Zusammenfassung
Vielleicht haben ja nicht nur „die Parteien“, wie H. M. Enzensberger meint, „eine falsche Definition von Politik“ (1991, S. 230); vielleicht sind es weit mehr Zeitgenossen, die immer noch — so U. Beck — „das Politische am falschen Ort suchen“ (1993. S. 157), etwa in der „offiziellen“ bzw. „Politiker-Politik“, entsprechend einem etatistischen, also strikt am Staat orientierten und auf ihn konzentrierten Politikbegriff. Und vielleicht macht sich entsprechend in der zum „Wort des Jahres 1992“ gekürten „Politikverdrossenheit“ ja auch nicht nur der Verdruß über eine sogenannte „politische Klasse“ Luft, die nach v. Weizsäckers polemischer Analyse „machtversessen auf den Wahlsieg und machtvergessen bei der Wahrnehmung der inhaltlichen und konzeptionellen politischen Führungsaufgabe“ ist (1992) oder — so E. Epplers gleichsinnige Diagnose — Politik zur „politics without policy“- Politik hat verkommen lassen (1992, S. 80) oder — dies endlich H.-E. Richters bitterböse Realsatire — nicht einmal das politische Geschäft der „ars corrumpendi“ beherrscht (1989, bes. S. 78 f.); vielleicht reagiert die mit der Konjunkturvokabel „Politikverdrossenheit“ umschriebene Stimmungslage auch auf weit Elementareres und Folgenreicheres: etwa auf die irritierende Erfahrung einer zunehmenden „Entpolitisierung der Politik“, die so lange irritierend bleiben muß, als sie nicht als das begriffen wird, was sie nach Beck ist, nämlich die dialektische Kehrseite einer „Repolitisierung der Politik“ in Form ihrer „subpolitischen“ Verflüssigung bzw. „Dezentralisierung“ (1986, S. 357 ff.; 1993, S.149 ff.). Der unstrittige Verlust des „Politikmonopols von Politik“ jedenfalls — macht man sich diese dialektische Sichtweise zu eigen — muß nicht notwendig ein Verlust des Politischen schlechthin bedeuten1, er kann auch als Indiz einer „Transformation des Politischen“ (Meyer 1994) oder gar „(Neu-)Erfindung des Politischen“ (Beck 1993) gelesen werden, die dem Politischen zur „Selbstorganisation“ verhilft und die in dem Maße zu „einem Stück eingelöste Utopie“ werden könnte (ebd. S. 216), als die „Subpolitisierung der Gesellschaft“ entlang ihrem systemischen Differenzierungsgrad die normative Idee einer partizipatorischen Politik in Form einer „differentiellen Politik“ zu realisieren verspräche (ebd., vgl.1986, S. 311 ff., 368 ff.).
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Kopperschmidt, J. (1995). Zwischen politischer Rhetorik und rhetorischer Politik. In: Kopperschmidt, J. (eds) Politik und Rhetorik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99817-0_1
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