Zusammenfassung
Umweltauflagen stellen staatlich verordneten Umweltschutz dar. Sie beschränken umweltgefährdende Aktivitäten, wie beispielsweise die Emission von Schadstoffen.233 In der Praxis werden jedoch staatliche Vorgaben häufig nicht eingehalten.234 Dies liegt zum einen an den Emittenten, die sich über die Vorgaben hinwegsetzen und zum anderen an den Aufsichtsbehörden, die die Anwendung der Auflagen nicht hinreichend durchsetzen.235 Ob die staatlich verordneten Umweltschutzmaßnahmen tatsächlich ergriffen werden, hängt wesentlich vom Vollzug und dessen Defiziten ab. Vollzugsdefizite sind in der umweltökonomischen Literatur selten aufgegriffen worden. Hier herrscht die Annahme vor, daß Emittenten sich dem Staat gegenüber loyal verhalten und damit die ihnen auferlegten Auflagen immer einhalten.236 Vollzugsdefizite bei Umweltauflagen lassen sich jedoch leicht mithilfe des wirtschaftlichen Eigeninteresses der Betroffenen erklären.237 Es kann hierbei auf Literatur zurückgegriffen werden, die auf Arbeiten von Becker und Stigler zur Rationalität von Normbefolgung und Normverstoß aufbaut.238
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Literatur
Für einen Überblick über die Vielfalt der möglichen Ausprägungen von Auflagen siehe Wicke 1991, S. 169. Im folgenden soll davon ausgegangen werden, daß Auflagen ein bestimmtes mit jeder zusätzlich vermiedenen Emissionseinheit zunehmen. 239 Anders ausgedrückt Emissionsniveau vorgeben. Diese Vereinfachung ist vertretbar, da die meisten Auflagenarten sich ceteris paribus als Emissionsgrenzwerte ausdrücken lassen.
Als Hinweis kann die Entwicklung der Umweltstraftaten genommen werden, die beispielsweise in Deutschland von 2300 im Jahre 1973 auf 29730 im Jahre 1993 angestiegen sind, vgl. Jahresbericht des Umweltbundesamtes 1994, S. 64f und speziell zu Verstößen gegen Umweltordnungsrecht Gelbhaar 1994.
Vgl. Cansier 1993, S. 214.
The great bulk of the literature an the economics of environmental regulation simply assumes that polluters comply with existing directives“, vgl. Cropper/Oates 1992, S. 695. Vgl. auch Cansier 1994, S. 210 oder Wicke 1991, S. 169f, der Vollzugsfrage überhaupt nicht aufwirft. Anders Segerson/fietenberg 1992a, b, Gawel 1993a, b und Gelbhaar 1994.
Vgl. Becker 1968 und für die Umweltökonomie Crooper/Oates 1992, S. 695. Vollzugsfragen werden in der Umweltökonomie normalerweise als nachgeordnetes Problem nicht modelltheoretisch erfaßt und haben daher in der Vergangenheit nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Vgl. auch Wasserman 1992. Als Ausnahme siehe beispielsweise Gawel 1993b,c oder überwiegend verbal Naysnerski/fietenberg 1992, Segerson/Tietenberg 1992 und zuletzt ausführlich Gelbhaar 1994.
Vgl. Becker 1968, Stigler 1970 und für die jüngere Literatur Shavell 1993 und einen Überblick bei Gawel 1993b.
Es sei weiter angenommen, daß die Vermeidungskosten mit abnehmenden verbleibenden Emissionen überportional steigen. Dies trägt der Erfahrung Rechnung, daß ein Teil der bestehenden Emissionen mit kostengünstigen Maßnahmen wie Filteranlagen vermieden werden können, zur weiteren Reduktion allerdings teurere Techniken notwendig sind und zur vollständigen Vermeidung aller Emissionen ein prohibitiv hoher Vermeidungsaufwand notwendig sein dürfte.
Sanktionen sind nicht auf Geldstrafen, Bußgelder oder andere pekunäre Zahlungen beschränkt. Nicht monetäre Sanktionen sind beispielsweise Freiheitsenzug oder soziale Achtung. Vgl. zu verschiedenden Formen von Sanktionen undAnwendungdgebietent Shavell 1993.
Kaplow/Shavell 1994, S. 10 weisen darauf hin, daß auch die Exaktheit der Ermittlung von AufIagenverstößen Einfluß auf die Vollzugsleistung haben.
Das hier vorgestellte Vollzugsmodell ist aus Vereinfachungsgründen sehr simpel gewählt. Vgl. Calfee/Craswell 1984 und vor allem Gawel 1993c. Im Zuge von weitergehenden Untersuchungen könnten beispielsweise dynamische Aspekte, wie sie Russel/ HarringtonNaughan 1986 und Harrington 1988 analysieren, berücksichtigt werden.
Vgl. Pearce/furner 1991, S. 102f.
Es kann gesamtwirtschaftlich sinnvoll sein einen defizitären Vollzug zuzulassen. Der Staat muß Kontroll-und Überwachungskosten aufwenden, um Normverstöße aufzudecken. Diese Kosten werden umso höher sein, je lückenloser die Kontrolle ist. Gleichzeitig vermindern sich mit zunehmender Normtreue der Emittenten auch die externen Umweltschäden. Damit besteht ein Trade-off zwischen dem Nutzen des Vollzugs in Form von verhinderten Umweltschäden und den notwendigen Kontroll-und Überwachungskosten,_ Der Vollzug ist daher genau dann sozial optimal, wenn die marginalen Kontroll-und Überwachungskosten gleich den marginalen vermiedenen Umweltschäden sind. Ein vollständiger Vollzug wird dagegen in der Regel unverhältnismäßig hohe Kontroll und Überwachungskosten hervorrufen, die durch den Nutzen in Form von verhinderten Umweltschäden nicht aufgewogen werden können. Vgl. schon Stigler 1970 und eingehend für Umweltnormen Gelbhaar 1994.
In Anlehnung an die Literatur zur ökonomischen Analyse des Rechts und hier speziell zum Haftungsrecht wird im folgenden davon ausgegangen, daß Gerichte den Verschuldensstandard folgendermaßen definieren: Verschulden wird dann angenommen, wenn der Emittent durch eine zusätzliche Geldeinheit an Vermeidungsmaßnahmen mehr als eine Geldeinheit Schäden hätten vermeiden können. Der Verschuldensstandard ist damit das Emissionsniveau, das negative Grenzvermeidungskosten und Grenzschadenskosten zum Ausgleich bringt. Unter den hier getroffenen Annahmen ist damit e“ e’.
Dies ist der Fall, wenn die Auflage moderat strikt und die Sanktionen sehr streng sind.
Neben der Privilegierung der Auflagenkonformität ist auch eine zusätzliche Bestrafung des Auflagenverstoß durch höhere Schadenersatzkosten denkbar. In Amerika wird diese Varianten unter anderem unter dem Stichwort der “punitive damages” diskutiert, die allerdings in europäischen Haftungssystemen nicht vorkommen, vgl. Shavell 1987 oder auch Posner 1992. Eine Haftungsregel die den Auflagenverstoß mit überhöhten Schadenersatzzahlungen bestraft, bildet eine Analogie zu dem Vollzugsmodell von Becker 1968, vgl. auch Polinski/Che 1991, S. 569. Demnach bildet die höchstmögliche Strafe bei Normverstoß selbst bei geringer Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden, einen ausreichenden Anreiz sich normkonform zu verhalten. Entsprechend hohe Haftungskosten haben die gleiche Wirkung. Zudem beeinflußt die Höhe der zu erwartenden Schadenersatzkosten die Bereitschaft der Geschädigten zu klagen und damit die Wahrscheinlichkeit, daß ein Normverstoß aufgedeckt wird, vgl. Posner 1992, S. 565, was somit auch wiederum die Voll ugsleistung erhöht.
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Becker, P. (1999). Umwelthaftung als Vollzugshilfe von Umweltauflagen. In: Umwelthaftungsrecht als Instrument der europäischen Umweltpolitik. Ökonomische Analyse des Rechts. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99880-4_4
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Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden
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