Zusammenfassung
In vielen Städten Afrikas ist es in den letzten Jahren zu „Brotunruhen“ gekommen. Sie entzündeten sich an den überall von internationalen Kreditgebern verordneten Subventionsstreichungen des Staates und daraus resultierenden abrupten Preissteigerungen für Grundnahrungsmittell. Auch in Zambia, einem Binnenstaat im südlichen Zentrum des Kontinents, gab es in den letzten Jahren mehrfach, zuletzt im Juni 1990, gewaltsame Proteste gegen die Verteuerung von Maismehl, der im Volksmund mealie meal genannten Grundlage städtischer Ernährung. Unter Planern und Ökonomen gilt ebenso wie unter Agrarhistorikern die Faustregel, daß Teuerungen bei Nahrungsmitteln den ländlichen Produzenten einen relativen Wohlstand bescheren. Dies scheint auch für die Bauern Zambias zuzutreffen: Im Laufe der 80er Jahre kam es zu raschen Erhöhungen der Erzeugerpreise für Mais. Zunehmend wirkungsvoll untermauerten diese die Appelle von Politikern, Beamten und Beratern an die Bauern, die „Nation“, d.h. die nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung, zu ernähren (to feed the nation). Es kam zu einem regelrechten „Maisboom“, einem bemerkenswert steilen Anstieg in den Vermarktungszahlen dieses Getreides. Er wurde im wesentlichen von kleinbäuerlichen Produzenten, auch in den abgelegeneren Teilen des Landes, getragen2.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Z.B. Adrian P. Wood, Agricultural Policy since Independence, in: ders. u.a. (Hrsg.), The Dynamics of Agricultural Policy and Reform in Zambia,Ames 1990, S. 21–58; für die Distrikte Zambezi (Balovale) und Kabompo siehe die Tabelle unten.
Es gibt eine langwährende Debatte um die Problematik der Definition des Begriffs “Bauern” (vgl. z.B. Theodor Shanin, Defining Peasants,Oxford 1990). Im folgenden werden darunter, unter Bezug auf die Situation im überwiegenden Teil Afrikas, “einfache (agrarische) Warenproduzenten” verstanden, die im wesentlichen auf eigenem Boden und unter Einsatz familiärer Arbeitskräfte sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Markt produzieren und von den Erlösen einen Teil ihrer eigenen Reproduktion bestreiten.
Von dieser Fiktion geht noch immer die Agrarbetriebslehre aus. Über Entwicklungs-bzw. “Strukturanpassungs-” Programme nimmt sie erheblichen Einfluß auf die ländlichen Lebensbedingungen in Afrika.
Vgl. dazu John Iliffe, The African Poor,Cambridge 1987.
Diese Kontroverse wurde besonders prägnant am Beispiel Tanzanias geführt, vor allem in den Formulierungen von Goran Hyden (zuerst in: Beyond Ujamaa in Tanzania,London 1980) und Henry Bernstein (z.B.: African Peasantries: A Theoretical Framework, in: Journal of Peasant Studies,6/1979, Nr.4, S.421–443).
Z. B. William Beinart und Colin Bundy (Hrsg.), Hidden Struggles in Rural South Africa,London 1987; Peter Geschiere und Jos van der Klei, La relation Etat-paysans et ses ambivalences: modes populaires d’action politiques chez les Maka (Cameroun) et les Diola (Casamance), in: Emmanuel Terray (Hrsg..), L’Etat contemporain en Afrique,Paris 1987, S.297–340. Zusammenfassungen der Diskussion z.B. in Terence Ranger, From Nationalist Revolt to Agrarian Protest, in:Gary Y. Okihiro (Hrsg.), In Resistance,Amherst 1986; Allen Isaacman, Review Essay: Peasants, Social Protest and Africanists, in: Journal of Social History,1989.
James C. Scott, Weapons of the Weak, New Haven 1985; Ders., Domination and the Arts of Resistance, New Haven 1990.
The Moral Economy of the PeasantNew Haven 1976; Edward P. Thompson, The Moral Economy of the English Crowd in the 18th Century, in Past and Present50/1971, S.76–136
Das hierbei verwendete Datenmaterial entstammt mehreren Feldforschungen in Nordwest-Zambia, die ich zwischen 1979 und 1986 durchgeführt habe. Dabei wurde die Auswertung schriftlicher Materialien systematisch mit sozialanthropologischen Untersuchungen kombiniert.
Vgl. z.B. World Bank, Accelerated Development in Sub-Saharan Africa, Washington D.C. 1981.
Vgl. Robert Klepper, The State and the Peasantry in Zambia, in: Centre of African Studies (Hrsg.), The Evolving Structure of Zambian Society,Edinburgh 1980, S. 120150.
Für Balovale siehe Minutes of the Third Meeting of the Kaonde-Lunda African Provincial Council (Mai 1946), NAZ SEC2/230.
Confidential Report, Balovale District Notebook,S.305–321, NAZ KTW1. Dieser Zwischenfall beunruhigte die lokale Verwaltung auch deshalb, weil er in eine Zeit ethnisch und anti-kolonial artikulierter Unruhe fiel.
Annual Report Balovale District 1935 (NAZ SEC 2/71); siehe auch z.B. Annual Reports Balovale 1947 und Kabompo 1951 (NAZ SEC2/135).
So z.B. bei den weiter oben erwähnten Preisunruhen in Balovale 1956.
Nach ILO, Basic needs in an economy under pressure,Addis Abeba: ILO 1981, Teil II, S. 30ff.
/83 kostete ein Sack Dünger (Standardmenge 50 kg) in Kabompo 15 Kwacha; mit seiner Hilfe konnten im Schnitt 4–6 90-kp-Säcke Mais erzeugt werden, für die jeweils 18,10 K. gezahlt wurden. Ein Sack Maismehl (handelsübliche Menge: 50 kg) kostete damals in Kabompo 16,90 K (vgl. Achim v.Oppen, Emmanuel Shula und Ulrich Alf, LIMA Talget Group Survey, final upon,Kabompo; IRDP 1983, S. 70 ff).
Näheres in: Achim v. Oppen, Terms of Trade and Terms of Trust,Berlin: Freie Universität, Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften I (Dissertation) 1990, S.332 ff.
Nach Josephine Beck/Sabine Dorlöchter, Frauen als Opfer der Entwicklung?,Berlin: Freie Universität, Institut für Soziologie (Diplomarbeit) 1988, S.167ff.
Z.B. wurde Maniokmehl in festen Relationen gegen Baumwollstoff, das wichtigste vorkoloniale Zahlungsmittel, getauscht (Annual Reports Balovale 1935 und 1940,NAZ SEC2/71/vol.1 und SEC2/7/vol.9).
Beck/Dorlöchter, Frauen als Opfer (Anm. 24); eigene Beobachtungen, z.B. in Chikonkwelo bei Kabompo, 1979.
Vorgetragen vom Lunda-Chief Ikelenge (Minutes of the Third Meeting of the Kaonde-Lunda African Provincial Council, Mai 1946, NAZ SEC2/230).
Für die Agrargeschichte Afrikas vgl. besonders: John Tosh, The Cash-Crop-Revolution in Tropical Africa, in: African Affaiis,79/1980, S.79–94.
Näheres in Achim v. Oppen, Endogene Agrarrevolution im vorkolonialen Afrika ? in: Paideuma,38/1992. Lokale Maisvarietäten werden in geringen Mengen zwar ebenfalls schon seit dem 17./18. Jahrhundert kultiviert, jedoch nicht als Getreide, sondern als Grüngemüse während der Hungersaison verzehrt.
Eigene Erfahrungen 1983; Interview von Kate Crehan mit J.S., 21. 10. 1986.
Näheres in Kate Crehan/Achim v. Oppen, Understandings of ‘Development’ - an Arena of Struggle, in: Sociologia Ruralis,28/1988, Nr. 2/3, S.132f.
Auf der Grundlage der Native Foodstuffs (Control of Acquisition) Ordinance von 1940.
Interview mit Mr. 0.-E., ehemaliger Kolonialbeamter in Balovale, 2.11. 1987. Dieses Denken spielte auch in anderen Kolonialverwaltungen des südlichen Afrikas eine Rolle: vgl. z.B. Megan Vaughan, The Story of an African Famine, Cambridge 1987, S.77ff.
Näheres dazu in: Achim v. Oppen, ‘Just Cassava Eaters’? ’Informelle’ ländliche Warenproduktion in einer Abwanderungsregion Zambias, in: Eike W. Schamp (Hrsg.), Der informelle Sektor, Aachen 1989, S. 131–168.
Formelle Abmachungen zwischen Händlern und “vertrauten” Produzenten (ciLuvale vakufwélela) über die gegenseitige Belieferung mit Agrarprodukten, Betriebs-und Lebensmitteln auf Kredit sind in Zambezi/Balovale verbreitet (z.B. Annual Report Balovale 1949, NAZ SEC2/156; Interview mit D.C., 16.10.1986.
Vgl. für Zambia allgemein James R. Pletcher, The Political Uses of Agricultural Markets in Zambia, in: Journal of Modern African Studies, 24/1986 Nr. 4, S. 603–617.
Schon für die 40er Jahre gibt es Belege, daß die Bauern in Balovale Absatzschwierigkeiten bei Maniokmehl und Erdnüssen als “Vertrauensbruch” empfanden, da sie “ständig ermutigt worden waren, mehr Nahrungsmittel zu erzeugen und den Ober-schuß auf sicheren Märkten zu verkaufen” Newsletter Kaonde-Lunda Province,No.16, April 1944, NAZ SEC2/193).
Patrick Wele, Kaunda and Mushala Rebellion,Lusaka 1987, S. 11.
Hans Medick, “Hungerkrisen” in der historischen Forschung, in: SOWI,14/1985, S.95–102.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
von Oppen, A. (1994). „Wer Nahrung liefert, hat auch Hunger.“ Getreidemarkt und moralische Ökonomie der Bauern — ein Kontrastbeispiel aus dem südlichen Afrika (ca. 1950–1990). In: Gailus, M., Volkmann, H. (eds) Der Kampf um das tägliche Brot. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99757-9_21
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99757-9_21
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12560-2
Online ISBN: 978-3-322-99757-9
eBook Packages: Springer Book Archive