Zusammenfassung
An demselben Tag, an dem Kafka in seinem Tagebuch zum erstenmal von der „größten Arbeit“ spricht, die ihn erwarte, hat er Das neue Geschlecht von Theodor Tagger gelesen1. Er sah darin ein zwar gut, aber „mit leisen Schauern von Dilettantismus“ geschriebenes Werk. „Was für Recht hat er aufzutrumpfen?“, fragte er sich. „Ist im Grunde so elend wie ich und alle“ (T 533). Die These dieser Schrift, die den Untertitel Programmschrift gegen die Metapher trägt, war sicherlich nicht neu. Die Kultur des modernen Menschen, so behauptete Tagger, sei erstickt worden unter einer Unmenge von Modellen, Formeln und verbrauchten Metaphern; sie hätten die unwiederholbare Einzigartigkeit des geistigen Ereignisses unter sich begraben. Die wahre menschliche Kultur beruhe nicht auf der Introspektion, der Analyse und Vivisektion der Welt des Inneren, sondern auf der heiligen Einfalt eines Messias, eines Erlösers des neuen Geschlechts, der in der Zeit einer unverdorbenen Natur lebe — umgeben und geschützt von „der Sanftheit seiner Aufrichtigkeit“ und seiner selbstgenügsamen Einsamkeit2.
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Baioni, G. (1994). Prometheus und das Schweigen der Sirenen. In: Kafka — Literatur und Judentum. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00019-4_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00019-4_8
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01223-4
Online ISBN: 978-3-476-00019-4
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