Zusammenfassung
Unter den Maßgaben für die Retuschen, denen Beethovens Sinfonien unterzogen worden sind — u. a. von Wagner, Mahler, Weingartner, Markevitch — ,steht »Deutlichkeit« obenan, in erster Linie im Dienste der Absicht, mit Hilfe neu erworbener instrumentaler Möglichkeiten nunmehr zur Hörbarkeit zu bringen, was zu Beethovens Zeiten nicht realisierbar war. In Zweifeln, Unsicherheiten der Bewertung, auch partiellen Zurücknahmen früherer Lösungen etwa durch Weingartner freilich zeigt sich, daß zwischen den aus der Textur ersichtlichen Intentionen und ihrer instrumentalen Darstellung eine Grauzone liegt, innerhalb derer gewiß etliche Wegweiser aufzufi nden sind — dort z.B., wo Beethoven instrumentale Beschränkungen kompositorisch refl ektierte,1 oder auch, wo Toleranzen sichtbar werden — bei zeitgenössischen, in alten Orchester-Materialen dokumentierten Bläser-Verdoppelungen in der Vierten Sinfonie oder bei der in der Londoner Abschrift der Neunten Sinfonie erscheinenden zusätzlichen Kontrafagott-Stimme. »Diese Deutlichkeit«, schreibt Wagner in seinen Erläuterungen Zum Vortrag der IX. Symphonie,2 »beruht nun meines Erachtens auf nichts anderem als dem drastischen Heraustreten der Melodie« — und fegt mit dieser Vereinfachung weitgehend die Frage beiseite, die sich mit der Maßgabe »Deutlichkeit« zuallererst verbinden müßte: Was muß verdeutlicht werden? — gewiß nicht allein die Melodie, und wenn schon, dann: welche? Wagner steht in der gewalttätigen Selbstsicherheit, mit der er klassischen Partituren zu sich selbst verhelfen will, nicht allein.
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Notizen
Hierzu P. Gülke, Zum Verhältnis von Intention und Realisierung bei Beethoven, in: Bericht über den Internationalen Beethoven-Kongreß 10.–12. Dezember 1970 in Berlin, Berlin 1971, S. 517 ff., im vorliegenden Band S. 54–72.
A. Schönberg, Briefe, hrsg. von E. Stein, Mainz 1958, S. 223.
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Gülke, P. (2006). Virtuelles Komponieren und »Deutlichkeit« im Orchestersatz der Neunten Symphonie. In: Auftakte — Nachspiele. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00165-8_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00165-8_9
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-00165-8
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