Zusammenfassung
Eine Lektüre des Doktor Faustus als Musiker- oder Künstlerroman ist gerechtfertigt, bleibt jedoch insofern unvollständig, als man kaum über den Titel des Romans hinweglesen kann. Der offene Hinweis auf die Fausttradition steuert die Lektüre, auch wenn keine Romanfigur mit diesem Namen den direkten Bezug zum Titel herstellt. Zwischen Biographie und Oeuvre des Musikers Adrian Leverkühn und der Fausttradition entsteht eine vom Autor gewollte Spannung, welcher sich der Leser nicht entziehen kann und die ihn einlädt, wenn nicht sogar auffordert, sich nicht mit der Lektüre dieses Romans als eines in sich geschlossenen Textes zu begnügen. Die Romanform, die auf eine reflexive Rezeption ausgerichtet ist, erleichtert dem Leser diese Aufgabe nicht gerade, so daß sich der Faustus-Roman letztlich erst nach einer zweiten Lektüre in seiner Komposition entschlüsseln läßt. Thomas Mann hat “faktische, historische, persönliche, ja literarische Gegebenheiten” derart in sein Romangefüge integriert, daß das “handgreiflich Reale” schwer unterscheidbar “ins perspektivisch Gemalte und Illusionäre übergeht.”1 Mann selbst bezeichnet seine Grundidee einerseits als “bedenklich anmutendes Montage-Prinzip” (XI,165), ist aber andererseits auch stolz auf die “verwischten Konturen” und das “kaum einem Leser bemerkliche Zitat” (XI, 166).
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Referenzen
T. Mann, Die Entstehung des Doktor Faustus, GW XI, S. 165.
D. Borchmeyer/V. Žmegač, Moderne Literatur in Grundbegriffen, S. 287.
Erst nach Abschluß meiner Arbeit ist mir bekannt geworden, daß das Manuskript “Das Motiv der Verhunzung, des Herunterkommens” auch in der Untersuchung von Jochen Strobel, Entzauberung der Nation. Die Repräsentation Deutschlands im Werk Thomas Manns, enthalten ist.
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Lucca, E.B. (2001). Einleitung. In: Versteckte Spuren. Literaturwissenschaft / Kulturwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99279-6_1
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