Zusammenfassung
Von einer »heute … größeren Partnerschaft zwischen Dirigent und Orchester« hat Christoph von Dohnányi unlängst gesprochen und »vom Ende eines total patriarchalischen Systems«, und das derzeit meistdiskutierte Buch über Dirigenten, Norman Lebrechts The Maestro Myth, verkündet unverblümt das Ende des Zeitalters der Dirigenten. Das mag man widersinnig finden, schon weil es heute mehr Konzerte und Dirigenten gibt als je vordem, und der Betrieb, temporäre Störungen nicht gerechnet, auf vollen Touren läuft, Dirigenten also gebraucht werden. Selbst aber eine nachgewiesenermaßen falsche Folgerung muß nicht die Beweggründe desavouieren, die sie fundieren; nicht selten haben sich besonders fragwürdige Hypothesen auf besonders interessante Argumente gestützt. Auch im vorliegenden Falle sollten wir sie ernst nehmen, gerade, wenn wir uns eine Welt nicht vorstellen wollen und können, in der kein Auditorium mehr einer Sinfonie lauscht, in der keiner mehr bereit wäre, sich dem auszusetzen, was an vertrauter großer Musik »reale Gegenwart«, irritierendes Rätsel ist, was uns mit ihr nicht zurechtkommen läßt. Zweifellos engen sich Spielräume und Kompetenzen des Vermittlers um so mehr ein, desto weiter die »zweite Welle« der Historisierung in der Aufhäufung von Einspielungen getrieben, desto mehr die Musik um die ihr gehörige Vergänglichkeit betrogen wird, welche immerfort nach sich zieht, daß sie klingend erneuert werden muß. Andererseits vergrößert eben dies die Chancen des Musizierens, auch des Dirigenten, in der Einmaligkeit des jeweiligen Abends jenen scheinbaren »Betrug« zu überführen, zu zeigen, inwiefern und worin das Phänomen Musik nicht angetastet werden kann.
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Gülke, P. (2006). Wandlungen des Dirigentenbildes. In: Auftakte — Nachspiele. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00165-8_22
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00165-8_22
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-02122-9
Online ISBN: 978-3-476-00165-8
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