Zusammenfassung
Daß die Sozialpolitik die Gesellschaft befriede, galt ihren Befürwortern und Gegnern lange als unumstößlicher Glaubenssatz. Ihm hingen zunächst auch die Architekten der Sozialpolitik an, beispielsweise der Reichskanzler von Bismarck. Mittlerweile sind allerdings auch die politischen Wirkungen des Sozialstaats strittig geworden. Wertet der eine den Wohlfahrtsstaat als stabilisierenden Daseinsvorsorger von der Wiege bis zur Bahre, sieht der andere ihn als Trugbild eines Schlaraffenlandes, das die Effizienz und die Anpassungselastizität der Gesellschaft hier und heute beschädige; erblickt der eine in der Sozialpolitik die beste Kriminalverhütungspolitik, gilt sie dem anderen als die schlechteste Wirtschaftspolitik und als eine Einrichtung, die verweichlicht und der Verteidigungsbereitschaft abträglich ist. Entschärfung von Interessenkonflikten und Kanalisierung gefährlicher Klassenkonflikte stufen die einen als besondere Leistung entwickelter Sozialpolitik ein. Andere halten dagegen, die soziale Sicherung könne Konflikte eindämmen, aber auch alte Konflikte schüren und neue hervorbringen. Hohe Sozialabgaben beispielsweise heizten den Verteilungskonflikt zwischen Arbeit und Kapital und zwischen Privatwirtschaft und Steuerstaat an. Überdies brächten sie mit der Versorgungsklasse eine komplexere Klassenstruktur hervor, aus der neue politische Konflikte entstünden.
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Literatur
Hibbs 1978.
Coughlin 1980, Roller 1992, 1995a, 1996, Allbus 1996 (Variablen 383 u. 409).
Erhard 1957.
Conradt 1980, Roller 1996.
Kaase 1989: 210.
Nicht zufällig gilt die Rentenreform der Regierung Adenauer von 1957 in Habermas Schrift „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ als Paradebeispiel einer inszenierten, nichtauthentischen Öffentlichkeit. Habermas 1962: Kp. VI § 22.
Vgl. für andere Bergmann u.a. 1969, die für den Fall einer Arbeitslosenquote von 5 Prozent schwerste Legitimationskrisen vorhersagten.
Czada 1995. Keine Problemlösung ohne Kosten: Diese Stabilisierung kann bei langanhaltender Strukturkrise zur Verfestigung der Arbeitslosigkeit beitragen (hierzu das vorangehende Kapitel).
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© 1998 Leske + Budrich, Opladen
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Schmidt, M.G. (1998). Politische Wirkungen des Sozialstaats. In: Sozialpolitik in Deutschland. Grundwissen Politik, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99369-4_19
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99369-4_19
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-1963-9
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