Zusammenfassung
Bietet schon die Geschichte der Rhetorik im 19. Jahrhundert ein höchst unübersichtliches Bild, weil die Konturen des Faches zu verschwimmen beginnen, so verstärkt sich dieser Eindruck im 20. Jahrhundert erheblich. Rhetorik ist zwar allgegenwärtig, in politischer Rede (man denke an das Dritte Reich) und Propaganda, in der Werbung und den neuen Medien Rundfunk und Fernsehen, doch als Wissenschaft scheint sie verschollen. In den Sprachwissenschaften dominieren historische oder strukturalistische Methoden, die Literaturwissenschaft (mit Ausnahme der Barockforschung) beschränkt sich auf ästhetische Beschreibung und Geschichtsdarstellung, Pädagogik und Didaktik arbeiten nur noch mit Schwundformen (Aufsatzlehre), und die anderen traditionellen Bereiche rhetorischer Theorie sind von neuen Wissenschaften okkupiert und dabei oftmals in isolierte Einzelfelder der Forschung zerstückelt worden, so daß etwa die gesellschaftliche Beredsamkeit Gegenstand der Soziologie, Psychologie, der Medien- und Kommunikationswissenschaft geworden ist, die sprachlichen und bildlichen Formen und Phänomene der Überredung und Meinungsbildung desgleichen. Die rhetorischen Methoden der Erziehung und des Unterrichts leben nur noch verdeckt und vereinzelt in den empirisch ausgerichteten Erziehungswissenschaften fort, das rhetorische Bildungsideal wurde durch pragmatische Wissensschulung und politisch-ideologische Leitvorstellungen ersetzt und die Redepraxis sich selber überlassen, sie verkam und führte zu jener Barbarei öffentlicher Rede, gegen die auch die literarische Kunstprosa nichts vermochte.
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Ueding, G., Steinbrink, B. (2005). Aspekte moderner Rhetorik-Rezeption — Das 20. Jahrhundert. In: Grundriß der Rhetorik. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00089-7_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00089-7_7
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-02057-4
Online ISBN: 978-3-476-00089-7
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