Zusammenfassung
Deutschland ist ein Pionier staatlicher Sozialpolitik. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden dort die weltweit ersten großen Sozialversicherungssysteme: 1883 die Krankenversicherung, ein Jahr später die Unfallversicherung und 1889 die Alters- und Invalidenversicherung. Der Marsch in den Sozialstaat begann auf einem niedrigeren Niveau wirtschaftlicher Entwicklung als in Belgien, England, den Niederlanden und den USA25 und im Rahmen einer Staatsverfassung, in der das autokratische Element das demokratische überwog26. Das ist bemerkenswert und verlangt nach Erklärung. Diese wird aufgrund des politischen Standpunkts der Architekten und Ingenieure der Sozialpolitik im Deutschen Reich von 1871 verkompliziert: es waren nicht Revolutionäre, sondern konservative Politiker, die mit der Politik der sozialen Sicherung „Daseinsvorsorge und Gefahrennabwehr“27 betreiben und Dämeme gegen gesellschaftliche und politische Folgeproblemeder Industrialisierung und Urbanisierung Deutschlands errichten wollten.
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Literatur
Maddison 1995: 194ff.
Auf der von 0 bis 10 geeichten Autokratieskala von Jaeggers & Gurr (1996) erreicht das Deutsche Reich des Jahres 1883, dem Jahr der Einführung der ersten Sozialversicherung, den Wert 5 (mittlerer Autokratiewert) und auf der ebenfalls von 0 bis 10 geeichten Demokratieskala nach Jaeggers & Gurr (1996) den Wert 0. Zum Vergleich: Großbritannien 0 und 7, USA 0 und 10, Schweden 6 und 1, Schweiz 0 und 9.
Wehler 1995: 1255.
Maier 1986.
Fischer 1985: 435.
Wagner 1893: 888.
Zu L. von Stein vgl. Forsthoff 1972, weiterführend Maier 1986, Lee & Rosenhaft 1990, Ritter 1991: Kp. 1.
Fischer 1985, Frerich & Frey 1993a: Kp. 1–3, Ritter 1991, Ritter & Tenfelde 1992.
Frerich & Frey 1993a, Kap. 1–3, ähnlich die Entwicklung in den Nachzüglerstaaten der Sozialpolitik (Mesa-Lago 1978, Skocpol 1995).
Baier 1988: 1201. Vollständig abgedruckt, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, V. Legislaturperiode, I. Session 1881/1882, Eröffnungssitzung, 17.11. 1881: 1–3.
Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.6.1883, RGBl. 1883, No.9: 73.
Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884, RGB1. 1884, No. 19, S. 69. Zur Analyse u. a. Tennstedt & Winter 1993a, 1993b und 1995.
Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22.6.1889, RGB1. 1889, No. 13: 97.
Frerich & Frey 1993a: 100.
Hierzu Wehler 1995: 662ff., der hiermit die Neokorporatismustheorie der Politikwissenschaft (Schmitter & Lehmbruch 1979, Lehmbruch & Schmitter 1982, Czada 1992) für die Sozialgeschichte fruchtbar macht.
Zitiert nach Haverkarte 1985: 456.
Gall 1980, Tennstedt & Winter 1995, Loth 1996: 69ff., Mänch 1997: 57ff.
Machtan 1985 und 1994.
Schreiben an den Handelsminister Dr. Achenbach, 10.8.1877 (zitiert nach von Poschinger 1899: 262).
Hierzu instruktiv: Brodnitz 1902: Kapitel 4, 142, 152.
„Peculium“ hieß das — meist zum Erkaufen der Freiheit bestimmte — Spargut eines römischen Sklaven.
Conrad 1994: 242.
Quelle für alle Zahlenangaben Flora u. a. 1983: 501f.
Details: Hentschel 1983: 21–29 und Saul 1980: 190ff.
Ritter 1983a: 33.
Rosenberg 1976: 212, Anm. 200, vgl. Wehler 1995: 914.
Hockerts 1983: 299.
Fischer 1985: 436.
Wehler 1995: 1225.
Nipperdey 1990: 417ff.
Lepsius 1979.
Baier 1988: 1202, vgl. auch die Einleitung der Herausgeber von Tennstedt & Winkler 1994, insbes. XXIff.
Zitiert nach Wehler 1995: 911.
26. Juni 1881 — Aufzeichnung eines Gesprächs mit dem Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck (Tennstedt & Winter 1993b: 621).
Ebd.: 621.
Für andere Nipperdey 1990: 337ff.
Flora, Alber & Kohl 1977.
Hierzu neuerdings Tennstedt 1997.
Zitiert nach Tennstedt 1981: 146.
Groh 1973.
Kocka 1981.
Born 1957: 3.
Hohorst u. a. 1975: 66f., 135, 173ff.
Diese benennt aber nur eine notwendige, nicht eine hinreichende Bedingung der Einführung der staatlichen Sozialpolitik und muß durch andere Faktoren, vor allem das Streben nach innerer Reichsgründung und die Suche nach Wegen, um industriewirtschaftliche Haftungsschäden zu regeln, ergänzt werden (Tennstedt 1997, Tennstedt & Winter 1993b, insbesondere XXI).
So eine auf 1878 datierte Äußerung Bismarcks (zitiert nach von Poschinger 1 899: 125). Das „Zuckerbrot“ war allerdings nur ein Motiv der Sozialpolitik unter vielen anderen.
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, IV. Legislaturperiode, IV. Session 1881, 6. Sitzung, 15. 3.1884: 72. Mit dem Sozialistengesetz hingegen sollte der Aufstieg der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung unterbunden werden. Mit ihm wurde die Organisation der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands aufgelöst und ihre Presse sowie die von ihr aufgebauten Gewerkschaften verboten. Nur die parlamentarische Tätigkeit der sozialistischen Reichstagsfraktion blieb unbehindert.
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, V. Legislaturperiode, I. Session 1881/1882, Eröffnungssitzung, 17.11.1881: 2.
Rosenberg 1976: 195.
Haverkarte 1985: 456.
Saul 1980: 183.
Nipperdey 1990: 337.
16.11.1881 — Aufzeichnung eines Gesprächs mit dem Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck (Tennstedt & Winter 1994: 695–696, Zitat S. 696).
Zitiert nach Rothfels 1927: 63f.
Nipperdey 1990: 338.
Kritisch hierzu Tennstedt 1995.
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, VII. Legislaturperiode, IV. Session 1888/1889, Dritter Band, Berlin 1889, 70. Sitzung, 18. Mai 1889: 1835C.
Verhandlungen des Reichstages, IV. Legislaturperiode, IV. Session 1881, Dritter Band, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Berlin 1881, Aktenstück Nr.41, Anlage 2: 228.
Die Formulierung entstammt der Feder von Bismarcks damaligen Referenten Theodor Lohmann (zitiert nach Tennstedt & Winter 1993b: 510); vgl. Tennstedt 1997.
So Bismarck am 4.5.1881, zitiert nach Tennstedt & Winter 1993: 604.
Zitiert nach Tennstedt1981: 144.
Stolleis 1992.
Lee & Rosenhaft 1990.
Priddat 1995.
Forsthoff 1972.
Tennstedt 1997.
Vgl. Nipperdey 1990: 812–816.
Flora, Alber & Kohl 1977, Alber 1982.
Für andere Gall 1980: 608, 649, Münch 1997: 57ff.
Wehler 1995: 913.
Zitiert nach Roos 1984: 209.
Zitiert nach Conrad 1994: 251.
Ebd.: 246.
Nipperdey 1992.
Rosenberg 1976: 198.
Ebd.: 213.
Ebd.: 217.
Ebd.: 217.
Nipperdey 1992.
Herder-Dorneich 1994: 166.
Alber 1982: 236ff.
Zöllner 1981: 62ff., W.J. Mommsen 1995: 385f., Rother 1994.
W.J. Mommsen 1995: 11.
Flora 1985 und 1986a.
W.J. Mommsen 1995: 383.
Wehler 1995: 1087ff.
Born 1957.
Nipperdey 1990: 417ff.
Conrad 1994, Rother 1994.
Kocka 1983.
RGBl. I 1911, S. 989.
Da das Gesetz keine untere Verdienstgrenze vorschrieb, konnte es in dieser Gruppe zu Doppelversicherung kommen.
Conrad 1994: 257f.
Henning 1979: 96, Born u. a. 1993.
Zitiert nach W.J. Mommsen 1995: 393.
Tennstedt 1976: 452.
W.J. Mommsen 1995: 393.
Kleeis 1928: 185.
W.J. Mommsen 1995: 392.
Vgl. Ritter & Tenfelde 1992.
Entwurf eines Versicherungsgesetzes für Angestellte vom 20.5.1911: 68, vollständig abgedruckt, in: Verhandlungen des Reichstages, XII. Legislaturperiode, II. Session, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. 281, Aktenstück Nr. 1035; W.J. Mommsen 1993 und 1995.
Sommariva & Tullio 1987: 62.
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, XII. Legislaturperiode, I. Session 1909, Bd. 237, 280. Sitzung, 10.7.1909: 9323A.
Preller 1978: 59.
Williams 1972.
Kundrus 1995: 17.
Bogs 1981: 39.
Faust 1986, Führer 1990.
Born 1957: 248.
Wohingegen die krankenversicherten Frauen, so ist der Vollständigkeit halber zu ergänzen, erst nach dem Krieg in die Wochenhilfe aufgenommen wurden. Kleeis 1928: 221 ff.
Zöllner 1981: 68.
Bogs 1981: 37.
Preller 1978: 85, ähnlich Reidegeld 1996: 26, der die These vertritt, der Krieg sei „funktional für die Entwicklung der Sozialpolitik“ gewesen.
Abelshauser 1987: 15.
Ebd.: 15f.
Armingeon 1988 und 1994, Mai 1993: 95ff.
Vgl. Frerich & Frey 1993a: 165ff.
Berechnung nach Maddison 1995: 194ff. auf der Basis von international und historisch vergleichbaren Währungseinheiten (Gheary-Khamis-US-Dollars).
Nach dem pro-Kopf-berechneten Zuwachs des Sozialproduktes wuchs Deutschlands Wirtschaft zwischen 1880 und 1913 immerhin von 2078 auf 3833 Einheiten. Deutschlands Wirtschaft expandierte in dieser Periode ähnlich stark wie Britanniens Ökonomie und erheblich stärker als die Wirtschaft Frankreichs, der Niederlande und Japans, jedoch deutlich schwächer als die US-amerikanische Ökonomie. Berechnet nach Maddison 1995: 194ff.
Berechnet nach Maddison 1995: 194f., 199, 203.
Frerich & Frey 1993a: 115.
Als Überblick Ritter & Tenfelde 1992, W.J. Mommsen 1995: 67ff.
Alle Berechnungen auf der Grundlage von Flora u. a. 1983: 460f., Alber 1982, Alber 1989: 51.
Andic & Veverka 1963/1964: 247.
Datenbasis: Frerich & Frey 1993a: 175.
Flora u. a. 1977, Ashford 1986, Führer 1990.
Hierzu vor allem von Berlepsch 1987.
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, XII. Legislaturperiode, II. Session 1910/1911, Bd. 262, 98. Sitzung, 10.12.1910: 3545B.
Ritter 1983a: 34, vgl. Tennstedt 1976: 390.
So die Worte des konservativen Reichstagsabgeordneten Linz in der Beratung des Entwurfs der Reichsversicherungsverordnung 1910. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, XII. Legislaturperiode, II. Session, Bd. 261, 68. Sitzung (Fortsetzung), 20.4. 1910: 2543D.
Ritter 1983a: 34.
Nicht für viele, aber doch für rund 3000–5000, so die Schätzung der Zahl der Ortskrankenkassenstellen, die der Regie der Arbeiterbewegung unterstanden. Vgl. Tennstedt 1991: 227.
Tennstedt 1976: 449.
Weber 1988a und 1988b.
Ebd.: 425.
Ebd.: 414.
Flora u. a. 1983, Conze & Lepsius 1983, Lepsius 1993.
Zitiert nach Gall 1980: 606.
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Schmidt, M.G. (1998). Von der Sozialpolitik für Wenige zur sozialen Sicherung der Vielen: Die Sozialgesetzgebung im Deutschen Reich in den Jahren von 1881–1918. In: Sozialpolitik in Deutschland. Grundwissen Politik, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99369-4_2
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