Zusammenfassung
Die Menschenwürde und die aus ihr folgenden Grund- und Menschenrechte bilden den grundlegenden Maßstab zur ethischen und rechtlichen Bewertung der modernen Medizin. Der Deutsche Bundestag hat mit der Einsetzung der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“1 und in seiner Grundsatzdebatte am 31. Mai 2001 zur Biotechnologie und zur modernen Medizin (Plenarprotokoll 14/173) die Verbindlichkeit der Menschenwürde für die Biomedizinpolitik unterstrichen. In der Auseinandersetzung um die ethischen und rechtsethischen Bewertungskriterien der neuen medizinischen Möglichkeiten wird vielfach auf Menschenwürde und Menschenrechte Bezug genommen.2
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Literatur
Die Kommission hat insbesondere „Kriterien für die Grenzen der medizinischen Forschung, Diagnostik und Therapie sowie ihrer Anwendungen zu entwickeln, die das unbedingte Gebot zur Wahrung der Menschenwürde beinhalten“ (Bundestagsdrucksache 14/3011).
Baumgartner et al. 1997; Benda 2001; Braun 2000b; Braun 2001b; Dörr et al. 2000; Geyer 2001; Graumann 2001a; Höffe 2001; Knoepffler/Haniel 2000; Lauffs 2001; Luther 2001 b; Reiter 2001; Rendtorff 2000; Schneider 2000; Schwartländer 1998; Spaemann 2001a; Werner 2000 u.a.
Auch in Deutschland wird dieser Ansatz vertreten (Birnbacher 1997; Hoerster 1995; 1998; Merkel 2001).
Zur Begriffsgeschichte vgl. Horstmann 1980, S. 1126 mit weiteren Hinweisen; Spaemann 1987; Bayertz 1999.
Der Original-Kodex von 1947 ist unter anderem abgedruckt in Kolb/Seithe 1998, S.455.
BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1987, BVerfGE 75, S. 369 (380).
BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1992, BVerfGE 87, S. 209 (228).
Ein Versuch der Interpretation von Menschenwürde im Sinne der Leistungstheorie stammt von dem Rechtswissenschaftler und Soziologen Niklas Luhmann (1974, S. 68 ff.). Danach ist Würde weder eine Naturausstattung des Menschen noch ein Wert. Für Luhmann ist Würde allein eine Leistung, die der Einzelne erbringen, die er aber auch verfehlen kann. Dagegen kann eingewendet werden, dass eine Einschränkung der Würde auf selbst hergestellte Würde, wie sie Luhmann vollzieht, all diejenigen schutzlos machen würde, die in den Augen der Leistungsfähigen nicht oder nicht mehr leistungsfähig sind (Reiter 2001, S. 449). Gerade diejenigen, die am ehesten auf Schutz angewiesen sind, würden demnach aus dem Schutzbereich der Menschenwürde herausfallen. Auch für den Luhmann-Kritiker Christian Starck (1985) ist daher der verfassungsrechtliche Würdeschutz total ausgehöhlt, wenn er von eigener Würdeleistung abhängig gemacht wird.
Dieser logischen Konsequenz seines Ansatzes will Hasso Hofmann (1993), als maßgeblicher Vertreter der „Anerkennungstheorie“, offenbar nach der Gründung der „Anerkennungsgemeinschaft” nicht mehr folgen: „Das gegenseitige Versprechen, uns als in gleicher Weise würdige Mitglieder des Gemeinwesens anzuerkennen, schließt es folglich aus, irgendjemandem die Befugnis zuzugestehen, einem anderen Individuum diesen Status — aus welchen Gründen auch immer— prinzipiell abzusprechen“ (S. 376). Diese Position ist daher letztlich inkonsistent.
BVerfG, Urteil vom 25. Februar 1975, BVerfGE 39, S. 1 (41).
Vgl. Höfling 1995, S. 860; Kunig 2000, Rz. 24; Dreier 1996, Rz. 39. Umgekehrt liegt aber auch kein Verstoß gegen die Menschenwürde vor, wenn jemand mit „Herabwürdigungsabsicht“ handelt, aber „die Intensität des Eingriffs den Grad einer Würdeverletzung nicht erreicht” (Höfling a.a.0.; Kunig a.a.0.).
Vgl. Starck 1985, Rz. 14: „Der Menschenwürdeschutz garantiert nicht alles ausdenkbare Gute, Angenehme und Nützliche, sondern muss um seiner Geltung willen elementar verstanden werden.“
Vgl. Höfling 1995, S. 861; Pieroth/Schlink 2000, Art. 1, Rz. 414.
Neben der Notwehr wird in der verfassungsrechtlichen Literatur insbesondere der polizeiliche Rettungsschuss und die Pflicht zum Einsatz des Lebens für Soldaten, Polizisten und Feuerwehrleute genannt. Vgl. Dreier 1995, S. 1037.
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Deutscher Bundestag. (2002). Ethische und rechtliche Orientierungspunkte. In: Schlussbericht der Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99728-9_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99728-9_2
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