Zusammenfassung
Die bisher entwickelte Hypothese über die negativen Sätze im Deutschen besteht im wesentlichen aus folgenden Punkten:
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1.
Für jeden Satz kann nur ein Negationselement gewählt werden.
-
2.
Negative Sätze lassen sich als Realisierungen von abstrakten Strukturen interpretieren, bei denen das Negationselement (NEG) von keiner nominalen oder verbalen Konstituente dominiert wird, bei denen es vielmehr dem Satznukleus (NUKL), der die verbalen und nominalen Konstituenten umfaßt, gegenübersteht.
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3.
Die Stellung und die morphematische Realisierung des Negationselementes in der Oberflächenstruktur eines Satzes ist nicht frei wählbar, sondern vor allem durch die Art der nominalen Konstituenten bestimmt.
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Literatur
Die beiden Lesarten der Relativsätze lassen sich durch Umschreibungen von (6) etwa folgendermaßen verdeutlichen: restr.: Sie hat denjenigen Aufsatz gelesen, der ihn interessiert. n.-restr.: Sie hat den Aufsatz, der ihn im übrigen interessiert, gelesen. Zum Problem der restriktiven und nicht-restriktiven Relativsätze siehe W. Motsch (1965, 65 ff.), D. Clement u. W. Thümmel (1968) und B. Drubig (1968).
Diese Hypothese wird von B.Drubig (1968) vertreten. Nichtrestriktive Relativsätze interpretiert er als eine Art Vorwegnahme potentieller Nachfolgesätze; d.h. er nimmt für das Gefüge aus einem Matrixsatz mit einem solchen Relativsatz die gleiche Tiefenstruktur wie für eine entsprechende Satzfolge an.
Diese Frage ist von Gr. Lakoff mehrere Male (zuletzt 1968) für entsprechende englische Sätze diskutiert worden (I believe that John isn’t coining. I don’t believe that John is coming). Er schlägt bei Verben wie believe, think, expect, want eine fakultative Umstellung des Negationselementes (‘negation raising’) aus dem Konstituenten- in den Matrixsatz vor. Siehe auch R.W. Longacker (1968, 128 f.).
Vgl. hierzu Fußnote 1) auf S. 116. Siehe auch die ausführliche Diskussion von Nichtraucher bei W. Motsch (1967, 34 ff-).Es erscheint als attraktiv, auch andere Fälle von Präfixnegation auf Negationselemente in eingebetteten Sätzen zurückzuführen. Ein solcher Ansatz leuchtet aber etwa bei Formen mit un-Präfixen nur in einem Teil der Fälle ein. Vgl. unbeschreiblich (‘kann nicht beschrieben werden’) und unheimlich (? ‘ist nicht heimlich’). Einige Überlegungen hierzu finden sich bei P. Kiparsky (1966, 75 ff.).
Vgl. die in Abschnitt 3.2 zitierte Duden-Definition der ‘Wortverneinung’, wonach das Verneinungswort (nicht oder kein) Attribut des Wortes sein soll, auf das es sich bezieht. Abgesehen davon, daß nicht in nominaler Umgebung stehen kann, besteht jedoch keinerlei syntaktisch-semantische Analogie zu attributiven Adjektiven oder nominalen Attributen.
Sätze mit doppelter Negation (Er hat kein Buch nicht gelesen) lassen sich, wie später gezeigt werden soll, nicht als einfach interpretieren.
M. Bierwisch (1966, 152) verwendet in einer Untersuchung der Bedingungen für die Emphaseintonation den Begriff ‘paradigmatische Korrektur’, der bei ihm aber weiter gefaßt ist als unsere Bezeichnung ‘Korrektursatz’.
Zu beachten ist, daß die Stellung von nicht bei dem negativen Teilsatz von (26) allein zu einer eindeutigen Bestimmung des ‘Bereichs’ der Negation noch nicht ausreicht. Der Satz Kuno hat nicht den Käse gekauft gestattet u.a. auch den Kontext sondern mit der Verkäuferin geflirtet.
Möglich ist diese Stellung von nicht natürlich bei dem etwas abwegigen Satz Kuno hat nicht den Käse gekauft, sondern (er hat) Peter (gekauft). Die emphatische Variante von (36) müßte lauten: Kuno hat den Käse nicht gekauft, sondern Peterhat den Käse gekaufte
Fälle dieser Art sind wohl nur unter Verwendung von Referenzindizes beschreibbar, da ‘Richtungsmerkmale’ (dieser, jener) nicht ausreichen, um die Verschiedenheit der entscheidenden Konstituenten in einem Satz wie dem folgenden zu erklären: Er hat nicht von dem 1 , Käse gegessen, sondern von démp (Käse).
Die technischen Probleme sind damit noch nicht völlig gelöst. Die Markierungsregein von Gleitman erfordern, daß die beiden Satzstrukturen gleichzeitig verfügbar sind. Das wiederum setzt voraus, daß die Basisregeln entweder zwei teilidentische Satzstrukturen parallel generieren (ein Prozeß, für den es bislang noch keinen Algorithmus gibt) oder daß ‘gewartet’ wird, bis die Basisregeln zwei koordinierbare Strukturen nacheinander erzeugt haben, was einen Kontrollmechanismus für die Koordinierbarkeit von Satzstrukturen voraussetzt.
Sehr wahrscheinlich sind dies Transformationen, die auch für die Ableitung anderer koordinativer Konstruktionen angenommen werden müssen. Vgl. Kommst du heute oder kommst du morgen? ===> Kommst du heute oder morgen? ; Ich habe das Buch nicht gelesen, aber Kuno hatdas gelesen ===> Ich habe das Buch nicht gelë”sen, aber Kuno.
Dies ist nebenbei ein Hinweis darauf, daß das Personalmerkmal des finiten Verbs keine primäre Einheit der Satzstruktur ist, sondern als transformationlie ‘Kopie’ des Personalmerkmals der Subjektphrase zu verstehen ist. Subjekte (ich:du) oder Verben (kaufen : stehlen) können kontrastiert werden, nicht aber die Personalmerkmale der finiten Verben (bin:ist).
Möglich ist jedoch der Satz Er hat ihr nicht einen Brieffeschrieben im Kontext von sondern zwei (Briefe). Das Prolem der Quantifikatoren wird in den folgenden Abschnitten behandelt.
Das Negationselement steht also nicht in allen Fällen unmittelbar vor der akzentuell hervorgehobenen Einheit. Vgl. nicht auf dem Tisch; nicht auf dem Tisch.
Ungelöst bleibt hier wie auch in den übrigen Fällen, wie der textsyntaktische und -semantische Zusammenhang zwischen dem negativen Satz und seinem positiven Voraussetzungssatz zu fassen ist. Die durch NEG-sondern koordi-- Portsetzung nächste Seite — Portsetzung von Seite 161 — nierten Sätze sind nicht nur aufeinander abgestimmt, sondern stehen jeweils in einer bestimmten Relation zu einer vorausgesetzten Annahme, die korrigiert’ werden soll. Kuno hat den Käse gekauft. — Nein, (er hat) nicht den Käse, sondern die Wurst (gekauft).
Daß ein solcher Zusammenhang besteht, wird u.a. durch folgende Ausdrücke suggeriert: Nur Kuno hat das Buch gelesen, niemand anders; Kuno hat nur das Buch gelesen, nichts anderes; Kuno hat das Buch nur gelesen, er hat nichts anderes damit getan. Dies führt zunächst wiederum zur Frage der Funktionsmerkmale von anders, für das wahrscheinlich ein inhärentes Negationselement angenommen werden muß. Vgl. nur Kuno = Kuno und niemand anders = Kuno und niemand, der nicht Kuno ist. Ob es überhaupt sinnvoll wäre, diese semantischen Zusammenhänge syntaktisch zu interpretieren, kann ich nicht beurteilen.
Auf die Behandlung anderer Adversativkonstruktionen wird hier verzichtet, da sie beim derzeitigen Stand der Kenntnisse von diesen Konstruktionen lediglich zu einer Erweiterung des Katalogs der ungelösten Probleme führen würde. sondern unterscheidet sich von den übrigen Partikeln u.a. dadurch, daß es notwendig ein Negationselement im vorausgehenden Teilsatz verlangt, während aber, jedoch, dennoch sowohl einem negativen als auch einem positiven Zweitsatz eines Satzpaares angehören können, ganz abgesehen von den Fällen, bei denen Negation zumindest syntaktisch gar nicht involiert ist (Kuno ist intelligent, aberfaul).
Allenfalls metasprachlich kann sich die Negation auf ein Wort ‘beziehen’, wenn etwa die Annahme, daß jemand einen bestimmten Ausdruck verwendet hat, als nicht-zutreffend zurückgewiesen wird; z.B.: Er hat nicht ‘theologisch’, sondern ‘teleologisch’gesagt’
Die Aktor-Aktion-Relation ist hier nur als Beispiel, nicht als Prototyp semantischer Relationen zu verstehen.
Ein mögliches Argument für die Annahme von (26ji) als Grundlage für die Ableitung von (26) wäre, daß auf die Behauptung Kuno hat den Käse gekauft auch erwidert werden kann Es/Das war nicht der Käse, (sondern ...) oder Das (was er gekauft hat) war nicht der Käse (sondern ...). Dies reicht — Portsetzung nächste Seite — Portsetzung von Seite 165 — jedoch als Begründung nicht aus, da die Annahme, daß formal verschiedene Ausdrücke, die semantisch äquivalent sind, auf die gleiche Tiefenstruktur zurückgehen, bislang noch nicht bewiesen worden ist. Wir begnügen uns hier, wie gesagt, mit der bescheideneren Annahme, daß formal gleiche und natürlich auch formal verschiedene Ausdrücke, die bedeutungsverschieden sind, nicht die gleiche Tiefenstruktur haben können.
Vgl. hierzu B. Drubig (1968, 26 ff.).
Für die Ableitung von (26) aus (26ji) wäre praktisch die ‘Einbettung’ des Matrixsatzes in den Konstituentensatz erforderlich, eine Operation, deren Pormalisierung derzeit nicht denkbar ist. Eine Ableitung aus (26ij) entspräche den Überlegungen von E. Bach (1968), der alle Nominalphrasen als elementare Satzstrukturen, die von Variablen (‘Proele-menten’) der Matrix dominiert werden, zu interpretieren sucht. Die Operationen, die für die Ableitung der entsprechenden Oberflächenstrukturen erforderlich sind, diskutiert Bach nicht.
Vgl. etwa Kuno geht nach Hause. Das werde ich auch tun (=‘Ich werde auch nach Hause gehn’). Zur Frage der Proverben siehe H. Vater (1968, 22 f.).
Genau genommen wäre auch noch das Merkmal der ‘Bezahlung’ zu berücksichtigen.
Wichtig ist, daß das Merkmal ‘legal’ selbst nicht bestritten werden kann, kaufen hat dieses Merkmal unabhängig davon, ob der Satz negativ oder positiv ist. Bestritten werden kann nur die Relation zwischen ‘legal’, den übrigen Merkmalen von kaufen und den anderen Einheiten des Satzes, also ‘die Legalität der Inbesitznahme des Käses durch Kuno’.
Vgl. hierzu die Expansion der Nominalphrasen bei W. Motsch (1965, 77 ff.): NP→ D (Num) N. D steht für die Artikel, Num für die Quantifikatoren einige, mehrere, viele, wenige und die eigentlichen Numeralia. Die Kongruenzteziehungen zwischen den Quantifikatoren, den Artikeln und den Klassen der Nomina werden dort durch Kontextrestriktionen geregelt» H. Vater (1967, 58) nimmt ein Element gum als Teilkonstituente des Determinans an, wobei aber nicht klar wird, ob alle ein Determinans oder ein ‘Prädeterminans’ sein soll.
Der Ausdruck ?Er hat alle Bücher nicht gelesen ist zumindest in meinem Dialekt des Deutschen grammatisch abweichend. Die Befragung von Informanten führte nicht zu einer einheitlichen Bewertung dieses Satzes. Irritierend war, daß oft ein und derselbe Informant bei seiner Beurteilung von Beispielen dieser Art inkonsistent war. Der Satz Alle Bücher hat er nicht gelesen ist als emphatische Variante von Er hat nacht alle kücher gelesen aufzufassen, wogegen der Aus-druck Alle diese Bücher hat er nicht gelesen meines Erachtens zweideutig ist: a) Er hat diese Bücher nicht alle gelesen; b) Er hat diese Bücher alle nicht gelesen.
Unter Kontrastbedingungen (sondern) scheint die Realisierung des Negationselementes vor einem Numerale davon abzuhängen, ob die Kontrasteinheit in dem positiven Satz numerisch größer oder kleiner ist. Vgl. Er hat keine drei, sondern (nur) zwei Bücher gelesen. Er hat nicht (nur) zwei, sondern drei Bucheregelesen. Ich kann diese Beobachtung hier nur festhalten. Eine Klärung kann auch hier erst eine genaue Untersuchung des Verhältnisses von Negation und Limitation bringen.
Ausnahmen bilden Sätze, bei denen die Limitativform nur mit der Negation interferiert; z.B. Er hat nicht nur einige (wenige) Bücher gelesen, sondern sehr viele.
Ich fasse hiermit eine Reihe von Einzelregeln zusammen. Eine Zusammenstellung des umfangreichen Systems von Regeln befindet sich a.a.O., 316 ff..
Klima gibt leider nicht klar zu erkennen, ob die Anwendung dieser Transformation tatsächlich fakultativ sein soll. Er bezeichnet sie, u.a. im Zusammenhang mit den hier zitierten Beispielen, als ‘optional’, gibt aber an anderer Stelle (a.a.O., 280 u. 319) zu verstehen, daß sie in bestimmten Umgebungen obligatorisch (‘obligatory in certain environments’) anzuwenden sei. Welcher Art diese Umgebungen sind, erklärt er jedoch nicht.
Daß Klima semantische Kriterien zu berücksichtigen sucht, steht außer Prage. Siehe etwa seine Verwendung von syntaktisch-semantischen Merkmalen (‘grammatico-semantic features’) a.a.O., 312 u. 316 ff. Seine Darstellung wurde unter ähnlichen Gesichtspunkten auch von A. Kraak (1966, 130 ff.) kritisiert.
Auch die Sätze, bei denen eine quantifizierte Nominalphrase die emphatische Spitzenstellung des Satzes einnimmt, sollen hier nicht berücksichtigt werden. Vgl. den zweideutigen Satz Viele Bücher haternicht gelesen; a) Erhat nicht viele Bücher gelesen; b) Er hat viele Bücher nicht”“gelesen. Abgesehen vom Kontext gibt es hierbei keine Möglichkeit, die Zweideutigkeit in der Ausdrucksstruktur aufzulösen» Auch die Intonation ermöglicht keine klare Abgrenzung der beiden Lesarten.
Vgl. auch: Er hatnicht viele von den Büchern gelesen; Erhat viele von den Büchern nicht gelesen. In beiden Fällen liegt Partitivität vor.
Um die Diskussion nicht noch weiter zu komplizieren, lasse ich Sätze mit anderen Akzentverhältnissen beiseite; u.a. Er hat kein Buch gelesen und Er hat kein Buch gelesen. Beide Sätze können als nachdrückliche Zurückweisung der Behauptung verstanden werden, daß ‘er doch ein Buch gelesen hat’.
Da Satz (72) weder mit (53) noch mit (54) synonym ist, kann es sich bei den beiden Negationsträgern auch nicht etwa um ein auf zwei Formen diskontinuierlich verteiltes Negationselement handeln, so wie es z.B. bei dem französischen ne... pas in seiner heutigen Funktion vorstellbar ist.
Es wäre natürlich noch eine detaillierte Merkmalklassifikation denkbar. Aber auch dann könnte die Prage, ob die Wahl der Merkmale durch das zunächst gewählte Negationselement restringiert ist oder die zunächst gewählten Merkmale die Realisierung der Negation determinieren, nicht entschieden werden. Das Problem der doppelten Negation bliebe bei beiden Annahmen unlösbar.
Eine partitive Lesart des Objektes verlangt eine andere Akzentverteilung: Viele Studenten haben kein Buch (kéins der Bücher) gelésen.
Entsprechende Beispiele wären auch im Hinblick auf das indirekte Objekt möglich: Er wurde nicht vielen Gästen vorgestellt; Er wurde vielen Gästen nicht vorgestellt.
Als quantifiziert wäre etwa auch das Adverb oft aufzufassen; vgl. Er war nicht oft zuhause und Er war oft nicht zuhause. Dieses frequentive Adverb teilt ohnehin eine Reihe von Eigenschaften mit viel. Es kann durch Gradadverbien modifiziert werden (sehr oft/viel; zu oft/viel) und ist gelegentlich durch viel ersetzbar: Er war viel zuhause. Möglicherweise ist oft wie viele Male zu analysieren.
Jackendoff gibt nicht klar zu verstehen, ob überhaupt ein primär satzbezogenes Negationselement anzunehmen ist, da er für alle seine Beispiele als tiefenstrukturellen Ursprung im Endeffekt die nominalen Konstituenten bzw. die Verbalphrase (bzw. das Auxiliar) fordert. Im Fall von Satz (86) deutet er jedoch an, daß das Negationselement entweder auf den Satz bezogen sein könne (nur semantisch?) oder auch nur auf die Verbalphrase. Dieser Satz könne nämlich einmal ‘verneinen, daß der Pfeil die Scheibe traf’ (Satznegation), das andere Mal ‘von dem Pfeil behaupten, daß er die Scheibe nicht traf’ (Negation der VP); jedoch: “The truth values of these readings are equivalent; the only difference is in emphasis”. (a.a.O., 230).
Ich habe die einzelnen Schritte, die Jackendoff an unterschiedlichen Beispielen erläutert, konsequent auf die hier zitierten Beispiele übertragen.
Siehe J.J. Katz und P.M. Postal (1964, 32 ff. und 46 ff.).
Unter anderem fordern M. Bierwisch (1965, 90 ff.) und N. Chomsky (1965, 103 ff.), daß die Bedingungen für eine Pas-sivisierung schon in der Basis gegeben sein müssen; was schon deswegen einleuchtet, weil auch bestimmte transitive Verben (haben, besitzen, bekommen u.a.) keine Passivisie-rung zulassen. Man denke auch daran, daß bei referentieller Identität von Subjekt und Objekt (Erwäscht sich) Passivi-sierung ausgeschlossen ist; in anderen Fällen ergibt sie nur sehr seltsame Ausdrücke (Ich weiß es. ?Es wird von mir gewußt).
Es ist zugegebenermaßen nicht ganz fair, deutsche Beispiele als Argument gegen die Überlegungen Jackendoffs anzuführen, zumal sich die Realisierung der Negation in den beiden Sprachen stark unterscheidet. Da es mir aber in erster Linie um die Prage geht, ob sich dieser Ansatz auf das Deutsche übertragen läßt, halte ich die Probe auf’s Exempel für legitim. Auch vom Englischen her ließe sich zeigen, daß diese Vorschläge weder für Negation noch für die Theorie der generativen Grammatik insgesamt einen ausbaufähigen Ansatz darstellen.
Damit soll nicht angedeutet werden, daß die Aktiv- und Passivsätze auf die gleichen Tiefenstrukturen zurückgehen. Für die beiden Satztypen müssen in jedem Pall unterschiedliche Bedingungen in der Basis gegeben sein.
Von den beiden Sätzen Some .jobs weren’tdone by any men und ‘Any men didn’t do some jobs wird der zweite als ungrammatisch markiert, weil any außerhalb und some innerhalb des Bereichs der Negation steht. Vgl. a.a.O., 232ff.. Da nach Jackendoff beide Ausdrücke auf die gleiche Tiefenstruktur zurückgehen, könne erst im Anschluß an die Passivtransformation entschieden werden, ob der Satz akzeptabel sei oder nicht. Praktisch werden aber nur nachträglich Bedingungen an die abgeleitete Struktur herangetragen, die schon in der Basis zu entwickeln wären.
So erscheint es als sinnvoll, den mehrdeutigen Ausdruck Heute wird das Zimmer von Frau Müller geputzt in einen Zusammenhang mit den Sätzen Heute putzt frrau Müller das Zimmer und Heute putzt man das Zimmer von ffrau Müller zu bringen; wobei jedoch nicht unbedingt ein Zusammenfall der Tiefenstrukturen der Aktivsätze in dem Passivsatz angenommen werden muß, da keine der beiden Lesarten des ersten Satzes mit einem der Aktivsätze völlig synonym ist.
“One neg in a sentence is easy to interpret, two negs are more difficult, but three negs are almost impossible. This is exactly comparable to the classic case of performance constraint, center-embedded relative clauses, where the difficulty is directly proportional to the number of em-beddings, becoming virtually impossible by the time three embeddings are reached.” (a.a.O., 237).
Entsprechend interpretiert er den Satz Hij legst niet veel boeken als Ausdruck eines Komplexes aus zwei Subjekt-Prä-dikatsverbindungen: Er zi jn niet veel boeken + Hij leest de boeken ⇒ Hij leest niet veel boeken. (a.a.O., 166).
Es wäre bei solchen Sätzen auch denkbar, von einer Satzfolge wie Er hatte kein Glück; das war irgendwann/irgend-wo auszugeben. Dem widerspricht jedoch, daß der negative Satz im Grunde eine Spezifikation der Temporal- bzw. Lokalbestimmungen ist und nicht diese eine nachträgliche nähere Spezifikation des negativen Satzes. Bei etwas und irgendwer ist eine solche Nachstellung eines positiven Existenz- oder Partitivsatzes ohnehin nicht denkbar, es sei denn, man hält eine Folge wie x (es?) hat ihm nicht gefallen; das war (ein) etwas für eine plausible Losung.
alle scheint stets schon die Existenz einer Menge vorauszusetzen.
Nicht auf das Prädikatsadjektiv, sondern auf das Adverb eines eingebetteten Satzes werden die Attribute von Nominalkomplexen wie der späte Grast oder ein, starker Raucher zurückgeführt. Siehe hierzu W. Motsch (1965, 55 ff.).
“Bei isolierten Wendungen wie Das ist alles scheint es sich eher um eine omnalisierte Proform, die als Prädikatsnomen fungiert, zu handeln. Bei umgangssprachlichen Ausdrücken wie Die Bücher sind alle (im Sinne von ‘verkauft’, ‘verbrauacht’) ist alle kein Quantifikator. Vgl. Die Bücher sind alle alle. Nur das erste alle ist dabei als Quantifikator zu verstehen.
Selbst der Satz Ich gebe dir alles, was du willst gestattet die Varianten Ich gebe dir all das, was du willst; Was du willst, das gebe ich dir alles.
Die Analogie mit den adjektivischen Attributen (keine alten Bücher) würde wiederum nicht erklären, warum NEG- vor viele stets als nicht realisiert ist (‘keine vielen Bücher).
D.h., wenn wir von einer Folge von Elementarsätzen ausgehen, wäre viele jeweils das Prädikat des letzten Satzes.
Je nachdem, ob alte oder Bücher betont ist, kann auch bei diesem Ausdruck ein unterschiedlicher Fokus der Negation verstanden werden, der sich kontextuell leicht begründen läßt. Diese verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten liegen jedoch nicht auf der gleichen Ebene wie die Mehrdeutigkeit des Ausdrucks Viele Bücher hat er nicht gelesen.
Eine Ausnahme bilden Sätze mit ‘Nachdruckskoordination’ wie Er läuft und läuft und läuft, bei denen aber auch, schwerlich eine Satzkoordination angenommen werden kann.
Es leuchtet z.B. überhaupt nicht ein, daß der Satz Er hat kein Buch gelesen auf eine Tiefenstruktur zurückgefüErt wer-den sollteV die sich durch ?Er hat (ein) Buch gelesen, das nicht éin (einziges) ist umschreiben läßt; denn die Para-phrase behauptet praktisch, daß ‘eine Menge Bücher, die den Umfang ‘Null’ hat, von ihm gelesen wurde’. Es kann aber allenfalls abgestritten werden, ‘daß es eine Menge Bücher gibt, für die gilt, daß er sie gelesen hat’.
Der Vorschlag, Quantifikatoren als eine Art von Verben oder Adjektiven zu interpretieren, wurde ebenfalls zunächst von G. Lakoff (1965, Appendix F) gemacht.
Die Verbalphrase (VP) enthält hier auch das Objekt. Die Reihenfolge Subjekt-Verb-Objekt wird in den generativen — Fortsetzung nächste Seite -- Portsetzung von- Seite 209 -Grammatiken des Englischen generell als Basisanordnung angenommen. In dem grammatischen Modell, an dem Carden sich orientiert, werden Satzeinbettungen durch eine Regel NP → up s vorgenommen. Dies ist der Grund, warum innerhalb der Subjektphrase von (112a) das Symbol NP zweimal auftaucht.
In einer späteren Arbeit (1967, Abschn. 5.1 — sie entstand nach der 1968 veröffentlichten Studie) schlägt Carden vor, Quantifikatoren wie transitive Verben zu behandeln. (All the boys hit the balls: ‘x, which x hit the balls, all the boys’ ). Er kommt damit der Darstellung der Qualifikation im Prädikatenkalkül sehr nahe, schafft aber durch die Verwendung von Variablen nur noch größere Probleme für die transformationeile Ableitung der Sätze aus den angenommenen abstrakten Strukturen. Das Verhältnis von Negation und Quan-tifikation stellt für die Kalkülsprachen der Logik kein Problem dar. Eine Übertragung von Sätzen einer natürlichen Sprache etwa in Ausdrücke des Prädikaten- oder Mengenkalküls ist aber noch keine Strukturbeschreibung, sondern nur eine Übersetzung, die sich derzeit nicht rückübersetzen läßt.
Siehe Abschnitt 7.1
Der Satz hat außerdem noch eine Lesart in der Bedeutung von Alle die Studenten haben nicht viele Bücher gelesen.
Die Bedingungen für die Adjunktion von Relativsätzen würden dabei nicht verletzt; denn für (115) würde eine Tiefenstruktur angenommen, die sich umschreiben läßt: ‘Die Studenten, die alle (sind), haben Bücher, die viele sind, gelesen’.
Der Satz Er hat alle Bücher gelesen ist weder die positive Voraussetzung für (52) noch für die Sätze Er hat ein zwei drei... Bücher nicht gelesen, sondern nur für Er hat nicht alle Bücher gelesen. Auf der anderen Seite ist der Satz Er hat keine Bücher gelesen nicht die Negation von Satz (101) sondern von Er hat Bücher gelesen; d.h. der Voraussetzung für (101).
Als ‘Prosatz’ wurde nein zuletzt von A. Isacenko (1965, 164) bezeichnet. Zu den Adverbien wird es in vielen Lexiken und Grammatiken gerechnet, u.a. im Duden (1966, 303). M. Bierwisch (1966, 170 ff.) wendet sich entschieden gegen die Auffassung, daß nein ein elliptischer Satz sei. Er rechnet es zusammen mit ja, doch, kaum, bestimmt zu den Satzadverbien.
Siehe hierzu W. Hartung (1964, 62 ff.) und H. Vater (1968, 23 f.).
Hierzu gibt es eine Ausnahme: Wenn der Antwortende die unmittelbare Antwort in einen Satz einbettet, der die Fragesituation und den Antwortenden selbst ‘kommentiert’, z.B.: Auf diese Frage/darauf kann ich nur ganz entschieden entgegnen: (Nein), er ist nicht krank. Hierbei kann Nein oder der negative Satz wegfallen.
Vgl. den Schluß von Abschn. 6.1
Bei dem Ausruf Nein! 1st das schön! ist der nachfolgende Satz der Stellung des finiten Verbs nach eine Entscheidungsfrage. Er hat freilich keine Frageintonation.
Ich greife hier von den verschiedenen Fragetypen, die Bierwisch eingehend behandelt, nur zwei heraus.
Es gibt einen besonderen Typ von negativen Fragen, bei denen eine Antwort mit ja nahegelegt wird (Ist sie nicht schön? Ja, das ist sie), Über die eigenartige Funktion des Nega-tionselementes bei diesen Fragen bin ich mir noch nicht im klaren. Seine Relation zu den übrigen Einheiten wird sich erst im Rahmen einer genaueren Untersuchung der internen Struktur der Fragesätze bestimmen lassen. Es scheint eine Beziehung zwischen Fragen dieser Art und nicht-wahr-Fragen zu bestehen Die ist schön, nicht wahr?).
Die Rolle der verschiedenen Intonationsparameter für die Bedeutung, in der ja und nein verstanden werden, wurde von H. Richter (1967) experimentell untersucht.
Einen Sonderfall bilden Befehlssätze, durch welche explizit zu einer sprachlichen Reaktion aufgefordert wird; z.B. Sag mir endlich, ob Kuno krank ist! Katz und Postal (1964, 85 f.) fordern anhand entsprechender Beispiele des Englischen, Fragesätze generell als ein Sonderfall der Befehlssätze zu interpretieren. Im Hinblick auf die semantische Intepreta-tion von Fragen schlagen sie für diese eine Tiefenstruktur mit I request that you answer ... als Matrix vor.
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Stickel, G. (1970). Probleme der Syntax der Negation. In: Untersuchungen zur Negation im heutigen Deutsch. Schriften zur Linguistik, vol 1. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99026-6_7
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