Zusammenfassung
»Schon öfter wurde über den Literaturramsch der Warenhäuser Klage geführt. […] Schon lange hat auf dem Gebiete der Jugendliteratur eine Großindustrie Platz gegriffen, die, lediglich auf das roheste Lesebedürfnis der Kinder spekulierend, alle feineren Ansprüche sowohl an den Text wie an die Ausstattung in dem heranwachsenden Geschlecht tötet.« So schreibt der prominenteste Jugendschriftenkritiker und Literaturpädagoge dieser Epoche, der Hamburger Volksschullehrer Heinrich Wolgast, in einem Zeitungsbeitrag des Jahres 1901. Schon einige Jahre zuvor hatte er mit seiner Kampfschrift Das Elend unserer Jugendliteratur (1896) großes Aufsehen erregt. »Die allermeisten Leser der gangbaren Jugendschriften«, heißt es dort, »sind für die ernste Kunst verdorben«. Nur konsequent scheint daher seine generelle Ablehnung der spezifischen, »eigens für die Jugend geschaffene[n]« Jugendliteratur. »Die Jugendschrift in dichterischer Form muß ein Kunstwerk sein«, lautet Wolgasts erstes Gebot. Und als Kunstwerk gehöre ein Text ohnehin der allgemeinen Literatur an. Kaum ein Lichtstreif am Horizont ist für ihn vorerst sichtbar: höchstens Theodor Storms »köstliche Novelle« Pole Poppenspäler, die — anfangs wenig beachtet — bereits 1874 in der Zeitschrift Deutsche Jugend erschienen war und die im Jahre 1899 vom Westermann-Verlag, »in enger Abstimmung mit Wolgast«, wie es in einem Brief des Verlags heißt, in 27000 Exemplaren neu auf den Markt gebracht wird — als Billigausgabe für 50 Pfennig!
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Wilkending, G. (2008). Vom letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. In: Brunken, O., et al. Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00038-5_5
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