Zusammenfassung
Im Folgenden soll ein diskursanalytisches Vorhaben vorgestellt und methodologisch reflektiert werden, das sich an Michel Foucault orientiert1 und dabei dekonstruktivistische Ansätze mit einbezieht. Bei diesem Vorhaben ging es um die Konstitution von ‘Rasse’ im physisch-anthropologischen Diskurs an der Wende zum 20. Jahrhundert.2 Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass dem physisch-anthropologischen Diskurs ‘Rassen’ als vordiskursive, evidente Naturtatsachen zu gelten scheinen, die mittels naturwissenschaftlicher Verfahren, insbesondere der Vermessung scheinbar nur ‘objektiv’ und exakt erfasst werden. Mein Unbehagen an dieser sich so neutral und objektiv gebenden Identifizierung ‘rassischer Differenzen’ — schließlich entfaltet sie ihre Brisanz im Hinblick auf die Legitimation kolonialer und rassistischer Unterdrückung und erfährt ihre Zuspitzung in nationalsozialistischer Vernichtungspolitik — führte zum leitenden Erkenntnis interesse meines Vorhabens: Wie kann der physisch-anthropologische Diskurs in der Weise anvisiert werden, dass die Vermessung von Körpern deontologisiert wird und die physisch-anthropologische Kategorie ‘Rasse’ dekonstruiert wird? Meine Arbeit nähert sich diesen Fragen mit der Perspektive der Foucaultschen Diskursanalyse, deren Spannungsfeld von Regelmäßigkeiten und Ereignishaftigkeit unter Einbeziehung dekonstruktivistischer Ansätze zugespitzt wird.
„Denn im Augenblick und ohne daß ich ein Ende absehen könnte, meidet mein Diskurs — weit davon entfernt, den Ort zu bestimmen, von dem aus er spricht — den Boden, auf den er sich stützen könnte.“ (Foucault 1990: 292)
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Literatur
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Hanke, C. (2004). Diskursanalyse zwischen Regelmäßigkeiten und Ereignishaftem — am Beispiel der Rassenanthropologie um 1900. In: Keller, R., Hierseland, A., Schneider, W., Viehöver, W. (eds) Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99764-7_4
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