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Die NIKOL — Konzeption — Empirische — Literaturwissenschaft (NELW)

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Verstehen als Konstruktion

Part of the book series: Konzeption Empirische Literaturwissenschaft ((KEL,volume 16))

  • 147 Accesses

Zusammenfassung

Nachdem nun im vorigen Kapitel der Radikale Konstruktivismus dargestellt und diskutiert wurde, gilt in den folgenden Abschnitten das Interesse der Ausarbeitung einer Literaturwissenschaftskonzeption vor diesem Hintergrund. Wie in der Einleitung schon angedeutet, handelt es sich dabei um die NIKOL-Konzeption-Empirische-Literaturwissenschaft (NELW), die “als bewußte Alternative zu vorhandenen literaturwissenschaftlichen Konzepten” (Schmidt, 1984,306; Hervorh. i.T.) auftritt und damit den von den radikalen Konstruktivisten intendierten Perspektivwechsel in der Fragestellung auch für sich in Anspruch nimmt. Dies bedeutet nichts weniger, als daß die NELW nicht nur bisher konzipierte Theorien der Literaturwissenschaft reformieren, sondern selbst als neues Paradigma literaturwissenschaftlichen Forschens verstanden werden will.

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Literature

  1. Den angestrebten Paradigmawechsel durch den Konstruktivismus dokumentiert auch folgendes Zitat: “In seinem reinen, radikalen Sinne ist der Konstruktivismus unvereinbar mit dem traditionellen Denken” (Watzlawick,1981a,15). Zur historischen Darstellung des Paradigmawechsels durch den umfassenderen Begriff der Selbstorganisation vgl. Krohn/Küppers/Paslack (1987).

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  2. Spätestens seit Jauß (1970) mit der Rezeptionsästhetik einen ‘Paradigmawechsel’ beanspruchte, schien der Begriff für literaturwissenschaftliche Grundlagenstudien unumgehbar. Ob aber die Rezeptionsästhetik mit der Berücksichtigung der “bedeutungskonstitutiven Funktion des Lesers für den literarischen Text” (Iser,1976,39) tatsächlich in paradigmatische Konkurrenz zur Hermeneutik getreten ist, wird, zumindest von Vertretern einer empirischen Literaturwissenschaft, in Frage gestellt. Vgl. Groeben,1982a,266: “(Die Rezeptionsästhetik) bindet sich, obwohl sie von einem ‘Paradigmawechsel’ spricht ..., über die Konzeption des ‘ impliziten Lesers’ ... wieder in die hermeneutische Interpretationsmethodik ein. ” Ob aber Groeben seinerseits mit seinem ‘ Empirisierungsprogramm’ in paradigmatische Konkurrenz zur Hermeneutik tritt, wird weiter unten diskutiert. Einen unüberwindbaren Widerspruch zwischen Rezeptionsästhetik und ‘ kognitivem Konstruktivismus’ scheint Groeben jedenfalls nicht zu sehen: “Dieses von der empirischen Psychologie der Textrezeption und -verarbeitung aus elaborierte Subjektmodell (des kognitiven Konstruktivismus sensu Groeben,M.F.) stimmt im Prinzip nahtlos mit dem in der literaturwissenschaftlichen Rezeptionsästhetik entwickelten Modell des (literatischen) Lesers überein” (Grceben/Vorderer,1986,136). Zum Stellenwert des Paradigmabegriffs in der Literaturwissenschaft siehe auch Bayertz,1981,107: “Der Paradigma-Begriff, insbesondere in der Verbindung Paradigma(wechsel), wird in den zitierten Zusammenhängen (Bayertz bezieht sich auf Jauß (1970), Groeben (1972) und Göttner (1979), M. F.)... weniger deskriptiv als präskriptiv oder besser vielleicht: proklamatorisch gebraucht.”

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  3. Vgl. auch Schmidt,1982c, 5: “Seitdem Th.S. Kuhn den Paradigma-Begriff in der Wissenschaftsgeschichte eingeführt hat, ist er in verschiedenen anderen Wissenschaften, so auch in der Literaturwissenschaft, ziemlich assoziativ aufgegriffen worden; viele vage neue Konzepte gaben sich gleich als neues Paradigma aus.”

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  4. Zu dem Begriff ‘ Methodenrevue’ vgl. Link,1974,14: “Die ‘ Methoden’ -(besser gesagt: Theorien)’revue’ leidet ihrerseits unter zwei prinzipiellen Mängeln: sie leistet zum einen in den seltensten Fällen den Schritt zur Applizierbarkeit der referierten ‘Methoden’ und verschließt häufig zum anderen jeden möglichen Ausblick auf ein globale, wissenschaftliche Literaturtheorie durch das Dogma vom ‘ Methodenpluralismus’, nach dem die einzelnen Methoden angeblich je einen einzelnen Aspekt des Werkes, aber nicht das Ganze adäquat erschließen.” Zur Kritik einiger ‘Standard-Methodenrevuen’ vgl. Flacke,1984a,42–45.

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  5. Hier nur ein Beispiel von vielen möglichen. J. Strelka spricht in Bezug auf den literarischen Text von einem “ästhetische(n) Phänomen sui generis” (Strelka, 1978,6), dem, beispielsweise durch empirische Forschung, eine völlig gegenstandsfremde und — inadäquate Methodologie aufgezwungen würde.

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  6. Als Beleg hier nur die schon ‘klassische’ Feststellung Poppers im sog. ‘Positivismusstreit in der deutschen Soziologie’ :“Die Erkenntnis beginnt nicht mit Wahrnehmungen oder Beobachtungen oder der S ammlung von Daten oder von Tatsachen, sondern sie begi nnt mit Problemen. Kein Wissen ohne Pro b leme — aber auch kein Problem ohne Wissen” (Popper,1978,104; Hervorh.i.T.).

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  7. Vgl. auch Hauptmeier,1981, 568: “. ..; it is just a characteristic feature of scientific revolutions that the world before and after a revolution has taken place are completely different worlds. ”

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  8. Zum Paradigmawechselanspruch der NELW vgl. auch Hauptmeier,1981, 572: “. .. an example for a Kuhnian paradigm-change in the study of literature is given by the empirical science of literature propounded by Schmidt (1980), ... in so far as the central goals of the scientist consists of an empirical investigation of literary actions, not of textual comprehension. ”

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  9. Schönert bezieht sich hier auf Schmidt (1982), wo unterschiedliche literaturwissenschaftliche Fragestellungen im Rahmen der NELW rekonstruiert werden.

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  10. Vgl. auch Schönert,1985,7: “... gebe ich (Schönert,M.F.) mich konservativ und halte zunächst fest an der althergebrachten Dominanz des Literaturparadigmas. ”

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  11. Vgl. Schönert,1985,7: Die “Auslegung literarischer Texte kann ... verstanden werden als ein Aktionsbereich systemerhaltender Selbstreferenz im gesellschaftlichen Handlungssystem Literatur. ” Als ‘Verständigungshandlungen’ in diesem Aktionsbereich nennt Schönert dann u.a. ‘ Traditionsbewahrung’, ‘Einführung von Innovationen’, ‘Identitätsbildung’ (vgl. ebd.).

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  12. Fricke nennt beispielhaft einige Standardfragen (vgl. Fricke,1984,43). Bei deren Lektüre, z.B.: “Warum wurden (und werden) Dichter verfolgt? ” (ebd.) kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als könnten sie erst im Paradigma der anwendungsorientierten NELW eine Antwort finden, da es ja wohl um Handlungen im Literatursystem, nicht aber um ‘reine Verstehensprozesse’ geht.

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  13. Vgl. Groeben (1972) und (1977). Zur Auseinandersetzung zwischen Groeben und Vertretern der NELW hinsichtlich eines Paradigmawechsels in der Literaturwissenschaft vgl. Hauptmeier (1981). Zur Kontroverse hinsichtlich des Verstehensbegriffs vgl. Schmidt/Groeben (1989).

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  14. Welche ‘Veränderungen der theoretischen Frage- und Problemstellungen’ Groeben hier meint, geht aus dem Text nicht hervor. Verändert werden lediglich, unterBeibehaltung des Interpretationsproblems, die Methoden.

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  15. Die Frage, ob es sinnvoll ist, einerseits Kuhns Paradigmawechsel für sich zu beanspruchen, andererseits auch auf Stegmüllers ‘Rettung der Rationalität’ zu beharren (im Hinblick auf eine Kontinuität der Problemstellungen), scheint Groeben sich nicht zu stellen.

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  16. Bereits hieran wird deutlich, “that Groeben does not claim that interpretation itself is a crisis-laden enterprise, but solely the methods of textual interpretation. Thus, the starting-point of his empirization program is unequivocally aimed at a shift in method, not a replacement of the traditional object domain” (Hauptmeier,1981,567). Grundsätzliche Kritik anGroebens Unterscheidung zwischen theoriezentriertem und methodenzentriertem Vorgehen liefert Steen: “I (Steen,M.F.) do not believe that Groeben’s ... distinction between theoretical or methodological priority is very revealing in actual practice, for neither theory nor method can be ignored in doing empirical work” (Steen,1989,122).

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  17. Vgl. Groeben,1985,119: “Im Bereich der Psychologie hat auf diese Art und Weise (als ‘ Einheitstheorie’, M. F.) m. (Groebens, M. F.) E. z.B. die behavioristische Verhaltenstheorie entwicklungsdestruktiv gewirkt, sei es nun in der Variante einer axiomatisierten und formalisierten neo-behavioristischen Theorie von Hull ... oder der funktional-deskriptiven Variante von Skinner ... ” Groeben erläutert diese wissenschaftshistorische Aussage nicht weiter. Sieht man sich aktuelle Lehrbücher der Psychologie an, so bleibt festzustellen, daß die Psychologie ohne die konstruktiven Impulse des Behaviorismus heute vielleicht immer noch unter den hemmenden Einflüssen der Psychoanalyse — einer weiteren Einheitstheorie — leiden würde.

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  18. Bei diesem Einwand scheint mir erneut das Dogma von der Gegenstandsadäquatheit eine Rolle zu spielen. Wenn Groeben feststellt, “daß eine gegenstandsangemessene theoretische Modellierung unvermeidbar aus dem handlungstheoretischen Rahmen herausführt und damit die Einheitlichkeit dieser Theorie sprengt bzw. ad absurdum führt” (Groeben,1985,130), dokumentiert dies wohl nur, daß seines Erachtens ein literarischer Text von sich her eine spezifische Modellierung fordert. Genau dies ist auch die Meinung der Hermeneutiker.

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  19. Vgl. Schmidt,1982c, 6, wo die genannten ‘Kuhnschen Koordinaten’ knapp erläutert werden: “ (a) symbolische Verallgemeinerungen (Fachsprache) (b) Modelle (bevorzugte Analogien und Metaphern) (c) Werte (metatheoretische Orientierungen) (d) Musterlösungen (exemplarische Problemlösungen). ” Siehe auch die Darstellung bei Kuhn,1962,194–199.

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  20. Vgl. Hauptmeier,1981, 564: “Symbolic generalizations and exemplars are in my (Hauptmeiers,M.F.) opinion not very significant entities for a description of the study of literature, as the former are rather uncommon to this disciplin, and as the latter imply homogeneously trained scholars and normal science. ”

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  21. Vgl. auch Finke,1986,130: “. .. das wissenschaftstheoretische Argument N. Groebens, neue Paradigmata sollten stets die Leistungen der alten einschließen, ist unbegründet: Wichtiger ist, daß neue Paradigmata neue Leistungen erbringen, zu denen die alten nicht fähig waren. ” Auch Schmidt wirft Groeben vor, mit dieser Forderung den ‘Witz’ des Paradigma-Konzepts zu übersehen: “Warum sollten Forscher in einem neuen Paradigma Probleme lösen, die sie aufgrund gewandelter Konstruktionsbedingungen für falsch oder irrelevant halten oder die sie gar nicht mehr verstehen (können) ” (Schmidt,1984,309)?

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  22. Groebens Unterfangen, empirische Konkretisationserhebungen mit material- objektiven Verfahren der Textbeschreibung zu kombinieren, kann zwar als empirischer Methodologisierungsversuch verstanden werden. Allerdings muß er sich dann auch die Standardkritik an Linguistisierungs- oder Mathematisierungsversuchen gefallen lassen. So sieht Hauptmeier es als “a positivist program on the level of methods” (Hauptmeier,1981, 580).

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  23. Vgl. Martindale,1988,211: “I am in complete agreement with the Siegen group concerning the desirability of the establishment of an empirical science of literature. I disagree with Schmidt (1982) and his colleagues as to how this should be done. ”

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  24. Vgl. Martindale,1988,211: “The idea that producing literature is a communicative act is also far to restrictive. Text often resemble dreams more than communications.”

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  25. Martindale,1988,213: “If a questions is meaningful, it is by definition an empirical question. ”

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  26. Vgl. Martindale,1988,233: “Kuhn ... caused great confusion among philosophers of science with his implication that successive scientific paradigms are logically incommensurate. This assertion is pure nonsense . . . ”

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  27. Vgl. Martindale,1988,226: “No specific epistemological position flows naturally from Maturana’s theory. Depending upon what further assumptions we make, the theory is consistent with virtually any except the naive realist position. ” Diese — meiner Meinung nach — falsche Deutung Maturanas zeigt sich auch bei Martindales weiteren Ausführungen, z.B. zu den Sinnesorganen: “We cannot know external reality directly but only as it is conditioned or presented to us by our senses” (a.a.0.,225). Gerade diese ‘sinnesphysiologische Perspektive’ wird durch Maturanas Theorie autopoietischer Systeme in Frage gestellt. Vgl. oben, Abschnitt 2.3.2.

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  28. Vgl. hierzu auch Odorics’ Artikel über das Problem, die NELW als neues Paradigma zu etablieren. Sicherlich trifft folgende Bemerkung zu: “It is easy to see that the theory-making community’s self-declaration act is a necessary, but not sufficient condition for a theory to become a paradigm” (Odorics,1989,151).

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  29. Dies bedeutet ebenfalls nicht, daß Maturanas Theorie als “Beispiel für unkritischen Pluralismus” (Scheman,1988,852) angesehen werden muß. Scheman führt weiter aus: “Wenn man wie Maturana eine nicht hierarchisierbare Vielzahl kognitiver Bereiche behauptet, dann beraubt man die moderne Erkenntnistheorie einer ihrer Stützen ... Maturanas unkritischer Pluralismus hält den Versuch oder auch nur den Wunsch für reaktionär, anders als nur situativ zwischen konkurrierenden Erkenntnistheorien zu wählen” (a. a. O., 852f.). Daß man aber situativ, d.h. aufgrund von Gründen, Interessen etc. wählen kann und nicht aufgrund einer vermeintlich ‘ objektiven’ erkenntnistheoretischen Instanz politische Herrschaftstrategien legitimiert, scheint mir eher ein Beispiel für kritischen Pluralismus zu sein.

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  30. Vgl. auch Hauptmeier/Schmidt,1985,59: “ (Autopoietische Systeme) erzeugen erst in ihrem Handeln ihre Welten. Bezogen auf literaturtheoretische Überlegungen heißt dies, daß ‘ literarische Phänomene’ immer nur durch das Verhalten konkreter Subjekte geschaffen werden. ” Zu einer ähnlichen ‘handlungstheoretischen’ Grundlegung der Literaturwissenschaft vgl. auch Nierlich,1983,187f.: “... soll es bei meiner (Nierlichs,M.F.) Theoriekonstruktion des Literatischen um einen ‘ Paradigmenwechsel’ von einer beschreibenden Theorie des literarischen Textes oder der Kommunikation mit Texten und über Texte zu einer ... erklärenden Theorie öffentlicher und indirekt-kommunikativer Gemeinschaftshandlungen gehen, von der ich der Kürze wegen fortan als von einer Theorie öffentlich-medialer Gemein_schaftshandlungen sprechen werde” (Hervorh. i . T.) .

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  31. Vgl. hierzu Hauptmeier/Schmidt,1985, 11, wo die Explikation dieser Voraussetzungen als ‘wissenschaftskommunikative Notwendigkeit’ bezeichnet wird.

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  32. Vgl. auch Hauptmeier/Schmidt,1985,12: “Wissenschaftliches Handeln betrachten wir ... als eine Form sozialen Handelns” (Hervorh.i.T.).

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  33. Genannt sei hier nur Luhmann (1984), mit dessen Namen die Konjunktur der ‘ Systemtheorie’ in der deutschen Sozialwissenschaft eng verknüpft ist. Zu Luhmanns Aufnahme der ‘Theorie autopoietischer Systeme’ und deren Anwendung — im Rahmen einer allgemeinen Systemtheorie — auf das Kunstsystem vgl. Luhmann,1984a, 52: “Das Thema der folgenden Überlegungen bezieht sich ... auf das soziale System des Herstellens und Erlebens von Kunstwerken (Kunstsystem) . ”

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  34. Vgl. auch Luhmanns Charakterisierung des Gesellschaftssystems: “Es fällt nicht schwer, im Anschluß an diese Theorie (die Theorie autopoietischer Systeme,M.F.) das Gesellschaftssystem als autopoietisches System zu definieren. Es besteht aus Kommunikationen, die durch die Kommunikationen, aus denen es besteht, ermöglicht und reproduziert werden. Was als Einheit einer Kommunikation angesehen und behandelt wird, kann nicht durch die Umwelt vorgegeben werden, sondern ergibt sich aus dem Zusammenhang mit anderen Kommunikationen . . . ” (Li ihmann,1984a, 51) .

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  35. Vgl. oben Abschnitt 2.5.

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  36. Vgl. auch Herwig-Lempp,1987,6: “Ein System ist kein Ding, ist nichts, was wirklich existiert, sondern es ist eine Liste von Variablen, die sich der Beobachter zusammenstellt, um etwas zu verstehen. ” Herwig-Lempp schränkt diese Definition am Ende seines Aufsatzes allerdings mit Bezug auf die Relativität aller konstruktivistischen Aussagen wieder ein: “. .. daß die provokative Behauptung, soziale Systeme würden nicht existieren, selbstverständlich auch wieder relativiert werden kann und darf. Vom konstruktivistischen Verständnis her ist es natürlich weder möglich noch notwendig, endgültige und absolute Feststellungen über die Existenz von irgendetwas (und das schließt auch soziale Systeme mit ein) zu machen” (a.a.0.,9). Luhmann demgegenüber scheint den Status von Systemen anders einzuschätzen: “Wir (Luhmann,M.F.) gehen davon aus, daß alle erkennenden Systeme reale Systeme in einer realen Umwelt sind, mit anderen Worten: daß es sie gibt” (Luhmann,1988a,13).

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  37. Zur Legitimität dieses Unterfangens auch für den allgemeinen Bereich der Kunst, vgl. Luhmann,1984a, 52: “Daß in der modernen Gesellschaft Kunst als autopoietisches Funktionssystem ausdifferenziert ist, zeigt sich besonders deutlich am Schicksal aller Versuche, traditionelle Kriterien des Schönen, Darstellungsfunktionen, ja schließlich sogar die symbolische Qualität von Kunstwerken in Frage zu stellen. ” Im folgenden zeigt Luhmann dann anhand einer Analyse des ‘ Stilbegriffs’, daß die “Doppelfunktion des Stils, einerseits die Produktion der Elemente durch die Elemente desselben Systems zu sichern und andererseits das Feld abzustecken, in dem dies geschieht, ... begrifflich genau der Definition eines autopoietischen Systems (entspricht) ” (a.a.0.,63).

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  38. Vgl. auch Viehoff,1988,22: “Das Kommunikat ist eine literarisch sinnvolle Repräsentation der materialen Kommunikatbasis in der Wissensstruktur des Rezipienten” (Hervorh.i.T.).

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  39. Ich betone dies hier, um nochmals die Fragwürdigkeit des von den Hermeneutikern betonten ‘Dogmas der Gegenstandsadäquatheit’ herauszustellen und um zu verdeutlichen, daß die Vertreter der NELW mit einer ‘vom Gegenstand geforderten Untersuchungsmethode’ nichts zu tun haben. Vgl. hierzu auch v. Foersters Diktum zur Objektivität: “Objectivity is a subject’s delusion that observing can be done without him” (zitiert nach Schmidt,1987b,12).

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  40. In diachronischer Perspektive bedingen Verarbeitungshandlungen natürlich erneut die Produktion. Die kreisförmige Darstellung bei Hauptmeier/Schmidt (1985, 15) trägt dem Rechnung. Diese Auflistung der Handlungsrollen macht meines Erachtens Cupchiks Kritik hinfällig. Wenn er feststellt: “...humanist tend to address the creation of literary texts while empiricists examine the reception process” (Cupchik,1988,247), übersieht er, daß ‘Literatur-Produktion’ als eigenständige Handlungsrolle im Paradigma der NELW nicht unberücksichtigt bleibt. So haben z.B. Beetz/Antos (1984) versucht, “eine literaturwissenschaftliche Teiltheorie zu konstruieren, die einen konstruktiven Prozeß — die literarische Textherstellung — zum Gegenstand hat” (Beetz/Antos,1984,90). Dabei konzentrieren sich beide Autoren auf die “Beschreibung des Handlungsmusters des literarischen Formulierens” (a. a. O., 97) und fassen die Kemaussage ihrer Theorie so zusammen: “Literarisches Textherstellen ist als Lösen von Formulierungsproblemen zu charakterisieren” (a.a.O.,108; Hervorh.i.T.). Zur Beschreibungihrer Theorieskizze rekurrieren Beetz/Antos dann auf einen der kognitiven Psychologie entlehnten Problembegriff; es scheint nicht notwendig — wie Cupchik es wohl intendiert — hinsichtlich des literarischen Produktionsvorgangs “the hermeneutic and empirical approaches ... as Siamese twins joined at the text” (Cupchik,1988,246) zu sehen.

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  41. Hauptmeiers Vorschlag, “ein fünftes Theorie-Element, ... eine Theorie Literarischer Veränderungshandlungen” (Hauptmeier, 1986, 33), einzuführen, scheint mir überflüssig. Veränderungshandlungen fallen in den Bereich der Verarbeitungshandlungen und müssen dort thematisiert werden. Andererseits erscheint es mir jedoch wünschenswert, das Problem der Veränderung von Literaturprozessen auf der Ebene der Funktionen des Literatursystems explizit zu berücksichtigen.

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  42. Eine Diskussion des Abgrenzungsproblems in Rücksicht auf Maturanas Überlegungen zum Problem der ‘Kognition’ liegt auch mit Udwin (1988) vor. Ausgehend von der Feststellung: “Das Absetzen ‘literarischer’ Sprache und ‘literarischer’ Texte von sonstiger (jedoch in besonderem Maße von wissenschaftlicher) Sprache und ebensolchen Texten ist das einzige übergreifende Interesse, welches die unterschiedlichen Ansätze im literarischen Diskurs seit dem Aufkommen des russischen Formalismus im ersten Viertel unseres Jahrhunderts vereint hat” (Udwin,1988, 858) versucht Udwin, durch Rekurs auf Maturanas Konzept der wissenschaftlichen Erklärung das Problem der Literarizität zu lösen. Nach Maturana erzeugen wir durch eine Erklärung buchstäblich die Welt, in der wir leben. Analog dazu erzeugen wir durch eine Bestimmung des Literarischen das Literarische selbst. “Nach (Maturanas,M.F.) Kognitionsmodell kennzeichnen Phoneme und Phänomene Schablonen, die den Verfahrensplan für Nervenreaktionen festsetzen. Das schließt motorische Aktivitäten ein, Perturbationsprozesse ... und das Angleichen von Rückkopplungen durch Ausprobieren neuer Verbindungen ... Alles, was über Problematisierung und Phanomenalisierung (Erzeugung von Phänomenen, M. F.) gesagt wurde, könnte ebensogut den Umgang mit Texten beschreiben” (a. a. O., 873, 875).

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  43. ‘Konvention’ wird von Hauptmeier/Schmidt (1985,203) folgendermaßen definiert: “KO ist in einer Gesellschaft G eine Konvention, in einer Situation S eine Handlung H durchzuführen genau dann, wenn es unter den Mitgliedern von G gegenseitig unterstelltes Wissen ist, daß (a) es in G einen Präzedenzfall gibt, H zu tun, oder eine Festsetzung oder Abmachung, H in der Situation S zu tun; (b) auf der Grundlage von (a) fast jedes Mitglied von G von fast jedem Mitglied von G erwartet, daß es in S H tut; (c) aufgrund von (b) fast jeder in G in S H tut. Wer gegen eine Konvention verstößt, riskiert damit Sanktionen. ”

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  44. Zentrale Aufgabe von Hintzenberg/Schmidt/Zobel (1980) war es, die poetologischen Hypothesen der NELW empirisch zu überprüfen. Genauer ging es u.a. darum, festzustellen, “obdie zur Außen-Innen-Differenzierung des Systems Literarischer Kommunikationshandlungen postulierte ÄL-Konvention (Ästhetik-Konvention,M.F.) sich tatsächlich in der gegenwärtigen Gesellschaft der BRD nachweisen läßt” (a.a.O.,20).

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  45. Zur Analyse der Polyvalenz-Konvention hinsichtlich literarischer Verstehensprozesse vgl. Meutsch/Schmidt (1985), wo u.a. auch “eine empirische Prüfung der Relevanz der Polyvalenzkonvention, wie sie in der empirischen Theorie der Literatur expliziert wird” (a.a.O.,381), vorgenommen wird. Zur Auseinandersetzung über ein ‘schwache’ Polyvalenzhypothese sensu Groeben und eine ‘starke’ Polyvalenzhypothese sensu Schmidt vgl. Schmidt,1984, 315ff. und 328, Fn. 9. Eine weitere empirische Untersuchung zur Polyvalenzkonvention wird in Ibsch (1988) vorgestellt. Als Ergebnis formuliert Ibsch: “Da Polyvalenz nicht als Texteigenschaft aufgefaßt wird und da Leser literarischer Texte in der Praxis ihrer Rezeption und Interpretation in der Regel nicht individuell mehrfache Bedeutungszuschreibungen realisieren, (die ‘starke’ Version ...) empfiehlt es sich, den Polyvalenz-Begriff umzuformulieren oder jedenfalls zu definieren als ‘Akzeptanz verschiedener Monovalenzentscheidungen anderer Leser’ . Es geht also nicht so sehr um die Polyvalenzleistung als um Polyvalenztoleranz (die ‘schwache’ Version Groebens) ” (Ibsch, 1988, 335 ; Hervorh.i.T.).

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  46. Vgl. hierzu Schmidt/Groeben,1989,18, Fn.2.

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  47. Paradebeispiel für die Nicht-Einhaltung der Trennung beider Subsysteme und der damit einhergehenden Vermischung von Objekt- und Metasprache ist immer noch E. Staiger in seiner Auseinandersetzung mit Heidegger über Mörikes Gedicht ‘Die Lampe’ . Heideggers Vorschlag, die Interpretationskontroverse durch eine Übersetzung ins Lateinische zu klären, wird als ‘Begriffsscholastik’ abgetan: “Sie (Heidegger,M. F.) scheinen mir (Staiger,M. F.)... zu sehr auf Begriffen zu insistieren und das Schwebende, Gleitende, Scheue, Vorsichtige ... Schillernde einer dichterischen Sprache, wie sie Mörike ausgebildet hat, zu übersehen” (Staiger, Kunst der Interpretation,39). Zugegeben, dies ist die Sprache der Germanistik der 50er Jahre. Meines Erachtens sind Derrida, Paul de Man etc. aber nicht weit davon entfernt.

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  48. Mit scheint, daß dieser Beliebigkeit der Ausbildung von Konventionen auf der Ebene von Funktionen des Literatursystems begegnet werden kann. Die Einebnung des Gattungsunterschiedes zwischen ‘ Literatur’, ‘Wissenschaft’ und ‘Philosophie’ könnte kaum dazu beitragen, den gesellschaftlichen Bedarf an intersubjektiv nachprüfbaren Aussagen über Literatur zu befriedigen. Diese Funktion sollte eine Literaturwissenschaft jedoch erfüllen, wenn sie sich als angewandte Literaturwissenschaft verstehen will und die Ausbildung zur kompetenten Teilnahme am Literatursystem als ihr Ziel betrachtet.

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  49. Bei Nicht-Einhaltung der Trennung von Literatur- und Rechtssystem sind hinsichtlich dieser Funktion die Konflikte vorprogrammiert. Vgl. hierzu z.B. A. Barsch über Literatur und Recht (1987).

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  50. Vgl. zu dieser Darstellung auch das oben in dieser Arbeit unter 1. 4.2 skizzierte ‘Modell der entwickelten Theorien und der grundlegenden Konzepte der NELW .

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  51. Vgl. vor allem die Abschnitte 2.5.4 bis 2.5.6. Siehe z.B. auch Glasersfeld,1988,89: “One of the revolutionary aspects of the constructivist approach to communication ... is that it drastically changes the concept of ‘ understanding’ . ”

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  52. Die Unterscheidungen von Kommunikatbasis — Kommunikat und Rezeption — Verarbeitung hängen natürlich zusammen. Vgl. auch Meutsch,1987,16: “Die Notwendigkeit dieser Differenzierung von Verstehen in Rezeption und Verarbeitung ergibt sich ... aus der Text (Kommunikatbasis,M.F.) — Kommunikatdifferenzierung, denn zu Texten gehören per Definition keine Bedeutungen, die sind Kommunikaten zuzuordnen. ” Vgl. hierzu aber auch Nierlichs Kritik, dem mit der Unterteilung in ‘Kommunikat’ und ‘ Kommunikatbasis’ eine “technizistische Verengung des Kommunikationsbegriffs vorgenommen zu sein (scheint), mit der die literarischen Kommunikationshandlungen insgesamt nicht erklärt werden können ... (Dies wird deutlich bei dem Begriff) des ‘ Kommunikats’ sowie ... der ‘Komunikatbasis’ (als Bezeichnung für die materialen Kommunikationsmittel). Nur bei technisch vermittelter Kommunikation lassen sich m. E. auch Kommunikationsmittel herausdifferenzieren” (Nierlich, 1983, 196; Hervorh.i.T.).

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  53. Vgl. hierzu auch Viehoff,1988,3: “Mit der Akzentuierung literarisches Verstehen wird ... eine Verschiebung der Fragestellung betont: literarisches Verstehen wird als kognitiver Prozeß begriffen, der sich durch kennzeichnende Merkmale von anderen Textverstehensprozessen unterscheidet. Die Bestimmung ‘literarisch’ vs. ‘nichtliterarisch’ wird damit zu einer Frage nach der Qualität des Verstehensprozesses und nicht — jedenfalls nicht in erster Linie oder gar ausschließlich — zu einer nach der Qualität von Texten” (Hervorh.i.T.).

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  54. Vgl auch Wieno1d,1980,201: “Das Konzept der Textverarbeitung bezieht sich auf Aktivitäten zwischen Teilnehmern gegenüber Texten. ” Hinsichtlich der Interpretation siehe folgendes Zitat: “Der Zweck der Textverarbeitung ‘Interpretation’ ist die Überredung des Lesers, dem Ausgangstext (literarischer Text,M.F.) eine Bedeutung und Bewertung zuzuschreiben, wie sie der Resultattext (Rezeption, M. F.) ihm vorschlägt” (a. a. O., 205) . Eine ähnliche Unterscheidung im Rahmen hermeneutischer Theoriebildung schlägt Mueller-Vollmer mit dem Begriffspaar ‘implizite’ und ‘explizite’ Interpretation vor. In Anlehnung an die in der klassischen Hermeneutik übliche Distinktion von ‘subtilitas intelligendi’ und ‘subtilitas explicandi’ (s.u. Anm.55) formuliert er: “Lese ich einen Text, etwa ein Gedicht, einen Zeitungsausschnitt, eine Reisebeschreibung oder einen philosophischen Aphorismus in einer mir gänzlich bekannten Sprache mit unmittelbarem Verständnis, so bin ich mir der interpretativen Leistungen des Lese-Verstehensaktes nicht eigens bewußt, die Interpretation bleibt implizit. Mittels Reflexion und Analyse vermag ich nun einzelne Momente des Verstehensaktes herauszuheben und explizit zu machen” (Mueller-Vollmer,1983,98f.). Es bleibt die Frage, ob Mueller-Vollmer die ‘explizite Interpretation’ als wissenschaftliches Verfahren ansieht, die ungehindert ‘textontologischer’ Hindernisse vonstatten gehen kann.

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  55. Genau dies trennt die analytische Unterscheidung von ‘Literatur-Rezeption’ und ‘LiteraturVerarbeitung’ von der auf den ersten Blick analogen Unterteilung der ‘subtilitas intelligendi’ und der ‘subtilitas explicandi’ der Hermeneutik. ‘Verstehen’ und ‘Auslegen’ werden hier zwar voneinander getrennt, ‘ Verstehen’ als ‘primäre Lektüre’ konstituiert aber immer schon die ästhetische Erfahrung. Demzufolge identifiziert Gadamer beide hermeneutische Verfahren miteinander: “Auslegung ist nicht ein zum Verstehen nachträglich und gelegentlich hinzukommender Akt, sondern Verstehen ist immer Auslegung, und Auslegung ist daher die explizite Form des Verstehens” (Gadamer,1975,291). Auch die Rezeptionsästhetik bringt es nicht zu einer klaren Trennung verstehender und auslegender Lektüre. Der ‘literarische Sinn’, die ‘ästhetische Bedeutung’ entsteht im Moment der verstehenden Lektüre und dominiert von daher jede weitere Auslegung. Vgl. z.B. Jauß,1981,474f.: “Ich (Jauß,M.F.) versuche ..., (die Lektüre) in die beiden hermeneutischen Akte des Verstehens und des Auslegens zu zerlegen, indem ich das reflektierende Auslegen als Phase einer zweiten Lektüre vom unmittelbaren Verstehen in der ästhetischen Wahrnehmung als Phase der ersten Lektüre abhebe. ... Die Auslegung eines poetischen Textes setzt immer schon ästhetische Wahrnehmung als ihr Vorverständnis voraus; sie kann nur Bedeutungen konkretisieren, die dem Interpreten im Horizont seiner vorgängigen Lektüre als möglich aufgeschienen sind oder hätten aufscheinen können. ”

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  56. Vgl. auch Hauptmeier/Meutsch/Viehoff,1987,3: “... one of the most decisive obstacles to scientific methodology in the study of literature resided in the so-called ‘subject-object-confoundation’ . Studies taking Ingarden’s phenomenological concept of ‘concretization’ in terms of the construction of textual meaning on the basis of certain textual properties, not only reduce the actual variety of ‘concretizations’ to the scholars allegedly ‘objective’ one, but also confound reception (concretization) and interpretation, reader and researcher. ”

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  57. Zur Diskussion des hermeneutischen Verstehensbegriffs vgl. das folgende Kapitel meiner Arbeit. Zur ‘Immanenz’ der hermeneutischen Literaturwissenschaft vgl. auch Groeben,1972, 195: “Die werkimmanente Literaturinterpretation macht mit dem wissenschaftstheoretischen Topos der nicht-erklärenden Hermeneutik ernst: Sie schließt alle Faktoren, die als Bedingung und damit als Erklärung für das literarische Werk und seine Bedeutung gelten könnten, als Werktranszendens und damit als nicht im ‘eigentlichen’ Sinn zur Literaturwissenschaft gehörig aus” (Hervorh.i.T.).

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  58. Vgl. hierzu auch Ingens — seines Zeichens ‘ Rezeprionsästhetiker’ — Kritik an Groebens Empirisiermgsprogramm: “Eine solche ‘Konstruktion des Werksinns’, die auf dem ‘rezeptiven Verstehen’ von ‘grundsätzlich beliebigen Werkrezipienten’ beruht, sollte man gerechterweise nicht Interpretation nennen. Interpretation als Auslegung des literarischen Textes ist ausdrücklich auf den Text bezogen und findet ihren Fixpunkt im Text” (Ingen,1974,100). Genau mit diesem Topos aber fällt die Rezeptionsästhetik in die grundlegende Modellvorstellung der Hermeneutik, der ‘Werkimmanenz’ und ‘ Textontologie’, zurück.

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  59. Diese Vor und Überordnung hängt natürlich mit Groebens zweistelligem Modell des Sprachverstehens zusammen. So unterscheidet er in (1982) zwischen Textverständnis und Textverständlichkeit. Textverständnis wird erforscht, wenn die “Prozesse des Verstehens von Texten ... in der Abhängigkeit von Lesermerkmalen” (Groeben,1982,10) thematisiert werden. Hinsichtlich der Verständlichkeit werden die “Prozesse des Textverstehens ... in der Abhängigkeit von Textmerkmalen” (ebd.) untersucht. ‘Verstehen’ im Rahmen des Groebenschen kognitiven Konstruktivismus ergibt sich dann aus der Interaktion beider Bereiche.

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  60. Vgl. Meutsch,1987,23: “Verfahren der Textrepräsentation ... bilden keine Textbedeutungen ab, sondern dienen zur möglichst intersubjektiven Beschreibung des Gegenstandes Text, der eine Einflußgröße auf Sprachverstehen darstellt” (Hervorh.i.T.).

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  61. Vgl. Meutsch,1987,25: “Auch die kognitiv-aktiven Prozesse der Sinnkonstitution ... sind nicht irgendwo im Kopf einer Versuchsperson ‘vorhanden’, fest lokalisiert, um sie dann neutral messen zu können. Wir können weder ‘im Text’ mit linguistischen Verfahren Bedeutungen finden noch ‘im Leser’ mit Verbalisationsverfahren Kognitionen finden” (Hervorh. i. T.).

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  62. Dieses Argument scheint mir auch die bei Viehoff (1983) vorgeschlagene Aufgabenstellung ad absurdum zu führen. Viehoff schlägt vor, Verfahren zu entwickeln, die, im Gegensatz zur Thematisierung der ‘äußeren’ Handlung in der Verarbeitungsphase, die “ ‘ inneren’ kognitive(n) Prozesse” (a. a. O., 102) der Rezeptionsphase untersuchen könnten. Jede Operationalisierung dieser ‘inneren’ Prozesse würde eine Rezeptionshandlung zu einer Verarbeitungshandlung machen.

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  63. In (1986d) geht Schmidt erneut auf die Trennung von Rezeption und Verarbeitung ein und trifft folgende Differenzierung: “In konsequent konstruktivistischer Argumentation ... wird Rezeption als Kommunikat-Konstruktion angesehen ... Damit wird das Konzept ‘ Verarbeitung’ frei zur Bezeichnung einer kognitiven Operation, die Rezeption voraussetzt und daran anschließt, um dem Rezeptionskommunikat einen neuen Text zuzuordnen, z.B. als Interpretation, Kritik, Umsetzung in ein anderes Medium usw. ” (Schmidt,1986d, 96, Fn. 3; Hervorh. i.T.). Unberührt hiervon bleibt jedoch der Einwand von Meutsch, “der zu Recht darauf hinweist, daß in empirischen Untersuchungen Rezeptionsleistungen nicht direkt zugänglich sind. Vielmehr können Rezeptionsleistungen nur über Textäußerungen von Rezipienten ... erschlüsselt werden, wobei zu Recht die Frage gestellt werden muß, ob in solchen Verbalisierungen rezeptive und verarbeitende Prozesse überhaupt getrennt werden können” (a. a. O., 97) .

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  64. Meutsch/Schmidt (1985) reden von einem ‘holistischen Kommunikatbildungsprozeß’ . Die folgende Charakterisierung findet sich dann auf den Seiten 383–385.

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  65. Vgl. zum folgenden Hauptmeier/Meutsch/Viehoff,1987,28–30. Vgl. auch die Auflistung in Viehoff/Meutsch,1989,4–6.

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  66. Vgl. hierzu die Studie von Meutsch (1987a), wo die Methoden des ‘Lauten und Stillen Denkens’ hinsichtlich der Erfassung und Evaluierung interner Daten diskutiert werden.

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  67. Zu ‘schemageleiteten’ oder ‘strategieorientierten’ Erklärungsansätzen vgl. die Überlegungen zu psychologischen Textverarbeitungsmodellen im folgenden Kapitel 4.2.

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  68. Zum Begriff ‘Instruktion’ bzw. ‘Instruktionssemantik’ vgl. Abschnitt 2. 5. 6 dieser Arbeit.

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  69. Zum Begriff ‘Sinnkonstanz’ vgl. Hörmann (1976).

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  70. Diese ‘Freiheit bei der Kommunikatbildung’ wird durch die im Literatursystem geltenden Ästhetik- und Polyvalenzkonventionen garantiert.

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  71. Zu einem informativen Überblick über empirische Untersuchungen zum literarischen Verstehen vgl. Viehoff (1988).

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  72. Vgl. Vipond/Hunt,1984,268: “Information-driven reading is especially appropriate in learning-from-text situations where content is relevant” (Hervorh.i.T.).

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  73. Vgl. Vipond/Hunt,1984,269: “... story-driven readings tend to emphasize plot, character, and event, and to neglect the ‘discourse’ by which the events and characters are presented. ”

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  74. Zu einer ähnlichen Unterscheidung zwischen ‘ efferent’ und ‘aesthetic reading’ vgl. Rosenblatt,1978,24f.: “To designate (the) type of reading, in which the primaryconcern of the reader is with what he will carry away from the reading, I have chosen the term ‘ efferent’, derived from the Latin, ‘efferre’, ‘to carry away’ .... In aesthetic reading, the reader’s attention is centered directly on what he is living through during his relationship with that particular text” (Hervorh.i.T.).

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  75. Es wäre interessant, zu untersuchen, warum gerade P. Celans Gedicht ‘Fadensonnen’ — seit der Studie von Bauer et al. (1972) — immer wieder zum Gegenstand empirischer literaturwissenschaftlicher Untersuchungen gemacht wird. Bietet sich dieser Text vielleicht durch spezifische Qualitäten als ‘Text an sich’ besonders für empirische Untersuchungen an?

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  76. Damit kann Svenssons Vermutung, “it is possible to suggest a schematic model of the process of symbol interpretation in the reading of poetry” (Svensson,1987,498), mit dem holistischen Kommunikatbildungsprozeß der Vertreter der NELW eingelöst werden.

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  77. Vgl. Viehoff,1986,304: “The experiment reported in this paper is strictly bound to the ‘interactionism’ paradigm. ” Vgl. ebenso auch Viehoff,1987,7: “Das Modell des Verstehens, das einem ... kognitiv-konstruktiven Ansatz entspricht, ist das der Interaktion. ” Auch in Viehoff/ Andringa (1990) plädieren beide Autoren, nach der Feststellung, daß das konstruktivistische Modell des Verstehens “is nearly without any psychological relevance in literary reading processes” (a. a. O., 223), für ein “rearrangement of the traditional view of interaction” (ebd.).

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  78. Vgl auch Hunt (1988), wo zum einen betont wird: “. .. any instance of reading is, and thus can only be comprehended as, a transaction” (Hunt,1988,12), und zur Transaktion selber ausgeführt wird: “... each transaction with text is in important ways unique, occuring not only between one reader and one text, but also in one unique situation” (a.a.O.,10). Vipond/Hunt beziehen sich bei der Einführung des Begriffs ‘transaction’ auf Rosenblatt (1978), die wiederum Dewey und Bentley als Vorläufer nennt: “Dewey and Bentley sought to counteract the dualistic phrasing of phenomena as an ‘interaction’ between different factors, because it implies separate, self-contained, and already defined entities acting on one another ... ‘Transaction’ designates ... an ongoing process in which the elements or factors are, one might say, aspects of a total situation, each conditioned by and conditioning the other” (Rosenblatt, 1978, 17).

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  79. Vgl. Vipond/Hunt,1989,158: “A reading event is a transaction among reader and text, where the nature of that transaction is shaped by the situation in which the reading takes place. ”

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  80. Das Modell des ‘Dialogs’ stammt natürlich aus der hermeneutischen Tradition. “Der Anfang und damit das Gemeinsame allen Verstehens ist nach der philosophischen Hermeneutik im Verhältnis von Frage und Antwort begründet. Verstehen heißt — wie Hans-Georg Gadamer formulierte — ‘etwas als Antwort verstehen’ ” ‘ (Jauß,1981,467). Interessant hierzu ist die Kritik von Böhler (1981), der Gadamer vorwirft, er verkürze das dialogische Verhältnis durch substanzialistische Kontinuitätsvorstellungen. Echt dialogische Reziprozität sei erst mit der Rezeptionsästhetik erreicht: “Hans Robert Jauß hat ... inzwischen tatsächlich eine rezeptionsästhetische Methode im Sinne einer ‘Hermeneutik von Frage und Antwort’ entworfen” (Böhler,1981,500). Ob nicht auch die Rezeptionsästhetik — mit Hilfe des ‘impliziten Lesers’ — den Dialog auf einen Monolog reduziert, soll hier dahingestellt bleiben. Zur Anwendung des ‘Dialog’ -Begriffs auf Psycholinguistik vgl. Hess-Lüttich (1986), wo als Problem definiert wird: “Dialogische Sinnkonstitution findet ohne die Stabilität limitativer Regulativa nicht statt. Dialogische Sinnkonstitution wäre, als Prozeß, ohne die Kreativität der figurativen Redefinition dieser limitativen Regulativa nicht denkbar” (Hess-Lüttich,1986,161). Hess-Lüttich nennt als limitatives Regulativ einen “Zuordnungsrahmen zur Verknüpfung des Wahrgenommenen mit dem schon Gewußten ...(Dieser soll als) Grundlage des Verstehens” (ebd.) gelten. Auch die ‘dialogische Transaktion’ muß sich wohl auf dergleichen Regulativa stützen.

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  81. Ähnliche Ergebnisse gewinnt Meutsch auch bei der Änderung der Kohärenzstruktur des Textes. Inkohärente Texte müßten, gemäß interaktionistischer Vorstellung, mehr Probleme beim Verstehen aufwerfen, als kohärente. Diese Vorstellung muß korrigiert werden: “coherent and non-coherent texts were treated in the same way, no matter if they were literary or non-literary” (Meutsch,1989,68f.).

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  82. Für Meutsch (1986) besteht das “textual problem” darin, “to clear up the conditions for a cognitive model of literary understanding that explains the phenomenon of language constancy” (Meutsch,1986, 311; Hervorh. i. T.). Wie können Texte diese Funktion der Bewahrung von Sprachkonstanz erbringen? In (1989) wird diese Frage dem konstruktivistischen TheorieDesign geopfert: “The role of TEXTS in PKC (Kommunikat-Konstruktions-Prozeß,M.F.) is to operatively relate the Oi-(interner Beobachter) with the Oe-(externer Beobachter)system. However, the operative function of text does not allow us to extract scientifically what happens to texts in Oi systems, because texts are not processed. This is because a relation between perception and meaning is just a phenomenon of the Oi system” (Meutsch,1989, 51; Hervorh. i.T.).

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Flacke, M. (1994). Die NIKOL — Konzeption — Empirische — Literaturwissenschaft (NELW). In: Verstehen als Konstruktion. Konzeption Empirische Literaturwissenschaft, vol 16. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99794-4_3

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