Zusammenfassung
Die aus der Erfahrung der westjüdischen Zeit — diesen Ausdruck gebraucht Kafka selbst — hervorgehende Angst, die sich schon in den Zürauer Monaten eingestellt und seither verstärkt hat, kommt im Jahre 1920 endgültig zum Durchbruch. Es ist dies die Zeit der Begegnung mit Milena Jesenská. — Nach seiner Rückkehr nach Prag im April 1918 hatte sich Kafka ausgiebig mit dem Hebräischen beschäftigt und fleißig das Lehrbuch von Moses Rath weiterstudiert; begonnen hatte er damit bereits im Herbst 1917 in Zürau. Zusammen mit Max Brod und Felix Weltsch hatte er einen von Jir̆i Langer geleiteten Hebräischkurs besucht1. Im Herbst 1918 waren seine Kenntnisse im Hebräischen bereits so weit gediehen, daß er Brod korrigieren konnte (B 243–247). — Kafkas Entschluß, Hebräisch zu lernen, verweist zweifellos auf den Zionismus. Konkret bedeutet das: Er hat Pläne auszuwandern und entwickelt Interesse für Palästina und die dortige neue Gemeinschaft. Entstanden war dieses Interesse als Nachwirkung der Theorien von Hans Blüher und Otto Groß; verstärkt worden war es anscheinend durch den Anarchismus Peter Alexejewitsch Krapotkins und Alexander Herzens, durch den zionistischen Sozialismus Gustav Landauers und die expressionistische Pädagogik Gustav Wynekens2. Kafkas Zionismus bleibt jedoch sozusagen immer der Zionismus der anderen; er berührt ihn nicht innerlich, weil er Schriftsteller ist. Vom Zionismus berührt zu werden, ist nämlich eine Gnade, die nur denjenigen zuteil wird, die nicht von der Last der Literatur betroffen sind.
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Baioni, G. (1994). Der Ansturm gegen die Grenze. In: Kafka — Literatur und Judentum. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00019-4_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00019-4_9
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01223-4
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