Skip to main content

Das Verhalten in ökonomisch prekären Alltagssituationen

  • Chapter
Leben in Armut
  • 181 Accesses

Zusammenfassung

In Kapitel 6 wurden ökonomische Strategien der Armutsbewältigung behandelt, etwa die Verwendung der Arbeitskraft zur Einkommenssteigerung. Dieses Kapitel lenkt nun die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß Individuen in privaten Haushalten ökonomische Probleme nicht nur als Aufgaben empfinden, die im Sinne der Allokation der im Haushalt vorhandenen ökonomischen Ressourcen zu lösen sind, sondern auch als emotionale Belastungen, die gesonderte Reaktionen auslösen. Scheinbar naheliegende Strategien zum Umgang mit niedrigem Einkommen werden mitunter nicht ergriffen. Statt dessen ist ausweichendes Verhalten zu beobachten, das eher die Kontrolle emotionaler Folgen der Probleme als die Lösung der Probleme selbst zum Ziel hat. Mit Hilfe der Theorie der Streß- bzw. Belastungsverarbeitung, die wir in Kapitel 2 beschrieben haben, ist solches Verhalten als Folge bestimmter subjektiver Wahrnehmungen und Einstellungen erklärbar. In dieser Theorie wird zwischen problem- und emotionsorientierten Reaktionen unterschieden. Erstere sind dazu geeignet, die Belastung an ihrer Quelle abzustellen bzw. den sachlichen Aspekt des Problems zu bearbeiten. Präziser als die Bezeichnung problemorientiert wäre sicher ursachenorientiert, weil natürlich auch die emotionale Belastung ein Teil des gesamten Problems ist, doch hat sich die Bezeichnung problemorientiert durchgesetzt. Emotionsorientierte oder kurz gesagt: emotionale Reaktionen lindern demgegenüber den Belastungsdruck dort, wo er empfunden wird, ohne jedoch die Ursache der Belastung anzutasten. Zur zweiten Gruppe gehören u.a. ausweichende Reaktionen und tröstende kognitive Neubewertungen, die das Problem mit seinen Folgen etwa dadurch kleiner erscheinen lassen, daß sie die betroffene Person daran erinnern, wieviel schlechter es anderen Menschen geht. Dieses Kapitel sucht nach allgemeinen Erklärungen für Reaktionen beiderlei Art und greift dabei zunächst die von der Streßtheorie entwickelten Erklärungsansätze auf. Sodann wird gefragt, ob mit niedrigem Einkommen oder anderen Aspekten der sozialen Position eine Neigung zu mehr oder zu weniger problemorientiertem Verhalten einhergeht. Wir greifen dabei auf einige soziologische Erweiterungen des streßtheoretischen Verhaltensmodells zurück, die wir in Kapitel 2 entwickelt haben (vgl. Abschnitt 2.2).1

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 54.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 69.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Ausführlich wird der soziale Kontext der Verarbeitung ökonomischer Belastungen in einer demnächst erscheinenden Dissertation von Salentin (1998) mit den AiD-Daten untersucht.

    Google Scholar 

  2. Die Schwankung erklärt sich wahrscheinlich durch eine Besonderheit der Itemformulierung bei der Anschaffung, die den semantischen Gehalt in die Nähe eines finanziellen Stakes rückt: „Es ist mir unangenehm, meine wirtschaftliche Unabhängigkeit aufzugeben.“ Für Einladung und Behördengang lauteten die Items dagegen: „Wenn ich mir nicht einmal das erlauben kann, komme ich mir ärmlich vor.” und „Ich habe das Gefühl, mich zu erniedrigen oder zu betteln.“

    Google Scholar 

  3. Es sei noch einmal daran erinnert, daß im Gegensatz zu dem vorherigen deskriptiven Überblick in den folgenden Pfadmodellen für die Situation „Jobverlust“ lediglich ein Summenindex als Indikator für das Verhalten verwendet wird (vgl. die Diskussion in Abschnitt 7.1).

    Google Scholar 

  4. Indirekte Effekte errechnen sich in der Pfadanalyse, indem man die entsprechenden Pfadkoeffizienten (die standardisierten Regressionskoeffizienten), die den indirekten Effekt (Pfad) konstituieren, miteinander multipliziert. In unserem Fall ergibt sich für den indirekten Effekt über den Stake Geld: 0,09*(-0,11) _ -0,0099 und für den indirekten Effekt über das Merkmal Kontrolle: 0,15*0,19 = 0,0285. Sind die Pfadkoeffizienten wie in diesem Fall sehr klein, so resultieren bei multiplikativer Verknüpfung jeweils indirekte Effekte ohne nennenswerten Betrag. Dieses Argument schließt auch die Übertragung der soeben geschilderten Erklärung des Einkommenseffekts auf die Deprivationsarmut aus, denn zwischen ihr und dem Stake Geld besteht überhaupt kein statistischer Zusammenhang.

    Google Scholar 

  5. Variationen des Einkommens in dieser Gruppe bedürfen ihrerseits der Erklärung, da die Sozialhilfe bedarfsorientiert bemessen wird und daher bei Bedarfsgewichtung eigentlich konstante Höhe erreichen sollte. Da die genauen Zusammenhänge aber für die gegebene Fragestellung unerheblich sind, werden wir uns mit diesem Problem nicht weiter beschäftigen.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1999 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Andreß, HJ. (1999). Das Verhalten in ökonomisch prekären Alltagssituationen. In: Leben in Armut. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99272-7_7

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-99272-7_7

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-13128-3

  • Online ISBN: 978-3-322-99272-7

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics