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Lektüre der Sinne

Kleists „Penthesilea“ als Körperdrama

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Heinrich von Kleist
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Zusammenfassung

Der zeitgenössischen Kritik war die Penthesilea ein „genialisches Ärgernis“.1 Kleist wußte, daß er damit Grenzen überschritt und Tabus verletzte: Grenzen der Bühne und Schauspielkunst seiner Zeit, des Einfühlungsvermögens der Zuschauer in die „dramatische Motivierung“ und der Anforderungen des Publikums an die „Sittlichkeit und Moral“.2 Was Kleist unseren Sinnen zumutet, hat nicht nur die meisten seiner Zeitgenossen schockiert. Auch viele Germanisten richteten ihren Blick lieber auf das „Seelendrama“3 als auf die Ästhetik der grenzüberschreitenden „Sinnlichkeit“ des Textes. Und noch in einer Besprechung seiner Berliner Inszenierung wurde Hans Neuenfels für seine „schöpferische Kritik“ gelobt, die Kleist „zur Raison gerufen“ habe.4 Wer Grenzen überschreitet, muß damit rechnen, daß ihn die „Vernunft“ der Zurückbleibenden einholt: indem seine „Verirrungen“ sanktioniert, klassifiziert oder auch wohlwollend „interpretiert“ werden.

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Literatur

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Nutz, M. (1988). Lektüre der Sinne. In: Grathoff, D. (eds) Heinrich von Kleist. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99716-6_10

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