Zusammenfassung
Spätestens seit 1948 läßt sich feststellen, daß es das politische Ziel der SED war, mit inhaltlichen und personellen Veränderungen gegen eine vermeintlich reaktionäre, vielleicht als „bürgerlich-humanistisch“ zu umschreibende Pädagogik1 vorzugehen. Als Begründung für dieses als „Kampf“ verstandene Durchsetzen einer normativen Pädagogik wurde die Geschichte bemüht: „Es geht um die Einheit Deutschlands, es geht darum, eine neue Weltanschauung durchzuringen und durchzudringen, die uns endlich Frieden bringt in der ganzen Welt, die uns das bringt, was jener Nazarener schon vor 2000 Jahren glaubte, erreichen zu können. Das soll jetzt durchgesetzt werden. Die Kräfte sind sichtbar für jedermann. Drüben steht das Alte, die Vergangenheit, der Kapitalismus und die Herrschaft des einzelnen Menschen über all die anderen, und hier steht die Masse Mensch, die allein Beherrscher ist und regieren will.“2 Dieses Zitat mit dem Rückgriff auf christliche Ideale ähnelt Lieselotte Jüngers Argumentationen, wenn sie sich auch dagegen gewehrt hat, den Kommunismus mit der Bibel zu begründen.3 Der Begriff „Masse Mensch“ wird als Gegensatz zu Individuum — was gesellschaftliche Verantwortung einschließt — gebraucht. Der Redner verschwieg nicht, was er über jene Werte dachte: „Hinweg mit dem alten bürgerlichen Plunder, der einem hier und da noch anhaftet, wo man noch Hemmungen hat.“4 Ebenso wie das gedankenlos scheinende Sprechen von der „Masse Mensch“ suggeriert, es gebe einen einheitlichen Willen einer Gruppe, deren Persönlichkeiten, wenn nicht negiert, so doch als zweitrangig betrachtet werden können, ist der Hinweis auf das Überwinden von „Hemmungen“ symptomatisch dafür, daß die Ideologie deutliche Worte (und Taten) nicht scheute. Denn falsche Rücksichtnahme und Kollegialität galten als Hemmnisse auf dem Weg zu den angestrebten Veränderungen.1 Der Zweck heiligte eine Vielzahl von undemokratischen und nicht rechtsstaatlichen Mitteln. Das dichotomische Weltbild gab vor, es gebe nur die Wahl zwischen Frieden oder Krieg, wobei Zweifler schnell in den Ruf des Rückständigen oder des Friedensfeindes gerieten.
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© 1998 Leske + Budrich, Opladen
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Mietzner, U. (1998). Erziehung zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. In: Enteignung der Subjekte — Lehrer und Schule in der DDR. Biographie und Gesellschaft, vol 23. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99630-5_8
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