dem prototypischen ›Literaturjuden‹, wie er sie anderen Proponenten jüdischer Literatur wie Zweig, Schnitzler oder Beer-Hofmann in drastischer Weise angedeihen ließ. Es ist vielmehr ein langsames Verschwinden Heines, das jedoch in Schaukals Schaffen umso mehr Beachtung verdient, als dieser sich gerade in der Zeit nach dem Zusammenbruch der Monarchie zum vehementen Kämpfer gegen einen jüdisch-materialistischen Intellektualismus‹ aufschwingt, zu dessen Ahnvätern völkischnationale Agitatorik seit Jahrzehnten Heinrich Heine zählte. Die vergleichsweise ›dezente‹ Abfertigung des Problems Heine bedeutet freilich nicht, dass Schaukals Idiosynkrasie geringer gewesen wäre als etwa jene des »Fackel«-Herausgebers. Doch war Heine zu sehr mit Schaukals eigenen literarischen Anfängen verbunden, als dass eine allzu exponierte Attacke seinen so gerne für sich beanspruchten Status als arbiter elegantiae für ›deutsches Wesen und deutsche Kultur‹ nicht zumindest ins Zwielicht gerückt und Angriffsfläche geboten hätte für seine ohnedies zahlreichen Gegner.
Man hatte die Masern, man hatte Heine, und man wird heiß in der Erinnerung an jedes Fieber der Jugend.
(Karl Kraus: Heine und die Folgen)
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Anmerkungen
Vgl. Dietmar Goltschnigg: Die Fackel ins wunde Herz. Kraus über Heine. Eine »Erledigung«? Texte, Analysen, Kommentar. Wien 2000.
R. v. S.: Karl Kraus. Versuch eines geistigen Bildnisses. Wien, Leipzig 1933. (= Kleine historische Monographien. 39.)
Vgl. Franz Zeder: ›Erlebtheit‹ versus ›Mache‹. Die Richard Schaukal — Thomas Mann-Kontroverse im Spannungsfeld zwischen ›Dichter‹ und ›Literat‹. — In: Eros Thanatos. Jahrbuch der Richard-von-Schaukal-Gesellschaft 1999/2000, S. 51–70, hier S. 55 f.
Richard Schaukal: Literatur. Drei Gespräche. München, Leipzig 1907, S. 36.
Richard Schaukal: Richard Dehmels Lyrik. Versuch einer rückblickenden Charakterisierung. — In: Österreichische Rundschau XI (April/Juni 1907), S. 86–103, hier S. 90. Im Jahr darauf wurde dieser Aufsatz mit einigen Abänderungen in Hermann Graefs Reihe »Beiträge zur Literaturgeschichte« als Heft 50 noch einmal gedruckt; zu den ›Großen‹ zählen in dieser Fassung nur mehr Goethe, Hölderlin und Mörike (vgl. R. S.: Richard Dehmels Lyrik. Versuch einer Darstellung der Grundzüge. Leipzig 1908, S. 17).
Vgl. Richard Dehmel: Gesammelte Werke. Bd. II: Aber die Liebe. 2 Folgen Gedichte. Berlin 1906, S. 175–181.
Vgl. Richard Dehmel: Gesammelte Werke. Bd. I: Erlösungen. Gedichte und Sprüche. Berlin 1906, S. 4.
Vgl. dazu Gertrud Maria Rösch: ›Kein Denkmal wird ihm gesetzt‹. Der Streit um Heinrich Heine zwischen 1900 und 1905. — In: Imprimatur N. F. 16 (2001), S. 76–93.
Ludwig Uhland. — In: R. S.: Erlebte Gedanken. Neuer Zettelkasten. München 1918, S. 143–155, hier S. 146f.
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Neuhuber, C. (2006). »… eine nicht unbedeutende Wandlung« Kulturkonservative Heine-Rezeption am Beispiel Richard von Schaukals. In: Kruse, J.A. (eds) Heine-Jahrbuch 2006. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00202-0_8
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