Zusammenfassung
Im vorliegenden Kapitel werden zunächst der Untersuchungsgegenstand und die Fragestellung der Untersuchung erläutert. Daran anknüpfend wird die diskursanalytische und konstruktivistische Konzeption und Anlage der vorliegenden Arbeit und das zugehörige methodische Instrumentarium vorgestellt. Diskurse werden als institutionalisierte Bedeutungssysteme begriffen, deren Binnenstruktur sich über die Rekonstruktion von Interpretationsrepertoires, story lines und Rahmen (Deutungsmustern) erfassen läßt. Die Massenmedien bilden die ausgezeichnete Arena fir öffentliche Diskurse. Der Ländervergleich ermöglicht eine Kontrastierung, die Aufschlüsse über industriegesellschaftlich Allgemeines und länderspezifisch Besonderes in den Abfalldebatten gibt. Schließlich werden die empirischen Grundlagen und das konkrete Vorgehen bei Datenerhebung und Datenauswertung beschrieben. Zum Einsatz kommt eine pragmatische Variante interpretativ-hermeneutischer Textanalyse.
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Literatur
In einer spezifischen, von Michel Pécheux in Frankreich entwickelten und von Jürgen Link und Siegfried Jäger in der Bundesrepublik vertretenen Konzeption von Diskursanalyse wird dieses Feld der ’öffentlichen Diskurse’ als “Interdiskurs” bezeichnet (vgl. Link 1988; Jäger 1993).
Dieses Verständnis von ‘Diskurs’ führt unterschiedliche sozialwissenschaftliche Traditionen - die historisch orientierten Arbeiten von Michel Foucault und symbolisch-interaktionistisch bzw. wissenssoziologisch ansetzende Diskursanalysen aus der sozialwissenschaftlichen Bewegungsforschung - zusammen. Während Foucault in seinen Arbeiten vor allem interne Strukturierungsmechanismen und Machtwirkungen von Diskursen untersucht, die Frage nach dem Entstehen, der Durchsetzung und den Trägern von Diskursen jedoch als unbeantwortbar verworfen hat (vgl. Foucault 1974a; 1974b; 1981), rückt die diskursanalytische Traditionslinie des Symbolischen Interaktionismus das Handeln von kollektiven Akteuren bei der Diskursproduktion in den Vordergrund (vgl. Gusfield 1981; Gamson 1988; Donati 1992; Gerhards 1992 ). Im diskursförmig organisierten Prozeß der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit stehen kollektive Akteure in einem symbolischen Kampf um die Durchsetzung ihrer Deutungen von Welt.
Die Sprache ist nur ein Trägermedium kultureller Codes. Materielle Objekte, Körper, Gesten, Farben, Empfindungen u.a.m. können ebenfalls als Bedeutungsträger fungieren (vgl. Bauernfeind 1995).
Dieser Begriff des Interpretationsrepertoires entspricht dem Begriff des “package”,wie er von Gamson und seinen Mitarbeitern für die Untersuchung öffentlicher Diskurse vorgeschlagen wurde. Jede “issue culture” (jedes Gegenstandsfeld im öffentlichen Diskurs) besteht aus unterschiedlichen solcher “packages” (Gamson 1988: 171). Im Unterschied zum Ansatz von Gamson und seinen Mitarbeitern wird allerdings nicht davon ausgegangen, daß ein Interpretationsrepertoire nur (und genau) eine einzige Kemidee (’frame’) besitzt.
Beide Begriffe werden hier synonym gebraucht. Die Analyse von Deutungsmustern oder Rahmen (’frame analysis’) ist eine Form von Diskursanalyse. Der sozialwissenschaftliche Begriff des frame (Rahmen) wurde von Erving Goffman (1980) prominent gemacht und in den USA zunächst in der soziologischen Bewegungsforschung, später dann auch bei der Analyse öffentlicher Diskurse eingesetzt. Eine systematische Diskussion des Verhältnisses von Rahmen-zu Deutungsmusteranalyse fehlt. Manchmal werden sie kurzerhand gleichgesetzt (Eder 1993a), als verschieden betrachtet (Luders 1994), oder ihre Beziehung als diskussionswürdig bezeichnet (Meuser/Sackmann 1992). Diese Unscharfen rühren daher, daß weder von der Deutungsmusteranalyse noch von der Rahmenanalyse gesprochen werden kann, sondern die Begriffe je nach Anliegen unterschiedlich definiert werden.
In der vorliegenden Arbeit geht es damit weder um die Mechanismen der Themensetzung oder der Medienberichterstattung - d.h. das “deciding what’s news” (Gans 1979) oder das “making news” (Tuchman 1978) -, noch um das Verhältnis von Diskurs und Realität, sondern in erster Linie um die öffentliche Thematisierung von Abfall als Realität sui generis. Die ‘eigentlichen’ Motivlagen und Interessen der Akteure jenseits der im Diskurs vorkommenden Zuschreibungen werden nicht untersucht. Die öffentlichen Diskurse werden gelesen als gesellschaftliche Selbstinszenierungen dessen, was in der Öffentlichkeit für wichtig und wertvoll gehalten wird (Gus-field 1981: 20ft), und im Hinblick auf die kommunizierten Inhalte (Bedeutungen) analysiert.
Z.B. standardisierte Inhaltsanalysen, Erhebungen grammatikalischer oder rhetorischer Muster, rekonstruktive Textanalyse, Einsatz von Interviews, Beobachtungsverfahren (vgl. Foucault 1981; Dijk 1985; Potter/Wetherell 1987; Donati 1992; Jäger 1993; Hajer 1995; Keller 1997 ).
Dies ergibt sich aus dem umfangreichen Ausgangsmaterial und gilt far viele Diskursanalysen (vgl. Kitschelt 1984: 8ff). Demonstrationen des empirischen Vorgehens gelangen meist über Einzelfalldarstellungen nicht hinaus (vgl. zur Diskursanalyse Jäger 1993: 342ff).
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© 1998 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden
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Keller, R. (1998). Hausmüll als Thema öffentlicher Diskurse. In: Müll — Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99391-5_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99391-5_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-13166-5
Online ISBN: 978-3-322-99391-5
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