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George Herbert Mead — Behavioristische Theorie des Symbols

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Symbol und soziologische Symboltheorie
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Zusammenfassung

Durkheim hatte im Winter 1913/14 Vorlesungen zum Thema „Pragmatismus und Soziologie“ gehalten, die erst Jahrzehnte nach seinem Tode im Jahr 1955 veröffentlicht wurden (dt. Durkheim 19872). In der ersten Vorlesung diskutiert er, nach einigen einleitend vorgetragenen Aphorismen Nietzsches, vor allem Aussagen von Charles Sanders Peirce und William James; in der zweiten Vorlesung folgen einführende Hinweise zu John Dewey. Von Mead ist in keiner der insgesamt zwanzig Vorlesungen die Rede, obwohl doch George Herbert Mead mit seiner sozialtheoretischen Variante des Pragmatismus3 dem Soziologen Durkheim interessanter hätte erscheinen müssen, als die Philosophen des Pragmatismus.

In der Evolution sind nicht nur neue Lebewesen entstanden, sondern auch neue Qualitäten oder Inhalte der Erfahrung. Es ist die Sensitivität des Lebewesens, welche die Möglichkeit dafür bietet, daß neue Dingeigenschaften in der Welt dieses Lebewesens auftreten ... wie auch neue Bedeutungen, die den neuen Verhaltenhigkeiten des Lebewesens entsprechen. Und diese neuen Eigenschaften und neuen Bedeutungen existieren in der Natur wie die Formen physikalircher Objekte, wenngleich sie von der Sensitivität und den Fähigkeiten der Lebewesen abhängig sind(George H. Mead1)

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Literatur

  1. Die ersten, allerdings nicht sehr umfangreichen Arbeiten Meads wurden 1899, und solche, die Durkheim hätten interessieren können, immerhin bereits in den Jahren 1910–1912 veröffentlicht (vgL Mead 1980: 199–250)

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  2. Mit Ausnahme des Schönen (der Asthetik), das bei Durkheim keine, im Pragmatismus aber sehr wohl eine Rolle spielt; vgl. u.a. Meads kleinen Aufsatz: Mead 1926

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  3. Vgl. zu Peirce, James, Dewey und Mead: Scheffler 1974, auch Morris 1979: 52f; ein direkter Einfluß von Peirce auf Mead kann nicht nachgewiesen werden; vgl. Morris 1938: 109ff

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  4. Mead beispielsweise vollzieht sein Programm vor allem `theoretisch’ und weniger in der Form empirischer Forschungsarbeit. Der Pragmatismus und gerade auch die Ergebnisse von Meadstellen, so konstatiert deshalb Joas, „vor allem eine Reflexion auf die vor aller bewußten Intentionalität des Handelns liegende Einbettung des Subjekts in Praxis und Sozialität dar“ Goas 1987: 264)

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  5. Für Dewey und Mead beinhalten — wie Joas meint — die cartesischen Dualismen „ein Moment von Herrschaft. Ihr Programm war daher, dieses theoretisch auszuschließen, indem die Funktion des Bewußtseins im Handeln, die Zeichenermitteitheit der Erkenntnis, die Funktion der Selbstreflexivität in Situationen sozialer Interaktion, die Möglichkeit einer über freie Kommunikation sich regelnden sozialen Ordnung dargetan wurde“ Goas 1987: 281)

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  6. Dazu hat Joas einiges ausgeführt, vgL Joas 1987: 264–284; als Zwischenergebnis notiert er: „Wir haben damit im Pragmatismus eine Theorie, welche ausgerichtet an der Lösung von Problemsituationen des instrumentellen Handelns durch die Zeichentheorie auf die Dimension der Sozialität ebenso verweist, wie umgekehrt Durkheims Soziologie, orientiert an der sozialen Dimension einer Konstitution der Kategorien nach dem Modell der sozialen Organisation, in der Form der rituellen Praxis auf die praktische Konstitution der Kategorien stößt“ Goas 1987: 269)

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  7. Und Langer betont: die „Dank der Einsicht in die überragende Bedeutung von Symbolgebrauch und Symbolverständnis, eine alles vorhersehbare Maß übersteigende Entwicklung erlebt“ hat (Langer 1987: 30)

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  8. Beispielsweise im Werk von Jürgen Habermas und von Niklas Luhmann; vgl. dazu meinen Artikel: Gesellschaftstheorien in der neueren deutschen Soziologie (Hülst 1996)

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  9. Da dieser Gesichtspunkt hier nicht zentral ist, soll das folgende Zitat zur Erläuterung der Meadschen Vorstellung genügen: „Wir müssen andere sein, um wir selbst sein zu können… Wenn wir die Menschen derart zusammenführen können, daß sie in das Leben der jeweils anderen eintreten können, werden sie zwangsläufig ein gemeinsames Objekt besitzen, das ihr gemeinsames Verhalten kontrolliert“ (Mead 1969: 100)

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  10. Diese Einschätzung (z.B. Wenzel 1990: 47) würdigt vor allem das Engagement von Mead im Rahmen der Chicagoer Kommunalpolitik an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert

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  11. Deutsch: Geist Identität Gesellschaft (1968). Dieses Werk wurde posthum von Charles Morris, dem Schüler und Nachfolger Meads herausgegeben; es umfaßt in differenzierter Breite Nachschriften einer großen Zahl seiner sozialpsychologischen Vorlesungen

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  12. Genießende Gaumen und gereizte oder schmerzende Glieder existieren im gleichen Sinne wie andere Wahrnehmungsgegenstände oder Objekte. Und dies gilt ebenso für strapazierte Muskeln, furchtgebietende Objekte, einen verdorbenen Magen oder ein attraktives Ding, und wir können diese Art von Objektivität auch nicht den Vorstellungen absprechen, nur weil sie allein dem Individuum zugänglich sind, in dessen Welt sie auftreten…. Vorstellungen sind für den Wahrnehmenden genauso objektiv wie das sogenannte sinnliche Objekt. Sie können in diese Objekte eingehen und von ihnen ununterscheidbar sein“ (Mead 1969: 78 )

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  13. Die Psychologie kann nicht ausschließlich das Bewußtsein untersuchen; sie muß sich notwendig mit einem ausgedehnteren Gebiet befassen“ (Mead 1968: 43)

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  14. vgl. etwa: von Foerster 1985; Schmidt 1987; Luhmann 1988 u. 1990; Rusch/Schmidt 1992. An anderer Stelle formuliert Mead: „Eine Umwelt entsteht… für einen Organismus durch die Selektionsleistung einer Aufmerksamkeitszuwendung, die durch die Triebimpulse des Organismus bestimmt ist. Diese besondere Umwelt existiert nicht in dem Bewußtsein des Lebewesens als ein separates Milieu, sondern das Bewußtsein des Organismus besteht darin, daß ein zukünftiges Verhalten seine Objekte umreißt und definiert. Insofern die Organisation des einen Individuums von der anderer Individuen sich unterscheidet, hat es eine private Umwelt, obgleich man diese Unterschiede als Unterschiede des Standpunkts bezeichnen könnte. Es sind objektive Unterschiede; sie existieren in der Natur… Es ist damit lediglich gesagt, daß die fortlaufende Tätigkeit des individuellen Lebewesens die Welt für dieses Lebewesen markiert und definiert, welche damit für dieses Lebewesen so existiert wie für kein anderes sonst. Wenn dies Bewußtsein genannt wird, so kann die behavioristische Psychologie es in Kategorien des Verhaltens beschreiben“ (Mead 1969: 76 )

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  15. An anderer Stelle findet sich die noch stärker betonende Aussage: „Was immer über ein mechanistisches Universum, das letztlich aus physikalischen Partikeln aufgebaut ist, gesagt werden könnte, es sind die Haltungen und Verhaltensweisen einzelner lebender Formen, durch die sich Objekte in der Erfahrung abzeichnen. Unabhängig von solch einer Erfahrung, an der sowohl die Form als auch ihre Umgebung beteiligt sind, bestehen solche Objekte nicht“ (Mead 1977: 7) Durch diese Erkenntnistheorie wird nicht, das soll hier betont werden, die Objektivität der `Welt’ geleugnet oder in Frage gestellt. Mead fährt fort: Auf der anderen Seite bestehen diese Objekte, wie sie in der unmittelbaren Erfahrung sind, objektiv. Daß die Umweltobjekte in einer Beziehung zu den Tieren und Pflanzen stehen, macht sie in keiner Weise subjektiv. Was man die Eigenheiten von Objekten nennt, befindet sich in den Objekten” (Mead 1977: 7 )

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  16. Zur Zitierweise: Ich korrigiere die Ausgabe von 1968 an den Stellen, an denen im Original ‘meaning’ mit `Sinn’ übersetzt wurde und mache dies dadurch kenntlich, daß das Wort ‘Bedeutung’ in Kapitälchen gesetzt wird: BEDEUTUNG. Dieser Übersetzungsvorschlag ist nicht willkürlich, er reagiert auf eine Unzulänglichkeit, die von vielen Mead-Rezipienten bemängelt wurde (u.a. von Habermas und Joas); auch Hager (1977) und Wenzel (1990) übersetzen ‘meaning’ mit Bedeutung’

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  17. Bereits Peirce, der dem Pragmatismus seinen Namen gegeben hat, geht davon aus, daß Wißbegierde aus dem Unsicher-Werden, dem Brüchigwerden des Alltagswissens entsteht und daß somit Forschung als Versuch anzusehen ist, das entstandene Problem zu lösen: „Der dem Zweifel entsprechende Reiz veranlaßt uns, Anstrengungen zu machen, um den Zustand der Überzeugung zu erreichen. Ich nenne diese Anstrengung Forschen“ (Peirce 1967: 301 )

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  18. Es handelt sich jedoch nicht um Gesten in dem Sinne, daß sie etwas besagen. Wir nehmen nicht an, daß sich der Hund sagt: `Wenn das Tier aus dieser Richtung kommt, wird es mir an die Kehle springen und ich werde mich so bewegen’. Es findet aber eine tatsächliche Veränderung in seiner eigenen Position statt, aufgrund der Richtung, aus der sich der andere Hund nähert “ (Mead 1968: 82 )

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  19. Da Mead die wenigsten seiner Beispiele mit empirischen Ergebnissen der Verhaltensforschung fundiert, soll ein kurzer Abstecher in die Ethologie diese zentrale Stelle der Meadschen Argumentation etwas besser absichern, als durch die Plausibilität der alltäglichen Beobachtung. Wenn auch viele Forschungsergebnisse der Ethologie zwar daraufhinzuweisen scheinen, daß generell kein großes Repertoire an individueller Variabilität der Schemata selbst oder der Abwandlung des Automatismus ihres Ablaufs zu beobachten ist, kann allerdings am Beispiel des Imponiergehabens (Heinroth), ein Bereich nachgewiesen werden, der durch seine gestische Auffälligkeit zum Gegenstand vielfältiger Glossen aber auch ernsthafter Verhaltensbeobachtungen geworden ist Dieses Gehaben besteht bekanntlich in einem typischen, im Tierreich weit verbreiteten und nur bei männlichen Tieren zu beobachtenden Verhalten, das alle gewöhnlichen Bewegungen des Tieres mit auffallendem und an sich unnötigem Kraftaufwand (demonstrativ) ausführt (vgl. Lorenz 1935: 209f). Wenn zwei Männchen der gleichen Art aufeinander treffen, und mindestens eines von beiden hat mit einem Imponiergehaben begonnen, etwa weil es um ein in der Nähe befindliches Weibchen `wirbt’, bestehen zwei mögliche Reaktionen: entweder sofortige Fluchtbewegung des Kontrahenten oder seine Aufnahme desselben Gehabens, mit der Erneuerung der Alternative. Flucht oder Kampf. Lorenz merkt dazu an: „Wir haben hier den seltenen Fall vor uns, daß eine in ganz gesetzmäßiger Weise beginnende Handlungskette nach zwei verschiedenen Richtungen fortgesetzt werden kann. Es ist, als liefen die Reaktionen in einem Geleise, das sich in einer Weiche in zwei Fortsetzungen gabelt. Nach welcher der beiden möglichen Richtungen die Handlungskette ihren Fortgang nimmt, hängt ausschließlich von der Reaktion ab, mit der das zweite Tier auf das männliche Imponiergehaben antwortet“ (Lorenz 1935: 215). Und wovon hängt die Reaktion des zweiten Tieres ab? Dazu gibt Lorenz keine Antwort, aber er weist an anderer Stelle auf ein in diesem Zusammenhang interessantes Ergebnis seiner Untersuchungen hin: „Der Automatismus der Instinkthandlung ist ein in sich u gemein fest geschlossenes System… So selbständig… und so unbotmäßig er sich selbst beim Menschen den höchsten Instanzen des Zentralnervensystems, dem `Ich’ gegenüber benimmt, so ist doch sein Machtbereich im Bewegungsapparat des höheren Tieres stets sehr beschränkt; er sendet seine Impulse immer nur an bestimmte Gruppen von Muskeln, niemals aber… an die gesamte Muskulatur des Körpers zugleich” (Lorenz 1938: 350). Damit sind zwei wichtige Voraussetzungen (vielleicht auch Ergebnisse) eines überindividuellen Kommunikationsprozesses angerissen: 1. ein wie gering auch immer ausfallendes Quantum an Unbestimmtheit eines körperlichen Reaktionsablaufs und 2. die Möglichkeit der gleichzeitig mit einem ausgelösten Schema auftretenden affektiven Besetzung anderer Körperbereiche oder — mit anderen Worten — eine strukturelle Nichtdeterminiertheit der Gesamtmuskulatur, die Ambivatenn das gleichzeitige Vorkommen zweier (im Extremfall sich widerstrebender) Gemütsbewegungen und die gleichzeitige Ausführung zweier Verhaltensimpulse oder die Hemmung, irgendeine Bewegung ausführen zu können usf. Daher kann bereits der Verhaltensablauf eines tierischen Organismus nicht einfach als programmierte Maschine (als instinktregulierter Automat) konstruiert werden

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  20. Beispiele für derartige Gesten sieht Mead etwa in den „Haltungen und Bewegungen anderer, auf die wir reagieren, wenn wir an ihnen in einer Menge vorbeigehen: in der Wendung des Kopfes auf den Blick eines anderen, in der feindseligen Einstellung, die wir angesichts einer drohenden Geste einnehmen, in all den tausenden verschiedenen Einstellungen gegenüber den verschiedenen Modulationen der menschlichen Stimme oder in den Haltungen und Bewegungsandeutungen bei Boxern und Fechtern, auf die die Reaktionen so genau abgestimmt sind“. Für Mead ist zugleich bedeutsam hervorzuheben, daß Haltungen, lediglich Handlungsphasen sind, in der Form wie sie anderen erscheinen und als solche schließen sie Gesichtsausdruck, Körperstellung, Änderung im Atemrhythmus, äußere Anzeichen für eine Änderung der Blutzirkulation und vokale Laute mit ein. „Im allgemeinen gehören diese sogenannten Gesten zur Anfangsphase der manifesten Handlung, denn die Anpassung anderer an den sozialen Prozeß geschieht am besten in der Frühphase der Handlung. Gesten sind also die Anfangsphasen der manifesten sozialen Handlung, auf welche die an der gleichen Handlung beteiligten anderen Lebewesen reagieren” (Mead 1969: 93) „Zumindest die vokale Geste ist eine Geste, die auf die Ohren desjenigen, der sie erzeugt, physiologisch in der gleichen Art und Weise wirkt wie auf die Ohren der anderen” (Mead 1969: 93).

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  21. Es kann selbstverständlich auch eine Kommunikation allein mit Hilfe von Gesten stattfinden (vgl. Mead 1968: 53), ohne daß sie in artikulierte Sprache übersetzbar sein muß: „Es gibt die Sprache der Worte und die Sprache der Gesten, vielleicht auch die Sprache des Mienenspiels. Man kann Sorge oder Freude zeigen und dadurch bestimmte Reaktionen auslösen. Einige primitive Völker können komplizierte Gespräche ausschließlich mit Hilfe des Mienenspiels abwickeln. Sogar in diesem Fall wird die mitteilende Person von ihrem Mienenspiel ebenso beeinflußt, wie sie es von anderen erwartet. Denken setzt immer ein Symbol voraus, das im anderen die gleiche Reaktion wie im Denkenden hervorruft. Ein solches Symbol ist ein Allgemeines; es ist allgemein in seiner Natur. Wir nehmen immer an, daß das von uns verwendete Symbol in der anderen Person die gleiche Reaktion auslöst“ (Mead 1968: 189 )

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  22. Die tatsächliche Kompliziertheit der Vermittlung des individuell-eigenen Bewußtseins kommt recht deutlich in der folgenden Passage zum Ausdruck „Wenn die Geste einfach das Objekt für jemand anderen bezeichnet, hat sie noch keine Bedeutung für das Individuum, das sie macht, noch wird die Antwort, die das andere Individuum gibt, für es eine Bedeutung (haben), es sei denn, es nimmt die Haltung ein, daß seine Aufmerksamkeit von einem anderen Individuum gelenkt wird, für das die Antwort eine Bedeutung hat. Dann nimmt es seine eigene Antwort als die Bedeutung des Bezeichnens an. Indem sie sich so gegenseitig sympathetisch in die Rollen voneinander versetzen, und so in ihren eigenen Erfahrungen die Antworten der anderen finden, bekommt, was sonst eine geistlose Geste wäre, genau den Wert, der in den Akten des Bedeutsammachens kommentiert wird, sowohl in seiner besonderen Anwendung wie in seiner Allgemeinheit“ (Mead 1977: 13 )

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  23. Gesten werden zu signifikanten Symbolen, wenn sie im Gesten setzenden Wesen die gleichen Reaktionen implizit auslösen, die sie explizit bei anderen Individuen auslösen oder auslösen sollen“ (Mead 1968: 86) entsteht eine Situation, in der das Individuum in seinem eigenen Verhaltensbereich zum Objekt werden kann. Damit wäre die erste Voraussetzung für das Auftreten von Geist gegeben” (Mead 1968: 411).

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  24. Daß Mead diese verdeutlichende aber übertriebene Verkürzung nicht grundsätzlich durchhält, belegt folgende Textstelle: „Das Symbol ist… mehr als nur ein Ersatzreiz — mehr als nur ein Reiz für eine bedingte Reaktion oder einen bedingten Reflex. Der bedingte Reflex — die Reaktion auf einen Ersatzreiz — setzt nicht notwendig Bewußtsein voraus; dagegen ist Bewußtsein für die Reaktion auf ein Symbol notwendig“ (Mead 1968: 163, Fn)

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  25. Symbole beinhalten stets Allgemeines. Etwas absolut Partikuläres ließe sich nicht sagen; „alles was sinnvoll gesagt wird, ist allgemein“ (Mead 1968: 188). Auch Denken vollzieht sich im Rahmen oder mit Hilfe von Allgemeinbegriffen. Das Allgemeine wird behavioristisch als gesellschaftliche Handlung aufgefaßt, bei der die Organisation und die Wechselwirkung der Haltungen aller von der Handlung betroffenen Individuen eine Rolle spielen und auch die jeweiligen Reaktionen kontrollieren(vgL Mead 1968: 188 Fn) Ohne diese Allgemeinheit wäre Kommunikation unvorstellbar, für die Voraussetzung ist, daß das Symbol in der Identität des Sprechers das gleiche wie im anderen Individuum auslöst Symbole müssen „die gleiche Universalität für jede Person aufweisen, die sich in der gleichen Situation befindet ” (Mead 1968: 191 )

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  26. In unserer selbst-bewußten Erfahrung verstehen wir, was der andere tut oder sagt… Wenn jemand das Wort `Tisch’ ausspricht und sich aussprechen hört, dann hat er in sich die organisierte Einstellung zu diesem Objekt in der gleichen Art und Weise hervorgerufen wie bei einem anderen. Im allgemeinen nennen wir eine solche organisierte Einstellung eine Idee, und die Ideen von dem, was wir sagen, begleiten unser gesamtes sinnvolles (significant) Sprechen“ (Mead 1969: 94)

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  27. Selbstverständlich stehen Sprache und Hand nicht allein für diesen evolutionären Entwicklungsprozeß, sondern ein ganzes Funktionsbündel; die Resultante aus verschiedenen biologischen und physiologischen Entwicklungen (Kehlkopf, Stimmbänder, Gehirn, Großhirnrinde, Zentralnervensystem) in Verbindung mit sozialen Kommunikationsformen, bewirkt die persönliche Identität ihrer Mitglieder und damit die Besonderheit der menschlichen Gesellschaft. Weitergehende Erläuterungen dazu sind hier nicht von Interesse. Es mag der Hinweis genügen, daß Mead eine Reihe anthropologischer Grundbegriffe in seine Argumentation einbezieht: die Ausbildung einer menschlichen Greifhand, die verlängerte Kindheit, die lange Ab „es muß einen Moment der Handlung geben, bei dem man knapp vor der tatsächlichen Verwirklichung anhält, wenn sich diese Handlung intelligent entwickeln soll. Sprache und Hand liefern dazu die notwendigen Mechanismen“ und „Sprache und Hand zusammen führen zur Entwicklung des gesellschaftlichen Menschen” (Mead 1968: 284). „Das Selbst entsteht im Verhalten, wenn das Individuum sich selbst als soziales Objekt erfährt… Insbesondere spricht es zu sich selbst, wie es zu anderen spricht, und indem es diese innere Unterhaltung in seinem inneren Forum aufrechterhält, konstituiert es den Bereich, den man Geist (mind) nennt“ (Mead 1977: 10). Und an anderer Stelle: „Wir besitzen ein Selbst gerade insoweit, als wir die Einstellungen der anderen zu uns einnehmen können und tatsächlich einnehmen und auf diese Einstellungen reagieren. Wir loben uns selbst und wir tadeln uns auch selbst; wir klopfen uns selbst auf die Schulter, und in blinder Wut schlagen wir auf uns selbst ein ” (Mead 1969: 95). hängigkeit des Kindes und das Wechselspiel der Rollenübernahme von Rollen anderer (Mead 1968: 413f )

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  28. Die menschliche Gesellschaft hängt also für ihre eigene typische Organisationsform von der Entwicklung der Sprache ab“ (Mead 1968: 282)

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  29. Im englischsprachigen Original verwendet Mead die Begriffe ‘I’ und ‘ME’, für die es in der deutschen Sprache keine Äquivalente gibt (im Französischen: ‘je’ und ‘moi’). Abweichend von der deutschen Übersetzung, behalte ich die englischen Termini bei und drücke dies ebenso wie im Fall von Bedeutung in der Zeichenformatierung durch KAPITALQIEN aus. Die Unterscheidung von I und ME übernimmt Mead übrigens von William James. Sie beinhaltet kurz gefaßt: „Die Haltungen der anderen bilden das ME, und man reagiert darauf als ein I. Das I ist die Reaktion des Organismus auf die Haltungen anderer“ (Mead 1968: 218)

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  30. Wenn (ein Kind) die Rolle einninunt, die allen gemeinsam ist, spricht (es) plötzlich zu sich selbst und zu anderen mit der Autorität der Gruppe. Diese Haltungen werden zu Axiomen. Die Verallgemeinerung ist… das Ergebnis der Gleichheit der Antworten“ (Mead 1977: 12 )

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  31. Das Medium für das Zusammenspiel zwischen Subjekt und Objekt sind die vokale Geste und die sie umgebenden Vorstellungen“ (Mead 1968: 423). Subjekt ist das I und Objekt ist das ME — dies bedeutet, daß innerhalb des menschlichen Organismus nur derartige sozialisatorische Prozesse ablaufen können, wenn es symbolisierende Gegenstände gibt (vokale Gesten). Die menschliche Identität ist wesentlich symbolisch!

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  32. Wer das psychische Korrelat einer sinnvollen Handlung nicht in eine unerreichbare, unergründliche Innerlichkeit einer Person verlegen will, kann mit dem Begriff `Haltung’ auf eine in ihrem Zentralnervensystem lokalisierte Interaktionsform bezugnehmen: „Man muß nur darauf bestehen, daß objektiv sichtbares Verhalten seinen Ausdruck im Individuum findet, und zwar nicht so, als ob es in einer anderen, subjektiven Welt stattfände, sondern innerhalb seines Organismus. Etwas von diesem Verhalten zeigt sich bei dem, was wir `Haltungen’ nennen können, die Anfänge von Handlungen sind“ (Mead 1968: 43). Allerdings faßt Mead die Determinationskraft sozialer Beziehungen bisweilen extrem stark, womit die Chance für individuelle Abweichungen hochgradig eingeengt wird: „Die Organisation der Gesamt-Handlung hat eine Struktur, die andere Individuen, physische Dinge und den Organismus als Selbst und als Ding genau bestimmt; die mitgeteilten Bedeutungen besitzen in der Gemeinschaft, zu der der Organismus gehört, Allgemeingültigkeit” (Mead 1969: 227)

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  33. Die Beziehung zwischen reaktivem und veränderndem, innovativem Handeln wird von Mead recht mechanistisch wie folgt umrissen: „Indem man die Haltung der Gruppe einnimmt, regt man sich selbst dazu an, auf eine bestimmte Weise zu reagieren. Diese Reaktion, das ` I `, ist die Art, in der man handelt. Handelt man so, dann stellt man der Gruppe sozusagen etwas gegenüber und verändert sie dadurch. Die eigene Geste löst dann eine Geste aus, die um ein weniges anders sein wird“ (Mead 1968: 384). Zur Schreibweise und Bedeutung von ` I ’ siehe die übernächste Fußnote

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  34. In der deutschen Übersetzung von Mead 1968 steht der Begriff `Identität’ für ‘self’, — wir ziehen es vor, von Selbst oder Selbst-Identität zu sprechen. Die folgende Textstelle kann die Bedeutung des Selbstkonzepts für die Theorie gesellschaftlicher Lebensformen von Mead verdeutlichen: Jede menschliche Gesellschaft bedarf der Organisation und Koordination der Tätigkeit der verschiedenen Individuen und jener besonderen Form der Verhaltensabstimmung, in der die Geste des Einzelnen für jeden anderen zum gleichen Reiz werden kann, „damit die Übermittlung von Gesten in das Verhalten des Einzelnen hereingenommen werden kann. Diese Bedingungen sind die Voraussetzung für die Entwicklung der Identität. Doch wenn sich die Identität einmal entwickelt hat, ist damit eine Grundlage für die Entwicklung einer Gesellschaft geschaffen, die sich ihrem Wesen nach von jenen anderen von mir erwähnten Gesellschaften unterscheidet“ wie subhumane Gesellschaftsbildungen, die sozialen Lebensformen von Ameisen und Bienen, und die eher schwach organisierten Tierherden, Fischschwärme, Wolfsrudel und Vogelscharen. Mead pointiert: „Die Identität als solche macht die menschliche Gesellschaft möglich” (Mead 1968: 286)

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  35. Die legitime Unterscheidung zwischen Geist und Körper ist die zwischen gesellschaftlichen Verhaltensweisen und denen des Organismus selbst“ (Mead 1968: 230 Fn)

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  36. Es gibt keinen allgemeinen Parallelismus zwischen der Welt und dem Gehirn“ (Mead 1968: 156) „Unter einem sozialen Objekt verstehe ich einen Gegenstand, welcher auf alle Teile der komplexen Handlung bezogen ist, wenn auch diese Teile in dem Verhalten verschiedener Individuen zu suchen sind. Das Ziel (the objective) der Handlung liegt also in dem Lebensprozeß der Gruppe und nicht allein in dem der einzelnen Individuen” (Mead 1969: 84). Soziale Objekte sind Personen im soeben beschriebenen Sinn, aber auch Rollen, Institutionen, überindividuelle Beziehungen zwischen Gruppen, Nationen usw. Sie lassen sich, wenn nach ihren wahrnehmbaren Eigenschaften gesucht wird, auf gleiche Weise wie natürliche Objekte allein auf der Basis der Reaktionen des rezipierenden Organismus erfassens. Mead postuliert eine Analogie zwischen natürlichen und sozialen Objekten, die allerdings erst denkbar wird unter der Voraussetzung einer Herausbildung der sozialen Identität des Menschen als körperliche (symbolische) Repräsentanz des Sozialen: „Ich halte es für folgerichtig, diesen Parallelismus zwischen dem sogenannten `physischen’ Objekt gegenüber dem Organismus und dem gesellschaftlichen Objekt gegenüber der Identität anzuerkennen. Das ME entspricht ganz eindeutig allen jenen Reaktionen, die die uns umgebenden Objekte in uns auslösen. Alle diese Objekte lösen in uns Reaktionen aus und diese Reaktionen machen die BEDEUTUNG oder das Wesen der Objekte aus“ (Mead 1968: 327).

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  37. Diese anderen lebenden Formen in der Kategorie, zu der der Organismus gehört, können soziale Objekte genannt werden, und es gibt sie noch vor dem Selbst“ (Mead 1977: 9)

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  38. Zur Bekräftigung dieser Behauptung kann folgende Textstelle dienen: „ (Das Phänomen der) Kontrolle des Objektes über dig Handlung ist uns ausreichend vertraut. Gerade weil das Objekt die Form der Handlung ist, steuert es als solches die Ausführung der Handlung…. Die Konturen des Objekts determinieren die Organisation der Handlung… (es) stellt schon die bloße Existenz des Objektes seine Kontrolle über die Handlung sicher“ (Mead 1969: 97; Hv. D.H.)

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  39. Die Objekte der Sozialwissenschaft „sind Objekte der Umwelt, der Umgebung. Sie erhalten ihre Form aufgrund von Reaktionen… Insofern es soziale Handlungen gibt, gibt es soziale Objekte; und ich meine, daß soziale Kontrolle darin besteht, daß die Handlung des Individuums mit diesem sozialen Objekt in Beziehung gebracht wird“ (Mead 1968: 961)

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  40. Zur Erläuterung des Begriffs von Komplexität, den wir Mead hier unterstellen „In dem komplexen Leben der Gruppe werden die Handlungen der Individuen allein durch die Handlungen anderer Individuen vervollständigt; dieses komplexe Verhalten ist jedoch durch die physiologische Differenzierung der verschiedenen Mitglieder der Gesellschaft vermittelt. Wie Bergson dies schon für die Instinkte festgestellt hat, finden wir das Instrumentarium, mittels dessen eine komplexe Handlung ausgeführt wird, in der differenzierten Struktur des Lebewesens. Es gibt keine überzeugenden Anzeichen dafür, daß eine Ameise oder Biene die Handlung einer anderen Ameise oder Biene antizipieren muß, indem sie tendenziell so reagiert wie andere, um ihre Aktivität in die gemeinsame Handlung integrieren zu können… Wenn wir erfolgreich mit anderen kooperieren wollen, so müssen wir in irgendeiner Weise ihre fortlaufenden Handlungsakte in uns selbst aufnehmen, damit es zu einer gemeinsamen Handlung kommen kann“ (Mead 1969: 83 )

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  41. Mit dieser Fragestellung ist, was nicht verheimlicht werden soll, ein wahrhaft unübersehbares und unübersichtliches Feld philosophischer Gedankenarbeit und geistiger Auseinandersetzungen angesprochen. Einige für diese Diskussion bedeutsame Schriften sind: Frege 1892, Wittgenstein 1914–18 und 1945, über Ogden/ Richards 1923, Carnap 1928, Stem 1931 bis Eco 1985

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  42. Der gesellschaftliche Prozeß „kann die neuen Objekte in der Natur nur insoweit schaffen, als er die Kommunikation zwischen den betreffenden Organismen ermöglicht Er ist für diese Objekte — tatsächlich für die Existenz der ganzen Welt der Objekte des gesunden Menschenverstandes — in dem Sinne verantwortlich, daß er ihre Abstraktion aus der Gesamtstruktur der Ereignisse bestimmt, konditioniert und ermögliche als Identitäten, die für das tägliche gesellschaftliche Verhalten relevant sind. Insofern existieren sie nur im Hinblick auf dieses Verhalten“ (Mead 1968: 119)

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Hülst, D. (1999). George Herbert Mead — Behavioristische Theorie des Symbols. In: Symbol und soziologische Symboltheorie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99876-7_6

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