Zusammenfassung
Diesen Ausführungen liegen außer kommunikations- auch organisationswissenschaftliche, system- und regelungstheoretische Annahmen als Bezugsrahmen zugrunder. Einer solchen Fundierung bedarf es, sollen die Konstituenten von Medien-und Journalismusethik, d.h. der Verpflichtung des Medien- und Journalismushandelns auf sittlichen Prinzipien, nicht einmal mehr unter Verbandsrhetorik und sonstigen Leerformeln zugeschüttet werden. Zu diesen Konstituenten gehören nämlich ebenso bestimmte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, unter denen sich eine solche Ethik realisieren soll, wie die Medien-Organisationsrationalität und journalistische Routinen als ethikrelevante organisatorische bzw. berufskulturelle Strukturen. In diesen realisiert sich eine solche Ethik gemäß Regelhaftigkeiten der moralischen Selbstverpflichtung, wie sie eben von der Organisationswissenschaft und der Regelungstheorie erkannt worden sind. Nichts ist ja der wissenschaftlichen Erhellung von Medien und Journalisten abträglicher, als wenn diese isoliert betrachtet werden, als Sonderfall, wie sie sich selber gerne sehen, statt im Vergleich mit anderen Organisationen und Berufen. Und nur auf dieser Basis ist eine sachgerechte Abschätzung der Möglichkeiten und Grenzen ethischer Selbstverpflichtung von Journalisten und Medien überhaupt möglich.
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Literatur
Ferner stellt dieser Beitrag in mancher Beziehung eine Fortsetzung früherer Studien des Verfassers zum Themenkomplex Medien-und Journalismusethik dar. Namentlich: Publizistische Ethik und gesellschaftliche Realität, in: Communicatio Socialis 1. Jg. (1970), H.3, S. 24–39; Journalismus-und Medienethik: Möglichkeiten und Grenzen ethischer Selbstverpflichtung, in: Media Perspektiven 1984, H.1, S. 21–32; Konstituenten einer Medien-und Journalismusethik. Zur Theorie von Medien-und Journalismus-Regelungssystemen, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 30. Jg. (1986), H.1, S. 21–45; Journalistische Ethik im elektronischen Zeitalter — eine Chimäre?, in: Lutz Erbring et al. (Hrsg.), Medien ohne Moral. Berlin 1988, S. 267–283. Auf diese und dort bereits angeführte Belege wird nicht mehr explizit verwiesen.
Jürgen Wilke: Journalistische Berufsethik in der Journalistenausbildung, in: ders. (Hrsg.), Zwischenbilanz der Journalistenausbildung. München 1987, S. 235.
Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a.M. 1984. S. 601ff.; ders.: Soziologische Aufklärung. Opladen ‘1971, S. 92–112.
Kurt Lüscher/Michael Wehrspaun: Medienökologie: Der Anteil der Medien an unserer Gestaltung der Lebenswelt, in: Zeitschrift für Erziehung und Sozialisation 5. Jg. (1985), H. 2, S. 187–204.
Der Einfachheit halber werden auch die SRG-Medien dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugerechnet, da der Typus demokratisch kontrollierte Institutionalisierung für sie ähnlich ARD/ZDF oder ORF zutrifft.
Ulrich Saxer/Walter Hättenschwiler: Die Zukunft der schweizerischen Massenkommunikation im Lichte der Delphi-Umfrage SGKM, in: Ulrich Saxer/Matthias F. Steinmann/Walter Hättenschwiler: Materialien zur Zukunft der Massenkommunikation in der Schweiz. Bern-Stuttgart 1978, S. 213.
Ulrich Saxer: Lokalradios in der Schweiz. Schlußbericht über die Ergebnisse der nationalen Begleitforschung zu den lokalen Rundfunkversuchen 1983–1988. Zürich 1989, S. 112f., 128.
Vgl. zum Ganzen auch Manfred Rühl/Ulrich Saxer: 25 Jahre Deutscher Presserat. Ein Anlaß für Überlegungen zu einer kommunikationswissenschaftlichen Ethik des Journalismus und der Massenkommunikation, in: Publizistik 26. Jg. (1981), H.4, S. 471–507.
Ulrich Saxer: Journalistische Ethik — eine Chimäre?, in: Hans Maier (Hrsg.), Ethik der Kommunikation. Arbeiten aus dem Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Freiburg (Schweiz), Reihe Werkpapiere 17. Fribourg 1985, S. 43–52.
Ulrich Saxer (1989), a.a.O., S. 94.
Marie-Luise Kiefer: Massenkommunikation III, in: Klaus Berg/Marie-Luise Kiefer (Hrsg.), Massenkommunikation III. Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964–1985. Schriftenreihe Media Perspektiven 9. Frankfurt a.M. 1987, S. 9–261.
Eine gewisse Glaubwürdigkeitskrise der schweizerischen Presse zeichnete sich im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Bundesrätin E. Kopp ab. Sie wurde vom schweizerischen Verband der Zeitungs-und Zeitschriftenverleger immerhin als so akut empfunden, daß er eine Untersuchung der diesbezüglichen Leistung der Schweizer Presse veranlaßte (Heinz Gantenbein/Thomas Kähr/Michael Schanne• Die Medienschelte im Fall Kopp, in: SZV/ASEJ Bulletin 1989, H. 2, S. 52–62 ).
Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Köln-Berlin 1964, S. 489.
Manfred Rühl: Markt und Journalismus, in: Manfred Rühl/Jürgen Walchshöfer (Hrsg.), Politik und Kommunikation. Festgabe für Franz Ronneberger zum 65. Geburtstag. Nürnberg 1978, S. 252.
Insbesondere erhält ja das Publikum im Gefolge der Werbefinanzierung eine Informationsleistung weit unter ihrem Gestehungspreis.
Ulrich Saxer: Gefühl und Kalkül. Zielgruppenspezifische Gefühlsdramaturgie am Beispiel des Zeitschriftenjournalismus, in: Media Perspektiven 1988, H. 8, S. 511–521.
Günter Bentele: Wie objektiv können Journalisten sein?, in: Lutz Erbring et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 215f.; Christian Perzl: Die Notwendigkeit einer kritisch-rationalen, journalistischen Berufsethik in demokratisch-pluralistischen Gesellschaftsordnungen unter systemisch bedingtem, überlebensorientiertem Problemlösungsdruck. Diss. Wien 1988, S. 226f.
Bernhard Béguin: Journaliste, qui t’a fait roi? Lausanne 1988, S. 101ff; Heinz-Dietrich Fischer/Klaus Detlef R. Breuer/Hans-Wolfgang Wolter: Die Presseräte der Welt. Bonn-Bad Godesberg 1976; Manfred RühUUlrich Saxer, a.a.O.; Brigitte Weyl: Chancen freiwilliger Selbstkontrolle, in: Lutz Erbring et al., a.a.O., S. 150–161.
Vgl. u.a. die diesbezüglichen Beiträge in Medium 19. Jg. (1989), H.2.
In dieser Richtung argumentiert auch unter dem Stichwort „abgestufte Verantwortung“ Robert Speamann: Wer hat wofür Verantwortung? Zum Streit um deontologische und teleologische Ethik, in: Herder Korrespondenz 1982, S. 403–408.
Barbara Baerns: Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus? Köln 1985; René Großenbacher: Die Medienmacher. Solothurn 21989.
Altruismus gegen Werbeverbote, in: Handelsblatt vom 19.7.1989.
Vgl. z.B. das Sonderheft vom Sommer 1989 der Public Relations Review (Vol. XV, No. 2): Ethics in Public Relations oder pr magazin 1989, H.8, S. 1–3; ferner Michael Ryan: Organizational Constraints on Corporate Public Relations Practitioners, in: Journalism Quarterly vol. 64, No. 2/3 (Summer/Autumn 1987 ), S. 473.
Thesen des Fribourger Arbeitskreises für die Ökonomie des Rundfunks zum Thema „Unternehmenskultur and Marketing von Rundfunk-Unternehmen“, in: Ulrich Saxer (Hrsg.), Unternehmenskultur and Marketing von Rundfunk-Unternehmen. Beiträge zur Rundfunk-ökonomie 3. Stuttgart-Berlin-Köln 1989. S. 18.
Vgl. Anmerkung 24.
Als Beispiele für viele andere vgl. u.a.: Two codes of ethics for sports journalists (Bruce Garrison/Mark Sabljak: Sports Reporting. Ames (Iowa), S. 240): „All favors stem from the simple fact that those with a money at stake in attendance crave (and need) publicity. As a result, sports editors are placed in awkward situations — judging news on merit and also simultaneously being placed under pressure for space and placement above merit. The great majority of self-respecting sports editors had their reputations sullied by the transgressions of those few who have demanded special favors, gifts and treatment, etc. The guidelines to follow are designed to place rational limits on favors or special treatment.“
Wilhelm L. Rivers/Wilbur Schramm: Responsibility in Mass Communication. New YorkEvanston-London 21969.
-1985 war z.B. der Deutsche Presserat aus diesem Grunde handlungsunfähig, während wachsende interne Gegensätze oder Spannungen zur Umwelt gewöhnlich die ethische Selbstverpflichtung der Organisationen gerade verstärken. Zusätzliche Richtlinien über die organisationsgemäße publizistische Behandlung ethischer Konfliktmaterien werden ja dann erarbeitet und auch durchgesetzt.
Schweizerischer Arbeitskreis für ethische Forschung: Protokoll der Sitzung vom 27. Mai 1989 an der Universität Zürich, S. 2.
Hans Geser: Organisationen als moralische Akteure, in: Arbeitsblätter für ethische Forschung 1989, H. 1, S. 28.
Ulrich Saxer: Publizistikwissenschaft als Studienrichtung — Journalismus als Beruf, in: Heinz Bonfadelli/Ulrich Saxer: Publizistikwissenschaft in Universität und Journalismus. Diskussionspunkt 14 des Seminars für Publizistikwissenschaft der Universität Zürich. Zürich 1987, S. 93ff.
Hans Geser (1989), a.a.O., S. 34.
Philip Meyer: Ethical Journalism. New York-London 1987, S. 124.
Gaye Tuchman: The exception proves the rule. The study of routine new practices, in: Paul M. Hirsch/Peter V. Miller/Gerald F. Kline (Hrsg.), Strategies for Communication Research. Beverly Hills-London 1977, S. 43–62.
Vgl. auch Siegfried Weischenberg: Investigativer Journalismus und ‘kapitalistischer Realismus’, in: Rundfunk und Fernsehen 31. Jg. (1983), H. 3–4, S. 349–369.
Renate Köcher: Spürhund und Missionar. Eine vergleichende Untersuchung über Berufsethik und Aufgabenverständnis britischer und deutscher Journalisten. Diss. München 1986; Siegfried Weischenberg: Der enttarnte Elefant. Journalismus in der Bundesrepublik - und die Forschung, die sich ihm widmet, in: Media Perspektiven 1989, H.4, S. 227–239.
Vgl. Anmerkung 21.
Manfred Rühl/Ulrich Saxer, a.a.O., S. 499.
Jürgen Wilke: Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten. Berlin-New York 1984, S. 13ff.
Vgl. Günter Bentele: Objektivität und Glaubwürdigkeit von Medien. Eine theoretische und empirische Studie zum Verhältnis von Realität und Medienrealität. MS. Habilitationsschrift. Berlin 1988, S. 62ff.
Vom Obergericht des Kantons Zürich wurde im Zusammenhang mit einer Klage gegen einen kritischen Bericht des „Zürcher Oberländers“ über Transkei die Publikation eines Agenturberichts ohne eigene Nachrichtenrecherche als zulässig erklärt, „da die damalige Agentur DDP als normal verläßliche Nachrichtenagentur beurteilt wird und das Bild, das im Artikel von dem südafrikanischen Homeland zum Ausdruck kommt, in der Bandbreite der Berichterstattung der übrigen Medien liege.” (Neue Zürcher Zeitung vom 27. Juli 1989, S. 39). Andererseits zeigt sich im Falle der Katastrophenberichterstattung, daß diese Quellen dann, unter dem Druck der Aktualität und infolge der noch unstrukturierten Situation, die alte Agenturnorm des „Get it first, but first get it right“ häufig mißachten (Michael Haller: Wie wissenschaftlich ist Wissenschaftsjournalismus?, in: Publizistik 32. Jg. (1987), H.3, S. 309).
Hans Mathias Kepplinger: Wertewandel und Information. Thesen zur Paneldiskussion anläßlich der 91. ordentlichen Generalversammlung des Schweizerischen Verbandes des Zeitungs-und Zeitschriftenverleger am 23. September 1988 in Luzern.
Günter Bentele: Wie objektiv können Journalisten sein?, in: a.a.O., S. 215.
Edward Bassett: Television and Print Ethics: Different Strokes?, in: Doug Ramsey/Dale Ellen Shaps (Hrsg.), Journalism Ethics: Why Change? Los Angeles-Washington-New York 1986, S. 42f.; Christian Doelker: „Wirklichkeit“ in den Medien. Zürcher Beiträge zur Medienpädagogik. Zug 1979, S. 123ff.
Ulrich Saxer et. al.: Massenmedien und Kernenergie. Journalistische Berichterstattung über ein komplexes, zur Entscheidung anstehendes, polarisiertes Thema. Bern-Stuttgart 1986, S. 218ff.
Bernard Béguin, a.a.O., S. 132f.
Von der Journalismusethik auch nicht systematisch vertieft sind jene Normen, die sich auf die Verhältnismäßigkeit von Thema und Präsentation beziehen. Auch diese bleiben weitgehend implizit; in erster Linie werden kasuistisch Verstöße dagegen bzw. gegen den unartikulierten diesbezüglichen berufskulturellen Teilkonsens unter Etiketts wie „Sensationalismus“ beanstandet. Dieser hat im übrigen längst das Getto des Boulevardjournalismus gesprengt und sich seit längerem vor allem auch im journalistischen Betroffenheits-und Besorgnisvokabular eingenistet, wo bald jedes Giftfaß zur „Zeitbombe” wird.
Stephan Ruß-Mohl: Learning by doing?, in: Lutz Erbring et al. (Hrsg.), a.a.O., S. 177f.; Brigitte Weyl, a.a.O., S. 156.
Antoine Bosshard: Alarmschreie aus Genf, in: Telex 1988, Nr. 1, S. 27f.
Stephan Ruß-MohlBerthold Seewald: Vorwort, in: Lutz Erbring et al., a.a.O., S. 10.
Hans Mathias Keppliner/Hans-Bernd Brosius: Das deplazierte Drittel. Eine empirische Untersuchung über den Einfluß subjektiver Überzeugung auf die Tendenz der Nachrichtenauswahl von Wirtschaftsredakteuren und politischen Redakteuren. MS. Mainz 1986; Hans Mathias Kepplinger: Voluntaristische Grundlagen der Politikberichterstattung, in: Frank E. Böckelmann (Hrsg.), Medienmacht und Politik. AKM-Studien 30. Berlin 1989, S. 62ff.
Hans Mathias Kepplinger/Hans-Bernd Brosius, a.a.O., S. 23.
Vgl. u.a. Siegfried Weischenberg (1989), a.a.O., S. 232.
Vgl. Anmerkung 31.
Wolfgang Donsbach: Legitimationsprobleme des Journalismus. Gesellschaftliche Rollen der Massenmedien und berufliche Einstellung von Journalisten. Alber-Broschur Kommunikation, Bd. 11. Freiburg-München 1982; Sandra Braman: Public Expectations of Media versus Standards in Codes of Ethics, in: Journalism Quarterly, vol. 65, No. 1 (Spring 1988), S. 71–77.
Hans Geser: Interorganisationelle Normkulturen. Vortrag an der Plenarsitzung „Organisationskultur“ des deutsch-österreichisch-schweizerischen Soziologentages, Zürich, 4.-7. Oktober 1988, S. 8.
Als Beispiel für unzählige mag das folgende eines Kolumnisten der Chicago Tribune stehen, der bündig formulierte: „If you go to a journalism seminar, if you hear learned professors and pompous editors debate the ethics and morals of modern journalism, you get the wrong idea. This stuff has nothing to do with breaking the story and getting it into the paper. There are only two rules of real reporting: get the story and get it out. All the rest is up to private conscience.“ (Jeff Greenfield: Ethics: for Whimps Only?, in: Doug Ramsey/Dale Ellen Shaps (Hrsg.), a.a.O., S. 48.
Hans Mathias Kepplinger/Inge Vohl: Professionalisierung des Journalismus? In: Rundfunk und Fernsehen 14. Jg. (1976), H. 4, S. 309–343.
Rilla Dean Mills: Newspaper Ethics: A Qualitative Study, in: Journalism Quarterly vol. 60, No. 4 (Winter 1983 ), S. 602.
Bernard Béguin, a.a.O., S. 145.
Hier bietet vor allem die amerikanische Literatur mannigfaltige Anregungen, z.B. Clifford G. Christians/Kim B. Rotzoll/Mark Fackler: Media Ethics. Cases and Moral Reasoning. New York-London 21987.
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Saxer, U. (1992). Strukturelle Möglichkeiten und Grenzen von Medien-und Journalismusethik. In: Haller, M., Holzhey, H. (eds) Medien-Ethik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99816-3_9
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