Zusammenfassung
Ansätze symbolischer Politik unterscheiden sich von herkömmlichen Politikauffassungen und Demokratietheorien durch die besondere Bedeutung, die sie kommunikativem und symbolischem Handeln bei der Schaffung und Erhaltung politischer Macht zuweisen. Herkömmliche Politikauffassungen betrachten politische Realität als externes Datum und politische Probleme und Bedürfnisse als “‘Rohmaterial’ des politischen Prozesses” (Offe, 1969, S.164, zit. in Luhmann, 1970, S.27). Unter diesen Umständen kann symbolische Politik lediglich ein “Epiphänomen” (Gunnell, 1968, S.185) oder “ein Artefakt des Entscheidungshandelns” (March, Olson, 1984, S.741) sein:
“Da wir üblicherweise Regierungshandeln als Ausführung des politischen Willens der Wähler begreifen und nicht als dessen Ursache, und da diese Erzeugung politischer Meinungen durch die offizielle Politik nicht manifest und intentional ist, wird ihr meinungsbildender Einfluß systematisch übersehen. Sie stellen ästhetische Information dar” (Edelman, 1990, S.101).
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Literatur
Es ist demnach zwischen dem Individuum als kognitivem Ort und sozialen Systemen als kommunikativkulturellen Orten von Wirklichkeitsproduktion zu unterscheiden (Gamson, Modigliani, 1989; Schmidt, 1994a, S.13).
Unter diesen Umständen kommt auch dem Vorwurf einer verzerrten Darstellung von Realität weniger Bedeutung zu, da Medieninhalte ohnehin nicht in abbildhafter Form vom Medienpublikum übernommen werden (Früh, 1994, S.38).
Mit diesen unterschiedlichen erkenntnistheoretischen Ansichten sind verschiedene wissenschaftstheoretische Positionen verbunden. Während nach positivistischer Auffassung im Begründungszusammenhang nur quantitativ-objektive Methoden der Erkenntnisgewinnung als wissenschaftlich gelten, räumt der Konstruktivismus keiner Methode eine privilegierte Stellung ein; erstens, weil es i.d.R. mehrere Wege gibt, Hindernisse zu überwinden bzw. ein bestimmtes Ziel zu erreichen (vgl. v. Glasersfeld, 1995, S.32); zweitens, weil der Komplexität der Außenwelt durch wissenschaftlichen Pluralismus eher Rechnung getragen werden kann als durch wissenschaftlichen Monismus (vgl. Behrens, 1994, S.10; Sherry, 1991, S.549).
Klingemann (1993, S.756) weist daraufhin, daß vor diesem Hintergrund der in den Kommunikationswissenschaften gebräuchliche Ausdruck des Rezipienten bzw. der Rezipientin eigentlich nicht haltbar sei, da er Passivität nahelegt.
Daran wird nochmals deutlich, daß auch nach konstruktivistischer Auffassung eine Korrespondenz zwischen Außenwelt und Realitätsmodellen gegeben sein muß.
Bei Reflexivität in der Sozialdimension handelt es sich um den Hinweis auf die Meinung anderer, also um öffentliche Meinung; bei Reflexivität in der Sachdimension um die Vorgabe wertender Aussagen, also um Images; bei Reflexivität in der Zeitdimension um Beschleunigungseffekte, also um Trends oder Bestseller (“immer mehr Leute kaufen das Produkt”) (vgl. Merten, 1994, S.310). Für diese Arbeit sind vor allem reflexive Wirkungen in der Sozialdimension, wie sie sich in der öffentlichen Meinung äußern, von Interesse.
Empirisch belegt wurde dieses Phänomen erstmals von Noelle-Neumann (1991) mit ihren Untersuchungen zur Schweigespirale. Danach beeinflusst die wahrgenommene Meinungsverteilung öffentliche Meinungsäußerungen in dem Sinne, daß sie die Vertreter/innen der scheinbaren Mehrheitsmeinung ermutigt, diese kundzutun, die Vertreter/innen der scheinbaren Minderheitsmeinung aus Furcht vor sozialer Isolation dagegen entmutigt, ihren Standpunkt öffentlich zu vertreten. Dieser durch eine Fiktion (nämlich die wahrgenommene Meinungsverteilung) ausgelöste Prozeß hat demnach selbstverstärkende und damit äußerst reale Wirkungen.
Besonders deutlich wird dies bei Skandalen, wo der Wettlauf um neue Informationen besonders intensiv ist und wo “politische oder ideologische Motive keine oder nur eine untergeordnete Rolle [spielen]. Deshalb schalten sich jetzt auch Medien zum Nachteil von Personen und Organisationen ein, die deren Ziel nahestehen” (Kepplinger, 1994, S.230).
Die Unterschiede zwischen Medien und Publikum in der Verwendung von “Frames” (d.h. Erzähl- und Interpretationsrahmen) bei der Schilderung und Deutung aktueller, politischer Themen konnten Neuman et al. (1992, Kapitel 4) empirisch nachweisen. Sie fanden heraus, daß z.B. in der Medienberichterstattung über Aids häufig wissenschaftliche und ökonomische Fakten, wie Kostenschätzungen für ein neues Präventionsprogramm der Regierung, angeführt werden, während derartige Aspekte in den Wirklichkeitskonstruktionen der Rezipienten und Rezipientinnen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Ihre Versionen sind vor allem von Werthaltungen und persönlichen Moralvorstellungen geprägt. Dies gilt in abgeschwächtem Maß sogar für “technische” Themen wie dem Projekt zur Abwehr feindlicher Atomraketen durch Weltraumwaffen (SDI) oder dem Börsencrash von 1987.
Behavioristische Theorien werden auch als Stimulus-Response (S-R-Theorien), neo-behavioristische als S-OR-Theorien bezeichnet, wobei O für den vermittelnden Organismus bzw. dessen psychische Konstrukte steht. Der Unterschied zwischen beiden Theorien liegt lediglich darin, daß sich behavioristische Theorien ausschließlich auf beobachtbare Größen beschränken, während neo-behavioristische Theorien auch nicht unmittelbar beobachtbare psychische Konstrukte als intervenierende Größen zulassen. Doch auch letztere erhalten die Annahme der Gesetzmäßigkeit menschlichen Verhaltens aufrecht, da sie davon ausgehen, daß zwischen psychischen Vorgängen und Verhalten kausale Beziehungen bestehen (Gunnell, 1968, 5.194). So werden psychische Konstrukte, wie z.B. Einstellungen, als “Schaltstellen” aufgefasst, die “eingehende Stimuli in einer bestimmten Weise verändern” (Behrens, 1991, S.18) bzw. als “Filter, die Emotionen, Wissen, Meinungen und Verhalten steuern” (Merten, 1994, S.315).
Eine ähnliche Auffassung von Sozialtechnik — allerdings nicht im Rahmen des Marketing, sondern der Arbeitswissenschaft — findet sich bei Breisig (1990, S.8ff.). So unterscheidet er bei der Verhaltenssteuerung von Betriebsangehörigen zwischen primärer und sekundärer Verhaltenssteuerung. Im ersten Fall soll Verhalten (z.B. durch positive oder negative Anreize) direkt “gebändigt” und “in feste, weitgehend berechenbare Bahnen gelenkt werden” (Breisig, 1990, S.6), was eher der behavioristischen Auffassung entspricht. Dagegen wird im zweiten Fall kein reaktives, sondern subjektives, selbstbestimmtes und interessegeleitetes Verhalten der Beschäftigten unterstellt. Denn bei dieser Form der Steuerung, die zum Ziel hat, daß die Beschäftigten am Unternehmensinteresse orientierte Deutungsmuster freiwillig übernehmen, wird auf ihr Verhalten nur indirekt eingewirkt. Dazu sind Maßnahmen erforderlich, die an ihre Motive, Interessen und Vorstellungen anknüpfen. Nur diese Art der Verhaltenssteuerung, die er auch als “elegante” Form der Verhaltenssteuerung charakterisiert, bezeichnet Breisig als Sozialtechnik (1990, S.9).
Diese psychischen Prozesse umfassen nicht nur kognitive Prozesse im engeren Sinne, sondern alle psychischen Vorgänge, also auch Emotionen oder Motive (vgl. Behrens, 1991, S.18; Herkner, 1993, S.23; Kroeber-Riel, 1992, S.19).
Bei Riccis Ausführungen ist allerdings zu beachten, daß er sich ausschließlich auf die amerikanische Politikszene bezieht. Zwar ist der von ihm beschriebene Trend auch in Deutschland zu beobachten, aber nicht im gleichen Ausmaß (Ricci, 1993, S.3). Das hat seine Ursache vor allem in unterschiedlichen Politiksystemen und -stilen. So besitzt in Deutschland, wo die Alleinherrschaft durch eine Partei eher die Ausnahme ist und der politische Konsens eine hohe Wertschätzung besitzt, der klassische Verhandlungsstil nach wie vor große Bedeutung.
Für einen differenzierten Vergleich der Rolle von Denkfabriken in den USA und in Deutschland, vgl. Gellner (1995). Gellner spricht von Ideenagenturen, da er den Begriff Denkfabrik für ungeeignet hält (vgl. S.15ff.). Sein Einwand ist jedoch für diese Arbeit unerheblich. Denkfabrik mag der gedanklich weniger präzise Begriff sein; in jedem Fall ist er der einprägsamere und wird daher nachfolgend verwendet.
Der Trend zum new class style stellt durchaus keinen Widerspruch zu den insgesamt eher wertorientierten, narrativen Argumentations- und Deutungsmustern der Bevölkerung dar. Zwar ist es empirisch belegt, daß die für diesen Stil typischen Zahlenangaben, Fachtermini usw. von ihr nicht im Detail beachtet werden (vgl. Neuman et al., 1992, S.5), aber häufig genügt deren bloßer Einsatz, um einen Eindruck von Authentizität und Wahrhaftigkeit hervorzurufen. In der Werbeforschung wird dieses Phänomen als “Glaubwürdigkeitsillusion” bezeichnet. Danach wirkt Werbung mit langen Textabschnitten glaubwürdiger, auch wenn diese von den Betrachtern und Betrachterinnen gar nicht gelesen werden (Kroeber-Riel, MeyerHentschel, 1982, S.109f.). Außerdem sind insbesondere die amerikanischen Denkfabriken sehr marketingorientiert, was sich u.a. in einer mediengerechten Darstellung ihrer “Produkte” äußert; z.B. in Auftritten ihrer Experten und Expertinnen in Talk-Shows, in der Formulierung griffiger Zitate und polarisierender Statements usw. (vgl. Gellner, 1995, S.30f.). So kommt auch Gellner (1995, S.257) zu dem Fazit, daß die Tätigkeit von Denkfabriken “zu einem guten Teil, wenn nicht gänzlich in einem Beitrag zu symbolischer Politik besteht.”
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Dombrowski, I. (1997). Metatheoretische Grundlagen. In: Politisches Marketing in den Massenmedien. Forschungsgruppe Konsum und Verhalten. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99602-2_2
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