Zusammenfassung
Empirische Befunde zur Ungleichheit in unserer Gesellschaft werfen neue Fragen zum Erklärungsgehalt und zur Reichweite klassischer Ungleichheitstheorien auf. Nach anfänglich zunehmender Konzentrierung auf Hierarchisierungen der Lebenslagen über die Berufsposition im Beschäftigungssystem — mit durchaus feststellbaren Angleichungseffekten zwischen Klassenund Schichttheoretikern (vgl. Berger/Hradil 1990) — diversifiziert sich das Bild: Die Identifizierung von „Ungleichheitsphasen“ im Lebenslauf (Berger 1990), regionalen Differenzen (Bertram et al. 1993), milieu- und altersspezifischen Lebensstilen (Lüdtke 1990) machen auf qualitativ andere Parameter sozialer Ungleichheiten aufmerksam. Dabei spielt die Entdeckung von „Geschlecht“ eine empirisch und theoretisch schwer integrierbare Rolle (vgl. Frerichs/Steinrücke (Hg.) 1993). So schreiben Beck/Beck-Gernsheim (1993: 185f.) in plastischer Deutlichkeit:
„Im Bild der klassischen Industriegesellschaft werden kollektive Lebensformen wie russische Puppen ineinander verschachtelt gedacht. Die Klasse setzt die Kleinfamilie voraus, diese die Geschlechterrollen, diese die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, diese die Ehe. Klassen werden zugleich gedacht als die Summe von Kleinfamilienlagen, die sich untereinander gleichen und gegen andere ‚klassenspezifische Familienlagen‘ (z.B. die Oberschicht) abgrenzen.... Frauenerwerbstätigkeit schlägt in der Klassenanalyse somit entweder gar nicht ‚zu Buche‘ oder wird ‚weggemittelt‘.... Andersherum gesagt: Schon wer Männereinkommen und Fraueneinkommen getrennt jeweils zur Grundlage nimmt, muß das Bild einer gespaltenen Sozialstruktur zeichnen, die sich niemals mehr zu irgendeinem ‚Klassenbild mit Dame‘ vereinheitlichen läBt.“
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Krüger, H. (1995). Prozessuale Ungleichheit. In: Berger, P.A., Sopp, P. (eds) Sozialstruktur und Lebenslauf. Sozialstrukturanalyse, vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99791-3_7
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