Zusammenfassung
Georges Pompidou kommt zu einem ersten Gipfel am 8. September 1969 nach Bonn. Diese Reise — die erste, die er als Staatspräsident ins Ausland unternimmt — findet in einem ganz besonderen Kontext statt, denn er wird von einem Bundeskanzler empfangen, der wenige Wochen vor der Bundestagswahl (28. Sept.) in einem offenen Wettstreit mit seinem Außenminister steht. Er muss sich also sehr vorsichtig verhalten, um jeden Eindruck einer Einmischung in die deutsche Innenpolitik zu vermeiden. Im übrigen steht es mit den deutsch-französischen Beziehungen seit dem letzten Treffen von General de Gaulle und den deutschen Politikern nicht zum Besten. Zweifellos trägt der umgängliche und entspannte Stil des Nachfolgers zu einer Entspannung bei, auch wenn die Kommentare der deutschen Presse angesichts der mageren Ergebnisse des Gipfels sich „manchmal enttäuscht, oft zurückhaltend“ äußern.1
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Literatur
Le Monde 11.9.1969.
So wird auf dem Gipfel eine neue Zusammenkunft der deutsch-französischen Industriekommission beschlossen.
In diesem Bereich muss man den auf dem Gipfel getroffenen Beschluss, eine Organisation für die Zusammenarbeit in der Atom- und Raumforschung zu bilden, als ein besonders wichtiges Ereignis hervorheben.
Le Monde 4.7.1960.
Neben den sechs Mitgliedstaaten die vier Beitrittskandidaten (dazu gehörte damals Norwegen).
Bulletin d’information de l’ambassade de France, 12.2.1972.
Le Monde 13./14.7.1973.
Am 16.12.1969 hatten die drei Westmächte der sowjetischen Regierung ein Aide-Mémoire übergeben, in dem sie die Aufnahme von Gesprächen der vier Siegermächte über die Verbesserung der Lage in Berlin und über den freien Zugang forderten.
Nach der Bildung der sozialliberalen Koalition nahm E. Bahr am 30.1.1970 in Moskau die Verhandlungen über die neue Ostpolitik auf.
Der Staatspräsident hat am 27.6.1970 in Straßburg erklärt: „Europa entsteht unter Respektierung der Persönlichkeit der Mitgliedstaaten oder es entsteht nicht. Europa entsteht nur, wenn es enge und freundschaftliche Beziehungen zu allen Ländern unterhält, insbesondere zu den europäischen selbst. Es darf also kein Block sein, sondern muß ein kraftvolles Instrument der Verbindung, der Entspannung und der Zusammenarbeit werden“.
Auf Anregung von Bundeskanzler Brandt hatte die Haager Konferenz beschlossen, die Außenminister mit „der Prüfung der Frage“ zu beauftragen, „wie in der Perspektive der Erweiterung am besten Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Einigung erzielt werden könnten“. Die politischen Direktoren der betroffenen Außenministerien arbeiteten unter dem Vorsitz von E. Davignon einen Bericht aus, den sie am 20.7.1970 vorlegten.
Anspielung auf Pompidous Straßburger Rede.
Die Sechs hatten während der ersten Monate des Jahres über die Grundlagen und Modalitäten der Beitrittsverhandlungen beraten und hatten sich auf eine gemeinsame Position geeinigt. Sie war den Beitrittskandidaten am 30.6.1970 mitgeteilt worden.
Der Moskauer Vertrag war im Rahmen der Ostpolitik der sozialliberalen Bundesregierung am 12.8.1970 unterzeichnet worden; der Warschauer Vertrag am 7.12.1970.
Am 14.12.1970 waren die EG-Außen- und Finanzminister in Brüssel zusammengekommen, um über den Werner-Plan zu beraten. Paradoxerweise sprachen sie nicht über die erste Etappe des Vorhabens, sondern über seine letzte. In der Nacht vom 14. zum 15.12.1970 mussten sie ihre Uneinigkeit feststellen. Vor allem Frankreich war mit den Vorschlägen seiner Partner nicht einverstanden. Die Bundesrepublik und die Niederlande wünschten einen „Beschluss“ des Ministerrates, der ein Datum für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion festgelegt hätte. Dies hätte eine Änderung der Römischen Verträge erfordert. Nach diesem Scheitern kam es im Januar 1971 zu zahlreichen Gesprächen auf allen Ebenen, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen.
Auf dem Weg nach Paris hatte der Bundeskanzler das Grab General de Gaulles in Colombey-les-Deux-Eglises besucht.
In ihrer Antwort auf das Aide-Mémoire der drei Westmächte vom 16.12.1969 hatte die sowjetische Regierung in einer Note vom 11.2.1970 die Aufnahme von Verhandlungen über Berlin akzeptiert. Die Verhandlungen hatten am 26.3.1970 begonnen und wurden am 3.9.1971 mit dem Viermächteabkommen abgeschlossen. Darin erkannte die Sowjetunion die Präsenz der Alliierten in Westberlin formell an; es wurde aber festgehalten, dass die Stadt kein Bestandteil der Bundesrepublik sei.
Der europäische Gipfel vom 21.2.1971 ermöglichte, das Vorhaben einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erneut in Angriff zu nehmen. Der Ministerrat unter Vorsitz von M. Schumann verständigte sich am 8. und 9.2.1971 darüber, mit der ersten Etappe dieses Prozesses zu beginnen.
In seiner Pressekonferenz vom 21.1.1971 hatte Pompidou vom Aufbau Europas gesprochen. Europa sollte eine „Konföderation von Staaten“ werden und ausgehen „von dem, was es schon gibt“. In diesem Zusammenhang hatte er die Frage einer „europäischen Regierung“ aufgeworfen. Sie sollte jedoch nicht aus einer Ausweitung der bestehenden technischen Organe hervorgehen, sondern gebildet werden durch die Nominierung eines eigenen Europaministers in jeder Regierung. „In einer letzten Phase“ hätten diese Minister nur noch „strikt europäische Kompetenzen“ und wären nicht mehr Mitglieder der nationalen Regierungen, sondern würden eine echte europäische Regierung bilden.
Mit einem massiven Dollarzufluss konfrontiert, hatten die Sechs zunächst versucht, eine gemeinsame Position zu finden. Nachdem die Finanzminister auf ihrem Treffen in Brüssel am 8.5.1970 die Meinungsverschiedenheiten nicht ausräumen konnten, war es jedem Staat überlassen, welche Maßnahmen er ergreifen würde. Am 9.5. beschloss der Bundesfinanzminister den Wechselkurs der DM freizugeben.
Das erste Treffen fand auf dem Schiff Lorelei statt. Der Bundeskanzler wollte mit dieser Geste dem französischen Staatspräsidenten zu seinem Geburtstag gratulieren.
In seiner Regierungserklärung vom 28.10.1969 hatte Brandt erklärt, dass die Bundesregierung bereit sei, „den vertraglichen Bindungen jene Unverbrüchlichkeit zu verleihen, die beispielgebend sein sollte für die Art der Beziehungen, die zwischen europäischen Partnern heute hergestellt werden können“.
Mit dem Treffen zwischen Pompidou und Nixon auf den Azoren am 14.12.1971 und dem Smithonian-Abkommen vom 18.12. hatte sich eine Reaktion auf die Krise abgezeichnet, die durch die einseitige Entscheidung der Bundesregierung, den Wechselkurs der DM freizugeben und durch die Entscheidung der USA, die freie Konvertibilität des Dollars aufzugeben, entstanden war.
Auf ihrer Tagung in Brüssel hatten sich die NATO-Mitglieder für die Einberufung einer gesamteuropäischen Konferenz ausgesprochen, die ein kollektives Sicherheitssystem in Europa errichten sollte. Sie hatten ihre endgültige Entscheidung jedoch von vier Vorbedingungen abhängig gemacht: die gleichberechtigte Teilnahme der USA und Kanadas; die Verwirklichung substantieller Fortschritte beim Deutschland- und besonders beim Berlin-Problem; Fortschritte bei der gegenseitigen und ausgewogenen Reduzierung der konventionellen Streitkräfte in Europa (MBFR); die Aufnahme von Fragen der Reise-, Informations- und Meinungsfreiheit auf die Tagesordnung der Konferenz. Nachdem diese Fragen zufriedenstellend gelöst wurden, sprachen sie sich am 31.5.1972 für den Beginn der Verhandlungen aus.
Der Beitrittsvertrag war am 22.1.1972 in Brüssel unterzeichnet worden. Nachdem sich ein Volksentscheid in Norwegen gegen den Beitritt ausgesprochen hatte, nahmen nur Großbritannien, Irland und Dänemark an der Pariser Konferenz von Oktober 1972 teil.
Anspielung auf die Dollar-Abwertung vom Dezember 1971 und die Währungskorrekturen, die die Abwertung nach sich gezogen hatte.
Vom 19.–21.10. hatte in Paris der EG-Gipfel mit den drei neuen (noch nicht offiziellen) Mitgliedern stattgefunden. Es sollte ein Programm für die erweiterte Gemeinschaft beschlossen werden, doch man brachte nur recht vage Vorschläge zu Stande.
Das Viermächte-Abkommen über Berlin vom 3.9.1971 trat erst nach Ratifizierung der Ostverträge am 3.6.1972 in Kraft.
Der Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurde am 21.12.1972 unterzeichnet.
Die Gespräche begannen in Helsinki am 22.11.1972.
Anspielung auf die Bundestagswahl vom 19.11.1972, bei der die SPD erstmals stärkste Partei (45,8%) vor der Union (44,9%) geworden war.
Dort fanden vom 3.–7.7.1973 die KSZE-Verhandlungen auf Ministerebene statt.
Dort waren die amerikanisch-sowjetischen SALT-Gespräche im Mai 1973 wieder aufgenommen worden.
In Wien begannen am 30.10.1973 die MBFR-Verhandlungen.
In Nairobi fand vom 24.–28.9.1973 eine Generalversammlung des IWF über die beabsichtigte Reform des Währungssystems statt.
Dort begannen im September 1973 die GATT-Verhandlungen der Tokio-Runde.
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Kimmel, A., Jardin, P. (2002). Eine Zeit der vorsichtigen Fortschritte, 1969 bis 1973. In: Kimmel, A., Jardin, P. (eds) Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1963. Frankreich Studien, vol 6. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99588-9_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99588-9_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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