Zusammenfassung
Wer heute den Aachener Dom besucht, findet an der Südwand der Domvorhalle die etwa 85 cm hohe Bronzeplastik einer Bärin aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Bemerkenswert ist ihre Morphologie:
Das Aachener Tier vereint Elemente des Bären wie des Wolfs. Für den Wolf sprechen die Ohren und die »Milchleiste« sowie die Anordnung der Zitzen […]. Für den Bären sprechen der fehlende Schwanz, der haarige »Kragen«, der beim Aachener Tier stark ausgeprägt ist, und das Gebiß […]. Fazit: Ein Bär […] mit leichten zoologischen Ungenauigkeiten.1
Entgegen ihrer morphologischen Erscheinung ist die Aachener Bärin bis in die jüngste Zeit fast immer als Wölfin gesehen worden. Das hat historische Gründe. Es gilt heute als sicher, »daß bereits Karl der Große die Skulptur aus Rom nach Aachen zum Schmuck seiner Kaiserpfalz mitgebracht« hat. In seiner Darstellung ›Die antike Bärin im Dom zu Aachen‹ schreibt Ernst Künzl dazu:
Im Jahre 799 empfing Karl der Große […] in […] Paderborn den aus Rom geflohenen Papst Leo III. […] Ein Jahr später krönte Papst Leo III. in Rom Karl zum römischen Kaiser. Die renovatio imperii war gelungen.
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Anmerkungen
Ernst Künzl, Die antike Bärin im Dom zu Aachen, Mainz 2003 (Sonderdruck aus dem Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 49, 2002), S. 16.
Zur Definition der Metapher über ihren Kontext vgl. Harald Weinrich, Semantik der kühnen Metapher. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 37 (1963), S. 325–344, wiederabgedruckt in: Theorie der Metapher, hg. von Anselm Haverkamp, Darmstadt 1983, S. 316–329: »Eine Metapher, und das ist im Grunde die einzig mögliche Metapherndefinition, ist ein Wort in einem Kontext, durch den es so determiniert wird, daß es etwas anderes meint, als es bedeutet. Vom Kontext hängt wesentlich ab, ob eine Metapher sich selber deutet oder rätselhaft bleibt. Eine starke Kontextdetermination zwingt auch das fremdeste Wort in den gemeinten Sinnzusammenhang« (S. 340). Vgl. außerdem: Ders., Artikel »Metapher«. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Bd. 5, Basel und Stuttgart 1980, Sp. 1179–1186.
Vgl. Heinrich Lausberg, Die Elemente der literarischen Rhetorik. Eine Einführung für Studierende der klassischen, romanischen, englischen und deutschen Philologie, 10. Aufl., Ismaning 1990, S. 78 (§§ 228–231).
Zu Figuren der translatio imperii im deutschsprachigen Drama vgl. Rüdiger Campe, Continuing Forms: Allegory and translatio imperii in Caspar von Lohenstein and Johann Wolfgang von Goethe. In: The Germanic Review 77,2 (Spring 2002), S. 128–145.
Zur Entstehungsgeschichte Richard Samuel, Eine unbekannte Fassung von Heinrich von Kleists Hermannsschlacht. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 1 (1957), S. 179–210, besonders S. 204–210; außerdem: Ders., Kleistes »Hermannsschlacht« und der Freiherr vom Stein. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 5 (1961), S. 64–101, besonders S. 91–93;
Lawrence Ryan, Die Hermannsschlacht. In: Kleists Dramen. Neue Interpretationen, hg. von Walter Hinderer, Stuttgart 1981, S. 188–212.
Das Drama ist in Blankversen verfaßt, über die Wolfgang Kayser schreibt: »Als der eigentliche Vers des deutschen Dramas aber steht seit Lessings ›Nathan der Weise‹ der ungereimte, fünfhebige Jambus da, der BLANKVERS. Er dankt diese Vorzugstellung, die er auch heute noch einnimmt, seiner reichen Modulationsfähigkeit. Die Dichter haben seine Schmiegsamkeit oft gerühmt; es hat aber auch nicht an Stimmen gefehlt, die den ›barbari-schen und armseligen Vers, der hoffentlich bald aus der Sprache verschwinden wird‹ (Platen), tadelten, weil er nicht feierlich genug sei. Von Schiller gibt es herbe Äußerungen über den ›lahmen Fünffüßler‹, und selbst Goethe sprach einmal davon, daß er ›die Poesie zur Prosa herunterzog‹.« Wolfgang Kayser, Kleine deutsche Versschule [1946], 26. Aufl., Tübingen und Basel 1999, S. 29.
Vgl. hierzu auch Bernhard Greiner, Kleists Dramen und Erzählungen, Tübingen und Basel 2000, S. 104–106. Zum Verhältnis von Kleists Drama und anderen Dramen dieses Sujets Gesa von Essen, Hermannsschlachten. Germanen- und Römerbilder in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, Göttingen 1998.
Sabine Doering, Heinrich von Kleist, Stuttgart 1996, verzichtet gar im Kapitel ›Dra-meninterpretationen‹ auf ›Die Hermannsschlacht‹.
Georg Lukács, Deutsche Realisten des 19. Jahrhunderts, Bern 1951, S. 23.
Zu einer Interpretation der ›Hermannsschlacht‹ als Partisanenstück im Sinne von Carl Schmitt, Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin 1963,
vgl. Wolf Kittler, Die Geburt des Partisanen aus dem Geist der Poesie, Freiburg 1987.
Klaus Müller-Salget, Heinrich von Kleist, Stuttgart 2002, S. 257.
Jörg Drews, Die Hermannsschlacht. In: Kindlers Neues Literaturlexikon, hg. von Walter Jens, München 1988, Bd. 9, S. 473f., hier S. 474.
Thomas Mann, Brief vom 19.01.1949 an Hans M. Wolff. In: Neophilologus 44 (1960), S. 121–122.
Hermann Reske, Traum und Wirklichkeit im Werk Heinrich von Kleists, Stuttgart u.a. 1969, S. 75.
Theodor Fontane, Heinrich von Kleist. Die Hermannsschlacht [Aufführung vom 19. Januar 1875]. In: Ders., Sämtliche Werke, Bd. XXII/1 (Causerien über Theater, Teil 1), München 1964, S. 391–396, S. 396.
Walther Linden, Heinrich von Kleist. Der Dichter der völkischen Gemeinschaft, Leipzig 1935, S. 63.
Hans Joachim Kreutzer, »… der erste nationalsozialistische Dichter der Vergangenheit …« Georg Minde-Pouets Krisenbericht von 1936. In: KJb 1992, S. 187–192, S. 190. Kreutzer schreibt, es sei nicht Minde-Pouet gewesen, der diese Formulierung geprägt habe, sondern »Partei und Regierung« (S. 191).
Hans Dieter Zimmermann, Kleist, die Liebe und der Tod, Frankfurt a.M. 1989, S. 298 und S. 297.
Norbert Miller, Verstörende Bilder in Kleists ›Hermannsschlacht‹. In: KJb 1984, S. 98–105, S. 98.
Vgl. etwa Raimar Zons, Von der »Not der Welt« zur absoluten Feindschaft. Kleist ›Hermannsschlacht‹, in: Deutsche Vierteljahrsschrift 109 (1990), S. 175–199;
Wolfgang Wittkowski, Terror der Politik oder Politik des Terrors? Kleists ›Hermannsschlacht‹ und ›Verlobung in St. Domingo‹. In: Beiträge zur Kleistforschung 1994, S. 93–108.
Greiner, Dramen und Erzählungen (wie Anm. 11), S. 106. In diesem Sinne auch Ruth Klüger, Freiheit, die ich meine: Fremdherrschaft in Kleists ›Hermannsschlacht‹ und ›Verlo-bung in St. Domingo‹. In: Dies., Katastrophen. Über deutsche Literatur, Göttingen 1994, S. 133–162.
Einen Überblick über die ›Hermannsschlacht‹-Rezeption gibt Peter Hanenberg, Ein Entwurf der Weltbewältigung: Kleists Hermannsschlacht. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 39 (1995), S. 250–266, S. 250–252. Bernd Fischer etwa schreibt, »Kleists Bearbeitung des Stoffes« rücke »Tendenzen der antikolonialen Identitätspolitik […] ins Blickfeld«: »Kleist gelingt es oder unterläuft es in seinem Versuch eines Propagandastückes, das (die Möglichkeiten des modernen Lehrstücks ansatzweise vorwegnehmend) die Grenzen dieses Genres auf radikale Weise sprengt und statt oder neben der Propaganda zu deren Analyse übergeht, die identitätspolitischen Implikationen des ›antikolonialen‹ Befreiungsdiskurses am Beispiel des zentralen deutschen Mythos eines antikolonialen Krieges auf der Bühne für eine polyvalente und perspektivenreiche Rezeption zu arrangieren.« »Kleists Hermann nimmt den antikolonialen Diskurs von Exploitation und Genozid vorweg […].« Bernd Fischer, Fremdbestimmung und Identitätspolitik in ›Die Hermannsschlacht‹. In: Kleists Erzählungen und Dramen. Neue Studien, hg. von Paul Michael Lützeler und David Pan, Würzburg 2001, S. 165–178, S. 166f., 174. Vgl. zur ›Hermannsschlacht‹ als Auseinandersetzung mit dem Imperialismus Ruth K. Angress, Kleist’s Treatment of Imperialism. ›Die Hermannsschlacht‹ and ›Die Verlobung von St. Domingo‹. In: Monatshefte 69 (1977), S. 17–33.
Jan Plug, The Borders of a Lip: Kleist, Language, and Politics. In: Studies in romanticism 36 (1997), H. 3, S. 391–425;
Roland Reuß, »Hart zwischen Nichts und Nichts!« Die sprechende Sprachlosigkeit von Kleists ›Die Herrmannsschlacht‹. In: Brandenburger Kleist-Blätter 14 (2001), S. 3–13.
»Formel […]. Entlehnt aus l. fōrmula […]. Das Wort ist ein Diminutivum zu l. fōrma ›Gestalt, Form, Figur, Umriß‹.« Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin und New York 231999, S. 279. »fōrmō […]. E[tymologie]: v. *formus ›glü-hend‹ […], also eigtl. ›in Erz gießen‹.« »fornāx […] Ofen […] E[tymologie]: fornus, furnus ›Ofen‹, *formus = θϵρός« Josef M. Stowasser u.a., Der kleine Stowasser. Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, München 1979, S. 190.
Dieses Wortspiel mit der, um einen Pleonasmus in Kauf zu nehmen, Wendung der ›Tropen‹ ist schon ein Topos, der sich zum Beispiel bei Heine oder Nietzsche findet. Vgl. hierzu Wolfram Groddeck, Reden über Rhetorik. Zu einer Stilistik des Lesens, Basel, Frankfurt a.M. 1995, S. 205f.
Kurt May, Kleists ›Hermannsschlacht‹. Eine Strukturanalyse. In: Ders., Form und Bedeutung. Interpretationen deutscher Dichtung des 18. und 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1957, S. 254–262, S. 255.
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, reprographischer Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1770, Darmstadt 1996.
Vgl. zum Verhältnis von Römern und Germanen: Gesa von Essen, Römer und Germanen im Spiel der Masken, in: KJb 1999, S. 41–52.
Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit, Dritter Teil, 10. Buch. In: Ders., Werke, Hamburger Ausgabe in 14 Bänden, hg. von Erich Trunz, München 1981, Bd. 9, S. 407.
Richard H. Samuel, Goethe — Napoleon — Heinrich von Kleist (1939). In: Ders., Selected Writings, Melbourne 1965, S. 60–83, S. 66.
Paul Michael Lützeler und David Pan, Vorwort. In: Kleists Erzählungen und Dramen. Neue Studien, hg. von P. M. Lützeler und D. Pan, Würzburg 2001, S. 7–9, S. 7.
Auch Jan Plug sieht in der »Lippe« ein Körperteil, ohne allerdings die im engen Sinne geschlechtliche Bedeutung zu unterstreichen: »[T]he Lippe and the lip are the real site(s) of Hermann’s Schlacht«. Jan Plug, The Borders of a Lip: Kleist, Language, and Politics. In: Studies in romanticism 36 (1997), H. 3, S. 391–425, S. 411.
Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl., Berlin und New York 1999, S. 802.
Zu einem queer reading der Konfiguration Behrens — Castorp — Ziemßen vgl. Astrid Lange-Kirchheim, Zergliederte Jünglinge und Missgeburten. Zum ›gender trouble‹ in Thomas Manns Roman Der Zauberberg. In: Jugend: Psychologie — Literatur — Geschichte. Festschrift für Carl Pietzcker, hg. von Klaus-Michael Bogdal, Ortrud Gutjahr und Joachim Pfeiffer, Würzburg 2001, S. 231–257.
Christine Künzel, Gewaltsame Transformationen. Der versehrte weibliche Körper als Text und Zeichen in Kleists ›Hermannsschlacht‹. In: KJb 2003, S. 165–183, S. 165 und S. 176f. Vgl. auch: Dies., Vergewaltigungslektüren. Zur Codierung von sexueller Gewalt in Literatur und Recht, Frankfurt a.M. 2003.
»Wenn Sie sich vielleicht darüber verwundert haben, wie häufig Landschaften im Traum zur Darstellung des weiblichen Genitales verwendet werden, so lassen Sie sich von der Mythologie belehren, welche Rolle Mutter Erde in den Vorstellungen und Kulturen der alten Zeit gespielt hat […].« Sigmund Freud, Die Symbolik im Traum (1916 [1915–16]). In: Ders., Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Und neue Folge, hg. von Alexander Mitscherlich, Angela Richards und James Strachey, Frankfurt a.M. 1969 (Studienausgabe; Bd. I), S. 159–177, S. 170.
Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 8. Band, Leipzig 1893, Sp. 2011.
Vgl. hierzu Barbary H. Kennedy, For the Good of the Nation: Woman’s Body as Battlefield in Kleist’s ›Die Hermannsschlacht‹. In: Seminar 30 (1994), H. 1, S. 17–31, besonders S. 23–27.
Richard Blase, Die Jägerprüfung. Das Lehr-, Lern- und Nachschlagewerk für Ausbildung und Praxis, 27. Aufl. (500.–520. Tausend), Wiebelsheim 2001, S. 578.
Vgl. hierzu Regina Schäfer, Der Gefälschte Brief. Eine unkonventionelle Hypothese zu Kleists ›Hermannsschlacht‹, in: KJb 1993, S. 181–189.
»Die Szene der Zerfleischung des Ventidius […] steht […] nicht nur kompositionell im Drama an der Stelle, wo im Ablauf der Ereignisse die eigentliche Schlacht hätte dargestellt werden müssen […], sondern sie repräsentiert diese Schlacht.« Peter Michelsen, »Wehe, mein Vaterland, dir!« Heinrich von Kleists ›Die Hermannsschlacht‹. In: KJb 1987, S. 115–136, hier S. 133.
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Börnchen, S. (2005). Translatio Imperii. In: Blamberger, G., Breuer, I., Doering, S., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2005. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00148-1_17
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