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Die Innenwelt der Interaktion

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Mikrosoziologie
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Zusammenfassung

Unter formellen Gesichtspunkten ist Interaktion die Ausdifferenzierung eines sozialen Subsystems, welches zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt (bzw. aus einem anderen hervorgeht) und zu einem späteren endet (bzw. in ein anderes übergeht). Nun läßt sich generell sagen, daß Anfang und Ende eines solchen Vorgangs besonders problematisch sind. In beiden Fällen liegt eine Übergangssituation vor: die vorherigen Verhältnisse lösen sich (an diesem Punkt) auf, es entsteht etwas Neues, welches zunächst noch ohne feste Gestalt ist. Sowohl die Auflösung als auch die Herausbildung von Strukturen ist generell eine „Krise“, eine Phase der Labilität, in der auch das Risiko des Scheiterns besteht.

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Referenzen

  1. Je nach Anlaß und Rang der Anwesenden kann eine solche Eröffnung noch üppiger ausfallen. Besonders gelungen war beispielsweise der Beginn der Ansprache des bayerischen Ministerpräsidenten Strauß bei der Einweihung der neuen Pinakothek in München: „Eure Durchlauchten, Exzellenzen, meine Herren Präsidenten vom Landtag und Senat, verehrter Amtsvorgänger lieber Freund Dr. Goppel, meine Herren Staatsminister und Staatssekretäre, meine Herren Abgeordneten und Senatoren, königliche Hoheit Prinz Franz, Herr Landamtmann, Herr Landesbischof, Herr Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde, verehrte Frau Minister Griesinger, meine Herren Kultusminister aus anderen deutschen Ländern, Herr Doyen, meine Damen und Herren Vertreter europäischer Museen, sehr verehrte Festgäste.“

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  2. Versuche, Intimbeziehungen nicht nur von verknöcherten, sondern von Konventionen überhaupt zu lösen, scheitern daran, daß es ihnen dann an der nötigen sozialen Schutzschicht fehlt. Es bilden sich dann unter der Hand neue (Anti-)Konventionen oder aber die Beziehungen selbst werden instabil, weil sie nur zwangsläufig nicht auf Dauer von selbst existieren können.

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  3. Etwas ausführlichere berlegungen finden sich in: Schülein (1977) und (1981).

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  4. Auch hier zeigt sich die Doppeldeutigkeit, die schon in bezug auf den Bewußtseins-Begriff festgestellt wurde: Daß man Selbstreflexion funktional und normativ, als technischen Vorgang oder als eine bestimmte, auf vollständige Verfügbarkeit zielende Bestimmung verwenden kann.

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  5. Korrekterweise müßte man sagen, daß sich dabei lediglich das Profil der Pathologien verschiebt. Extern stabilisierte Zwangsgemeinschaften (wie die lebenslängliche Monogamie) sind zwar durch das soziale Korsett, in dem sie stecken, „haltbarer“, aber gleichzeitig bezahlen sie für diesen Gewinn an Stabilität unter Umständen mit erheblichen Einschränkungen. Wo dagegen Beziehungen auf Freiwilligkeit (d.h. Konsens) basieren und die Normen verfgbar sind, nimmt die Prästabilität beträchtlich ab und die Risiken, daß durch mangelnde Kompetenzen im Umgang mit verfügbaren Beziehungen entstehen, nehmen zu. Daher ist das typische Syndrom der Zwangsgemeinschaft die repressive Struktur, das der offenen Gemeinschaft das Strukturdefizit.

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  6. Damit sind jedoch weder die gesellschaftlichen Probleme gelöst noch sind damit die Beziehungen problemfrei, wie man an den bisherigen Beispielen „alternativer“ Lebens- und Arbeitsformen sehen kann (vgl. z. B. Schülein 1978, 1980).

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  7. Unter Umständen kann sogar aus den Normen der stillen Interaktion eine (meist kurze) aktive Sequenz werden. Wenn beispielsweise die Ausweichmanöver dazu führen, daß man sich wieder im Weg steht, man daraufhin wieder synchron ausweicht und erneut sich den Weg blockiert, ist dieses technische Versagen der Normen häufig der Anlaß zu direkten Kontaktaufnahmen: Man lächelt sich an, macht unter Umständen eine Parodie daraus usw.

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  8. Die systematische Unterdrückung von Ereignissen durch die Struktur von Verhältnissen ist daher ein ebenso wichtiges Merkmal sozialer Systeme wie die Ereignisse, die stattfinden und muß deshalb stets berücksichtigt werden.

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  9. Von konventionellen Formen wird hier abgesehen. Wenn die Gewohnheit vorsieht, daß man nicht gleich ja sagt, sondern sich erst noch etwas ziert, also nein mit der Perspektive sagt, daß es durch gutes Zureden zum Ja wird, ist das auch eine Spaltung, die jedoch konventionellen Charakter hat — alle Beteiligten wissen im Grunde Bescheid.

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  10. Auch dieses Thema kann deswegen nur gestreift werden. Es wäre der Mühe wert, eine historische und systematische Monografie zum Thema Manipulation zu schreiben und zu lesen.

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  11. Genauer gesagt: Mark Twain, dessen blühende Phantasie diese Art der Delegation unangenehmer Arbeiten hervorbrachte. Auch seine satirischen Kurzgeschichten und Reisebeschreibungen sind mit mikrosoziologisch scharfsinnigen Beobachtungen gespickt.

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  12. Immerhin haben in politischen und religiösen Auseinandersetzungen, aber auch in Alltag von Politik und Religion (und später auch der Ökonomie) stets ausgefeilte Manipulationstechniken Verwendung gefunden. Schon die Geschichte von gezielten Manipulationen durch Fehlinformation ist (von der Konstantinischen Schenkung über die Protokolle der Weisen von Zion bis zur Emser Depesche) endlos lang. Aber auch die Etablierung des Fegefeuers, des Erbfeindes usw. sind von weitreichender Bedeutung (gewesen). Wo immer eine Position legitimiert werden sollte, die schwach war und Ereignisse herbeigeführt werden sollten, die sonst kaum zustande gekommen wären, wurden einschlägige Methoden verwendet. Die Entwicklung der modernen Medien hat mit einer Ausweitung der Informationsdichte auch eine der Manipulationen mit sich gebracht. Außerdem sind, durch lange bung und professionalisierte Beschäftigung, neue Methoden entstanden, während gleichzeitig der partikulare Bedarf (von Parteien, Firmen usw.) zunahm und sich differenzierte. Bei alledem sollte man nicht vergessen, daß zur Manipulation immer zwei gehören, also auch jemand, der sich manipulieren läßt. Gegen breit angelegte Kampagnen hat zwar der Einzelne wenig Chancen, aber an vielen Punkten ist Manipulation auf dei Bereitschaft, sich manipulieren zu lassen, angewiesen. Dies gilt — mutatis mutandis — auch für die Geschichte der Manipulationen im Alltag, die zwar nicht so spektakulär und so dynamisch, aber dennoch sehr altehrwürdig sind. Auch sie haben jedoch in jüngster Zeit eine qualitative Veränderung erfahren, seit es eine spezielle Aufklärungskampagne über Fremd- und Selbstmanipulation gibt. Ein Beispiel dafür ist die zunehmende Literatur im Bereich des „Psychotrainings“ (vgl. dazu Schülein 1976). — Zu verschiedenen Bereichen und Strategien moderner Manipulationstechniken vgl. Dröge (1972), Wallfraff (1977).

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  13. Vgl. auch dazu und zum folgenden die Beschreibungen bei Goffman (1969).

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  14. Dieses Thema wird besonders in der Tradition des symbolischen Interaktionismus behandelt, der davon ausgeht, daß Situationen offen sind und erst durch einen kollektiven Prozeß der Festlegung bestimmte Qualität gewinnt. Vgl. Steinert (1973).

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  15. Das sind die Standardrollen. Sonderrollen wie Vertreter, Buchprüfer, sozialwissenschaftlicher Beobachter treten nur selten auf und müssen entsprechend legitimiert/behandelt werden.

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  16. Dieser Problemzusammenhang erklärt die Hartnäckigkeit privater wie kollektiver Ideologien. Sie sind Teil eines labilen und widersprüchlichen, aber gerade darum um so rigideren Interaktionszusammenhangs, der ohne diese Legitimation erheblich geschwächt würde. Daher wird auch kontrafraktisch an solchen Legitimationen festgehalten. Vgl. dazu auch die Diskussion über Vorurteile (z.B. Heintz 1957).

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  17. Dies findet sich sehr anschaulich beschrieben bei Kaufmann (1888/1958), Paulsen (1902/ 1966) und Reicke (1903).

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  18. Sehr plastisch wird die mittelalterliche Lebenswelt in der Arbeit von Borst (1969) dargestellt. Seine Beispiele verdeutlichen, in welchem Sinnzusammenhang einzelne — aus unserer Sicht irrationale — Lebensformen stehen.

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  19. Eine extreme Ausnahme stellen Interaktionen dar, die durch intensive Selbstreflexion ihr Konfliktpotential im Griff haben und daher irrationale Auseinandersetzungen vermeiden und manifeste Konflikte auf ein sinnvolles Maß begrenzen können. Auf die Bedingungen solcher Entwicklungen wird noch weiter unten eingegangen.

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  20. Schneidermeister Böck wird durch diesen seinen wunden Punkt auch völlig manipulierbar und geht der Inszenierung der Bösewichte blindlings auf den Leim (vgl. Busch 1865). Auch dies ist ein Hinweis auf den Strukturwandel, den Interaktion unter diesen Vorzeichen durchmacht.

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  21. Allein die Möglichkeit gewaltförmiger Auseinandersetzungen zwingt zu Schutzmaßnahmen, die ihrerseits solche Auseinandersetzungen provozieren können. Wo jeder bewaffnet ist, steigt die Wahrscheinlichkeit bewaffneter Streitereien, Konflikte tendieren dazu, auf dieses Niveau zu regredieren. Dadurch wird die Haut zwangsläufig dick. Und eine dicke Haut macht im doppelten Sinne unempfindlich: Es gehen auch Wahrnehmungs- und Reaktionsmöglichkeiten verloren. Außerdem wird dadurch das verfügbare Interaktionpotential erheblich redu- ziert: Die Zeit und die Ressourcen, die ich für Drohungen, Aufrüstungen, Übungen etc. verbrauche, fehlt mir in anderen Zusammenhängen. Daraus ergibt sich die große Bedeutung des Friedens, aber auch die Widersprüchlichkeit eines durch Gewalt erzwungenen Friedens.

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  22. Allerdings kann es auch zu Folgeproblemen kommen, wenn pro-forma-Anteile zu groß sind bzw. repressive Verbindlichkeit haben. Dann ist die Interaktion doppelbödig und zwingt zur Identitätspaltung. Daß dies interaktiv und subjektiv destruktiv ist, wurde bereits angesprochen. Problematisch sind aber generell Theater-Anteile an Interaktionen für jemanden, der nur totale Offenheit verträgt und zwanghaft auch gegen harmlosen Schein angehen muß. Interaktionen werden dadurch erheblich erschwert, weil ihr Anspruchsniveau bis zu einer ständigen Kontrollatmosphäre steigen kann — somit Ähnliches erreicht wird wie bei einem repressiv bedingten Übermaß an Theateranteilen.

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  23. Auch dieser Gesichtspunkt wird hier nicht weiter verfolgt. Vgl. dazu Schülein 1977, 110 ff.

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  24. Das macht deutlich, daß die Grenzen von den Teilnehmern als unterschiedlich verbindlich behandelt werden. Für die Schüler ist es opportun, sich nicht erwischen zu lassen, wenn sie unerlaubt Hilfsmittel benutzen, sie selbst halten sie jedoch keineswegs für illegitim. Der Lehrer kann dagegen höchstens inoffiziell die Grenzen lockern (indem er nicht so genau hinsieht), weil er sonst in Konflikt mit den Verhältnissen gerät, die die Normen der Grenzziehung setzen.

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  25. Ausführliche Überlegungen zum Thema der Grenzen von Systemen in ihrem Verhältnis zur Umwelt finden sich im systemtheoretischen Konzept von Luhmann (z.B. 1971).

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  26. Bei Luhmann (1975) wird zwar Macht ausschließlich als Funktion konzipiert, aber seine Ausführungen sind für die hier verwendete Betrachtungsweise interessant. Eine sozialgeschichtliche Analyse findet sich bei Lenski (1973).

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  27. Konservativ klingt wegen der politischen Konnotationen leicht nach repressiv. Das ist auch in diesem Zusammenhang nicht ganz falsch, weil Struktur in der Tat das, was sie bewahrt, gegen die Vielzahl möglicher Alternativen „verteidigt“. Diese wichtige Stabilisierungsfunktion des Prozesses, erst recht jedoch die produktiven Leistungen, die damit verbunden sind (wenn durch Struktur unwahrscheinliche Prozesse möglich werden), sind damit jedoch nicht hinreichend bestimmt.

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  28. Das „Aushandeln“ — bargaining — gehört zu den zentralen Themen des Symbolischen Interaktionismus, für den soziale Realität stets das Ergebnis von Verhandlungen ist. Vgl. dazu die Einleitung und verschiedene Texte in Steinert (1973).

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  29. Ein Beispiel dafür ist das sozialpsychologische Konzept von Gehlen. Er arbeitet sehr konsequent die Notwendigkeit von Struktur heraus, aber kann mit seinem Modell keine Unterscheidung zwischen sinnvollen und unnötig repressiven Strukturen treffen (Gehlen 1958).

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  30. Dieser Zusammenbruch wurde von einigen Interpreten voreilig als das Ende von Umgangsformen angesehen. Tatsächlich handelte es sich nur um den Zerfall überlieferter Strukturen und eine damit verbundene Phase des Übergangs zu neuen Umgangsformen. Interaktionsanalytisch gesehen ist ein Zustand völlig freien Umgangs undenkbar; es gibt allerdings erhebliche Unterschiede (vgl. zu diesen Entwicklungen Krebs 1972).

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  31. Nach altem Brauch wurde wie immer, wenn auf einen Mißstand hingewiesen wird, erstmal der Kritiker bestraft und nicht der Mißstand beseitigt. Freud büßte seine Auseinanderstzung mit der bürgerlichen Sexualmoral mit totaler Isolation, Verlust seiner akademischen Karrierechancen und einer Flut von Verleumdungen : Den Repräsentanten dieser Moral war er — ohne daß sie seine Arbeiten überhaupt ansahen — der „Lustlümmel aus der Berggasse“. Erst neuere gesellschaftliche Entwicklungen haben dazu geführt, daß dieses Urteil (teilweise) revidiert wurde.

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Schülein, J.A. (1983). Die Innenwelt der Interaktion. In: Mikrosoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99989-4_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99989-4_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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