Zusammenfassung
Mit seiner scharfsinnigen Diagnose sowie seiner grundlegenden Kritik der modernen europäischen Kultur war Friedrich Nietzsche sicherlich eine große philosophische Herausforderung für die Zeit der Jahrhundertwende, vergleichbar vielleicht nur mit der Herausforderung durch Karl Marx. Der von Marx geprägte sozialistische Gedanke und der von Nietzsche vertretene aristokratische Individualismus waren für diese Zeitepoche Ausdruck der zwei großen Grundströmungen und -prinzipien des modernen Kulturlebens in verschiedenen gesellschaftlichen Sphären. Deutlich zu entnehmen ist dies zum einen direkt der gegenseitigen Kritik von Nietzsche und Sozialismus und zum anderen indirekt Webers Aussage über die Größe von Marx und Nietzsche und deren geistesgeschichtliche Bedeutung für seine Generation. Eduard Baumgarten zufolge sagte Weber 1920 im direkten Anschluß an die Debatte mit Oswald Spengler in München: „Die Redlichkeit eines heutigen Gelehrten, und vor allem eines heutigen Philosophen, kann man daran messen, wie er sich zu Nietzsche und Marx stellt. Wer nicht zugibt, daß er gewaltigste Teile seiner eigenen Arbeit nicht leisten könnte, ohne die Arbeit, die diese beiden getan haben, beschwindelt sich selbst und andere. Die Welt, in der wir selber geistig existieren, ist weitgehend eine von Marx und Nietzsche geprägte Welt.“2
Erweiterte Fassung des Vortrages, der am 27. Mai 1997 im Rahmen des kultursoziologischen Kolloquiums bei Prof. Dr. Johannes Weiß am Fachbereich 5 (Gesellschaftswissenschaften) der Universität/Gesamthochschule Kassel gehalten wurde.
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Kim, DY. (1999). Nietzsche und die Soziologie: Georg Simmel und Max Weber. In: Klingemann, C., Neumann, M., Rehberg, KS., Srubar, I., Stölting, E. (eds) Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1995. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99766-1_8
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