Zusammenfassung
Soll am Beginn von Mozarts Don Giovanni-Ouvertüre das d der Fagotte, Bratschen, Celli und Bässe im zweiten Takt und das cis im vierten als halbe Note ausgehalten oder den Vierteln der übrigen Stimmen angeglichen werden? Da man sich schwerlich auf die billige Erklärung zurückziehen kann, Mozart sei unachtsam gewesen, war die Frage wohl geeignet, Glaubenskriege zu entfesseln. Deren Fronten verlaufen aber nicht — oder nicht mehr — zwischen pedantisch auf den Buchstaben des Gesetzes pochenden Editoren und Freiheit reklamierenden Musikern. Wissenschaftliche Editionsarbeit und musikalische Praxis stehen in einem freundlicheren, kommunikativeren Verhältnis zueinander, als die herkömmliche Unterscheidung wissenschaftlicher und praktischer Ausgaben zuzulassen scheint. Weil wir genauer wissen, wo sich Zuständigkeiten überkreuzen, hat die simple Unterscheidung von Textstand und der Art und Weise, wie dieser zu lesen und umzusetzen sei, weitgehend ausgedient. Das bringt für das musikalische Verständnis vielerlei Gewinn und für die Beteiligten neue Anforderungen mit sich; der Musizierende kann sich nicht mehr geradlinig auf das verlassen, was geschrieben steht, der Herausgeber muß hinsichtlich der implizierten Spielräume Hilfestellung geben und damit auf den Eindruck eines eindeutigen, weiteren Zweifeln enthobenen Resultates verzichten.
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Notizen
Der Notentext der Beispiele ist wiedergegeben nach: Wolfgang Amadeus Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Serie IV: Orchesterwerke, Bd. II/8 und II/9, hrsg. von Fr. Schnapp und L. Somfai bzw. von H. C. R. Landon, Kassel etc. 1971 bzw. 1957.
Mit teilweise anderen Gesichtspunkten und Resultaten gehen in die gleiche Richtung zwei ausgezeichnete Studien von James Webster: The Signifi cance of Haydn’s Quartet Autographs for Performance Practice. In: The String Quartets of Haydn, Mozart and Beethoven. Studies of the Autograph Manuscripts, hrsg. von Christoph Wolff und Robert Riggs. Cambridge/Mass. 1980, S. 62–95
The Triumph of Variability: Haydn’s Articulation Markings in the Autograph of Sonata Nr. 49 in E Flat. In: Haydn, Mozart & Beethoven: Studies in the Music of the Classical Period. Essays in Honour of Alan Tyson, hrsg. von Sieghard Brandenburg. Oxford 1998, S. 33–64.
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Gülke, P. (2006). Wissenschaftliche Edition und musikalische Praxis. In: Auftakte — Nachspiele. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00165-8_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00165-8_1
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-02122-9
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