Zusammenfassung
Die Rede von der Existenz von Unternehmungsnetzwerken in der Versicherungswirtschaft — oder kurz: von Versicherungsnetzwerken — erscheint umso gerechtfertigter, je mehr sich neben den überwiegend vertikalen Netzwerkbeziehungen zwischen unabhängigen Vermittlern und Versicherern, Kunden und sonstigen Akteuren vor- oder nachgelagerter Wertschöpfungsstufen auch horizontale Vernetzungsstrategien nachweisen lassen. Tatsächlich findet sich in der Versicherungswirtschaft eine recht erstaunliche Vielzahl unterschiedlich motivierter und gestalteter horizontaler Unternehmungsvernetzung, deren erste Analyse schon einige Grundprobleme horizontaler Vernetzung unabhängiger Vermittler deutlich werden läßt. Einen tieferen Einblick in die Organisation von Unternehmungsnetzwerken erlauben allerdings erst die in den folgenden zwei Kapiteln dargestellten und strukturationstheoretisch analysierten Netzwerkfallstudien.
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Referenzen
Quellen: Business Insurance, June 18, 1990 und Business Insurance, July 1, 1991 (vgl. a. Albert 1993, S. 100).
Quelle: Handelsblatt vom 21. April 1992. Die Umsatzzahlen sind vom Handelsblatt geschätzt und differieren zum Teil von denen in der Abb. 11.1 ausgewiesenen. Über die Rangordnung besteht zwischen den Akteuren Uneinigkeit. Jaspers Industrie Assekuranz etwa wird von Insidern manchmal auf dem dritten Rang plaziert.
Auffalliger Weise grenzen sich die großen Industriemakler oftmals vehement gegenüber MLP (s. dazu Kapitel 13) ab. Die Grenzen eines rein quantitativen Vergleichs anhand von Umsatz- und Beschäftigtenzahlen werden deutlich, wenn es etwa heißt: “MLP würde, da sie ausschließlich im Personenversicherungsgeschäft tätig sind, nie einen Industriebetrieb managen können. Bei der Klassifizierung der Makler dürfe man eben nicht nur von Umsatzzahlen ausgehen. MLP und die großen Industriemakler, das sind zwei Paar Stiefel” (Vermittler 28).
Mit dem Wupper-Report ist die jährlich von der Firma Wupper & Partner GmbH in Hamburg herausgegebene Auflistung über “Beratung beim An- und Verkauf von Unternehmen und Beteiligungen” gemeint.
In der Bundesrepublik ist die Anzeigepflicht für Unternehmungsszusammenschlüsse durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelt. Die zentralen Kriterien, die eine Anzeigepflicht gegenüber dem Bundeskartellamt beinhalten, lauten in aller Kürze, daß durch den Zusammenschluß mindestens ein Marktanteil von 20 Prozent erzielt wird oder daß die beteiligten Unternehmungen mindestens 10.000 Beschäftigte oder Umsatzerlöse von mindestens DM 500 Mio. erzielen (vgl. Schubert/Küting 1981, S. 64).
Daß Versicherungsvermittler sich an firmenverbundenen Vermittlern beteiligen, davon berichten verschiedenste Makler. Daß dies durchaus keine Ausnahme ist, belegt sowohl die frühere Beteiligung von Gradmann & Holler an der EAS, dem firmenverbundenen Vermittler der AEG, wie an dem des Siemens Konzerns, der Beteiligung eines kleineren Maklers an dem firmenverbundenen Vermittler des Oetker-Konzern wie die eines anderen Maklers an dem des Konsum. Dies sind nur Beispiele, auf die wir in Interviews gestoßen sind. Der Bundesverband der firmenverbundenen Vermittler sieht diese Beteiligungen nicht immer mit Wohlwollen. Denn zum Teil, so erläuterte uns ein Vorstand des Verbandes, versteckt sich hinter dieser Beteiligung der Versuch, den firmenverbundenen Vermittler lediglich als Provisionsabschöpfungsstelle zu mißbrauchen. Dies ist allerdings nicht immer der Fall, aber Versuche hierzu soll es geben. Da die Verknüpfung zwischen Versicherungsmaklern und firmenverbundenen Vermittlern aber nicht Gegenstand der Erhebung war, wurde dieser Frage nicht gesondert nachgegangen. Eine Ursache ist zumindest, daß firmenverbundene Vermittler sich durch die Kooperation oder die Beteiligung in der Regel Zugang zu dem bei Maklern vorhandene Know-how zu sichern versuchen.
Vergleiche diesbezüglich die europaweit, im Rahmen der BIPAR abgestimmten und im Abschnitt 6.2 vorgestellten Daten der Regulierung, ab wann jemand als Makler gelten kann. Gleichzeitig gilt, daß die debis Assekuranz nicht Mitglied im renommierten Bundesverband firmenverbundener Versicherungsvermittler (BfV) werden kann, weil sie sich in den Augen von Verbandsmitgliedern zu eng an den weltweiten Marktführer, den amerikanischen Dienstleistungskonzern Marsh & McLennan angebunden hat (vgl. dazu Kapitel 9). Die debis Assekuranz sitzt derzeit noch als Gigant zwischen den Stühlen der Verbände.
Grundlage dieser Einschätzung ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), daß etwa im § 23 Abs. 2. Ziff. 2. Satz 4 dann von einem Zusammenschluß von Unternehmungen spricht, wenn zum Beispiel der Erwerb von Anteilen an einer Aktiengesellschft mehr als 25 Prozent des stimmberechtigten Kapitals ausmacht (vgl. hierzu und zu anderen relevanten Bestimmungen des GWB ebenfalls Schubert/Küting 1981, S. 62 ff.).
Dies gilt insbesondere für persönliche Daten des Kunden, die für die Akquisition bedeutsam sind (z.B. Alter der Kinder, Risikoeinschätzungen, letzter Kundenbesuch, Kundeneinkommen), sowie für Daten über andere bestehende Versicherungsverhältnisse. Mit anderen Worten: Versicherer erhalten von unabhängigen Vermittlern in der Regel nur die speziellen vertragsrelevanten Daten.
Charakteristika der an diesem Netzwerk beteiligten Vermittler sind zum Zwecke der Anonymisierung teilweise geändert. Das betrifft den Namen des Netzwerkes und Details der Netzwerkentwicklung.
Neueinsteiger zahlen in der Regel zu Beginn 25 Prozent ihrer Courtageeinnahmen an die Zentrale, bei entsprechendem Volumen oder nach einer gewissen Zeit wird diese Gebühr auf 20 Prozent verringert. Der Abgabesatz von 20 Prozent ist heute der für die Mehrzahl der PriBroNet-Vermittler gültige.
Allerdings trifft auch diese Bezeichnung nicht zu, da Versicherungsberater nicht vermitteln dürfen. In der Bundesrepublik dürfen sich nur ca. 60 Experten als solche bezeichnen.
OASIS ist eines der aktuellen Standardsoftwareprogramme für Kundenverwaltung usw.
Aber auch die größten deutschen Versicherungsmakler stehen hier vor (Entscheidungs-)Problemen, die der Geschäftsführer eines renommierten Industriemaklers wie folgt schildert: “Wir hatten verschiedene Optionen. Die erste Option bestand darin, in alle Länder zu gehen, in denen auch unsere Kunden vertreten sind. Wir müssen dort vor Ort präsent sein und dort unsere Kunden betreuen. Das wäre ein finanzieller Kraftakt gewesen, den wir nicht hätten erbringen können. Die zweite Option war, eben weil wir mit vielen Großunternehmen zusammenarbeiten, die zum Teil auch firmenverbundene Vermittler haben, gemeinsam mit einem solchen Unternehmen diesen Schritt zu tun. Das haben wir nicht gemacht, obwohl auch in diesem Bereich Gespräche geführt worden sind. Denn diese Unternehmen haben im Ausland die gleichen Probleme wie wir. Das wäre dann vielleicht eine finanzielle Spritze gewesen, da man mit denen vor Ort solche Einrichtungen hätte aufbauen können, aber es ist wahnsinnig schwer vor Ort auch an die richtigen Mitarbeiter zu kommen” (Vermittler 8).
Auch hieran ließe sich wiederum das Spannungsverhältnis von Autonomie und Abhängigkeit sowie von Vertrauen und Kontrolle verdeutlichen, denn das praktische Agieren der unabhängigen Vermittler auf ausländischen Märkten ist auch in diesem Beispiel mit der formal-rechtlichen Unabhängigkeit vom Versicherer nicht wirklich beschrieben.
Schon ein Blick auf diese und andere langjährige Vermittlernetzwerke zeigt, daß die transaktionskostentheoretische und industrieökonomische Generalthese von der Fragilität und zeitlichen Begrenztheit von Kooperationen einer empirischen Prüfung in diesem Feld nicht standhält.
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Sydow, J., Windeler, A., Krebs, M., Loose, A., van Well, B. (1995). Über vertikale Netzwerkbeziehungen hinaus: Flexible Spezialisierung und Kooperation unabhängiger Vermittler als horizontale Vernetzungsstrategien. In: Organisation von Netzwerken. Schriftenreihe der ISDN-Forschungskommission des Landes Nordrhein-Westfalen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99598-8_11
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