Zusammenfassung
Um wenigstens annähernd die Art der Beziehung Kafkas zum jiddischsprachigen Judentum zu verstehen, muß kurz betrachtet werden, in welchen Kategorien man die Frage der Ostjuden in Prag während der Jahre zu erörtern pflegte, in denen Kafka zur dichterischen Reife gelangte. Die offiziellen Standpunkte der zionistischen Bewegung in bezug auf das Ostjudentum waren längst festgelegt, und zwar besonders durch die Rede, die Max Nordau auf dem 5. Zionistischen Kongreß in Basel gehalten hatte. Nordau hatte bereits in scharfer Form vor Thesen von der Art gewarnt, wie sie Buber dann in seinem darauf folgenden Beitrag Über jüdische Kunst aussprach. Nordaus Rede betraf Fragen der körperlichen, geistigen und wirtschaftlichen Hebung der Juden. In ihr forderte er „eine genaue anthropologische, biologische, ökonomische und intellectuelle Statistik des jüdischen Volkes“1. Sie sei unverzichtbar, wenn man mit der Arbeit, „von Grund auf einen neuen Volksbau zu errichten“, beginnen wolle. Nordau wies darauf hin, daß die Westjuden einen relativen Wohlstand erlangt hätten, der ihre Gesundheit und ihre physische Kraft verbessert habe, so daß sie sogar in der Lage seien, Turnübungen zu betreiben und sportliche Wettkämpfe zu veranstalten. Die Ostjuden dagegen, die schwach geblieben seien aufgrund ihrer unsäglichen Armut und der barbarischen Erziehung, der sie von früher Kindheit an in den Talmudschulen ausgesetzt seien, könnten im Vergleich dazu nur erbärmliche menschliche Wesen vorweisen, die klein, mager und ausgemergelt seien und die physische Dekadenz ihrer Rasse augenscheinlich machten2.
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Baioni, G. (1994). Die Schauspieler aus Lemberg. In: Kafka — Literatur und Judentum. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-00019-4_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-00019-4_2
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-01223-4
Online ISBN: 978-3-476-00019-4
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