Zusammenfassung
Am 28. Juli 1834, also, wenn man von wenigen Monaten absieht, vor hundertundfünfzig Jahren, hat der französische Forschungsreisende Charles Texier in Kleinasien etwa 150 km östlich von Ankara, das damals unter dem Namen Angora noch eine kleine türkische Landstadt war, ausgedehnte Ruinen bei einem Dorfe namens Boğazköy entdeckt. Nur eine halbe Gehstunde davon entfernt zeigten ihm die Dorfbewohner in einer Felsgruppe eine ganze Reihe von Reliefs, die in ziemlich gleicher Höhe, aber nicht alle in gleicher Größe aus den Felswänden herausgemeißelt sind (Tafel I). Von einem der größten, das etwas für sich steht und einen nach links gerichteten, offenbar auf zwei Erhöhungen postierten Mann zeigt (Tafel II), sagten sie, daß es den Padischah, den Großherrn oder Großkönig, darstelle. Als Mohammedaner, denen die bildliche Darstellung von menschlichen Wesen sehr befremdlich, wenn nicht undenkbar war, konnten sie sich, wenn sie es schon mit einem so ungewöhnlichen Werk zu tun hatten, nichts anderes vorstellen, als daß das höchste irdische Wesen, der Sultan und Chalif, hier gemeint sei. Wie sehr sie recht hatten, zwar nicht mit der Auffassung Sultan und Chalif, wohl aber mit der eines Großkönigs, konnte man damals noch nicht ahnen, auch Texier nicht. Die authentischen Urkunden der Staaten und Kulturen des Alten Orients waren, mit Ausnahme der sich anbahnenden Erschließung Altägyptens und Altpersiens, noch nicht gefunden, die großen Entdeckungen in Niniveh, Nimrud, Chorsabad und im südlichen Mesopotamien standen noch bevor. Man war daher zunächst durchaus
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Literatur
Charles Texier, Description de l’Asie Mineure, faite par ordre du Gouvernement Français de 1831 à 1837, et publiée par le ministre de l’Instruction Publique (Paris 1839), I 214 ff. Pl. 73–79. — Das letzte umfassende Werk mit eingehender Behandlung der Forschungsgeschichte, der Morphologie, der Architektur, der Reliefs, der Inschriften und der Kleinfunde ist: Das hethitische Felsheiligtum Yazilikaya, Boğazköy-Hattuša Bd. DC, Berlin 1975.
Winfried Orthmann, Zum Relief Nr. 81 in Yazihkaya: Beiträge zur Altertumskunde Kleinasiens, Mainz 1983, 427 ff.
Claude F.-A. Schaeffer, Ugaritica III (Paris 1956) 17 ff., 111 (E. Laroche).
Heinrich Otten, Hethiter, Hurriter und Mitanni (Fischer Weltgeschichte, die altorientalischen Reiche II, Frankfurt 1966) 170.
Zur Lage in den westanatolischen Teilen des hethitischen Reiches unter Tuthalija IV. vgl. zuletzt Itamar Singer, Western Anatolia in the Thirteenth Century B. C. according to the Hittite Sources: Anatolian Studies XXXIII 1983, 205 ff., im Hinblick auf Tuthalija IV. besonders 214 ff.
Friedrich Cornelius, Geschichte der Hethiter (Darmstadt 1973) 256 f.
Cord Kühne und Heinrich Otten, Der Šaušgamuwa-Vertrag (Studien zu den Boğazköy-Texten Heft 16, Wiesbaden 1971) 10/11, Vs. II 20–22.
Muwatalli: Felsrelief bei Sirkeli in Kilikien, Hattušili III.: Felsbilder bei Fraktin und Taşçi, Šuppiluliuma II.: Felsinschrift am Nişantepe in Boğazköy.
Zuletzt Emilia Masson, Les inscriptions louvites hièroglyphiques d’Emirgazi: Journal des Savants, janvier-mars 1979, 3–49 (mit guten Abbildungen der Altäre).
Zur Lage von Köylütolu und Beyköy vgl. die Karte Abb. 2.
Hans Henning von der Osten, Discoveries in Anatolia 1930–31 (Oriental Institute Communications 14, Chicago 1933), 123–127. Ignace J. Gelb, Hittite Hieroglyphic Monuments (Oriental Institute Publications XLV, Chicago 1939) 32 f.
Johannes Friedrich, Hethitisches Wörterbuch 91 s.v. In einem der sog. Bildbeschreibungstexte von Kultbildern heißt es: „[Stadt I]aššlija: die ‚Herrin der Schleuse‘ ist ein Bildwerk einer Frau aus Holz, silberbelegt“ (H. G. Güterbock in Beiträge zur Altertumskunde Kleinasiens 209).
Rudolf Naumann, Architektur Kleinasiens von ihren Anfängen bis zum Ende der hethitischen Zeit (2. Auflage, Tübingen 1971) sagt 195: „Eine andere Stauanlage unsicheren Alters, aber wohl eher dem 1. als dem 2. Jahrtausend angehörend, wurde bei Karakuyu im großen Halysbogen gefunden“.
Kurze Erwähnungen: American Journal of Archaeology 76, 1972, 171; 77, 1973, 174. Bei einem Symposion im Jahre 1973 in Mainz hat Herr Raci Temizer ausführlich über den Befund, jedoch ohne Interpretation der Inschriften, vorgetragen.
Emmanuel Laroche, Les Hièroglyphes Hittites I (Paris 1960) 207, 2 (S. 113). Piero Meriggi, Manuale di Eteo Geroglifico II, 2, 315 f. (No. 95–96).
Journal of Near Eastern Studies 26, 1967, 80 Anm. 12. In einem Briefe vom 17.2.1984 hat Güterbock diese Lesung eingehend begründet und zudem darauf aufmerksam gemacht, daß in Keilschrifttexten aus Boğazköy (KBo) XII 39, 12–18 Tempelbauten und eine Tuthalija-Stadt zusammen genannt werden. Für diesen Hinweis und die Ermächtigung, ihn erwähnen zu dürfen, möchte ich ihm auch hier meinen Dank ausdrücken.
Kurt Bittel, Hattusha, the Capital of the Hittites (New York 1970) 24 ff. Deutsche Ausgabe: Hattuscha, Hauptstadt der Hethiter (Köln 1983) 32 ff.
Heinrich Otten, Die Apologie Hattusilis III. (Studien zu den Boğazköy-Texten Heft 24, Wiesbaden 1981) 15 §8.
Die Geschichte der Königsburg, wie sie in den architektonischen Anlagen zum Ausdruck kommt, ist aufgrund der Ausgrabungsergebnisse erschöpfend behandelt von Peter Neve, Büyükkale, die Bauwerke (Boğazköy-Hattuša XII, Berlin 1982).
Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 93, 1962, 50ff. (Thomas Beran).
Kurt Bittel und Hans Gustav Güterbock, Boğazköy, neue Untersuchungen in der hethitischen Hauptstadt (Berlin 1935) 67ff. Rudolf Naumann, Die Architektur Kleinasiens von ihren Anfängen bis zum Ende der hethitischen Zeit (2. Auflage, Tübingen 1971) 400, 473 f. Peter Neve, Regenkult-Anlagen in Boğazköy-Hattuša, ein Deutungsversuch (Istanbuler Mitteilungen Beiheft 5, Tübingen 1971) 9ff.
Peter Neve in: Archäologischer Anzeiger 1979, 135ff.; 1981, 363 ff.; 1982, 383 ff.; 1983, 427 ff.
Das scheint mir heute gegenüber anderen Hypothesen (vgl. zum Beispiel Muhibbe Darga in: Anadolu Araštirmalari 6, 1978, 158 ff.) viel naheliegender.
Die Grundrisse dieser Tempel sind zusammengestellt bei Rudolf Naumann, Architektur Kleinasiens von ihren Anfängen bis zum Ende der hethitischen Zeit (2. Auflage, Tübingen 1971) 451/52 Abb. 591–594.
Peter Neve in: Boğazköy IV, Funde aus den Grabungen 1967 und 1968 (Berlin 1969) 9 ff. Kurt Bittel, Die Hethiter, die Kunst Anatoliens vom Ende des 3. bis zum Anfang des 1. Jahrtausends vor Christus (Universum der Kunst, München 1976) 124/25 Abb. 119/120. Eine umfassende Neuvorlage dieses Tempelbezirkes durch Peter Neve befindet sich in Vorbereitung.
Grundriß nach dem Ausgrabungsstand von 1982: Archäologischer Anzeiger 1983, 430 Abb. 3a.
Emmanuel Laroche, Nişantaş: Anatolica III 1969–1970, 93–98 mit Pl. V-VII. Franz Steinherr, Die Großkönigsinschrift von Nişantaş (Boğazkale): Istanbuler Mitteilungen 22, 1972, 1–13 (mit Kopie und Photographie der gesamten Inschrift). Piero Meriggi, Manuale di Eteo Geroglifico II 2 (Roma 1975) 292f. (No. 43).
Eine genaue Aufnahme und Beschreibung von Sarikaie liegt von Rudolf Naumann vor: Sarikale in Boğazköy (Beiträge zur Altertumskunde Kleinasiens, Mainz 1983, 383–390 mit Abb. 1–5, Taf. 79–81).
Vgl. Peter Neve, Schalensteine und Schalenfelsen in Boğazköy-Hattuša: Istanbuler Mitteilungen 27/28, 1977/78, 61–72 (wo aber die Beispiele auf Yenicekaie nicht vermerkt sind). Im Allgemeinen: David Ussishkin, Hollows, „Cup Marks“, and Hittite Stone Monuments (Anatolian Studies XXV 1975, 85–103). Es bedarf keiner Hervorhebung, daß solche in den Stein gearbeitete Näpfchen und Schälchen in weiten Gebieten der Alten und Neuen Welt bezeugt sind, und ihr Zweck und ihr Alter nicht entfernt für einheitlich gelten können.
Die wichtigsten Textbelege für ÉNA4 hekur bei Heinrich Otten, Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 94, 1963, 18 ff. Auch Hans Gustav Güterbock in: Journal of Near Eastern Studies 26, 1967, 79 und 81.
Beleg s. Anm. 16.
Archäologischer Anzeiger 1983, 447 Abb. 21.
Der genaue Platz, an dem die Stele stand, ist leider nicht mehr feststellbar. Sie fand sich als Baustein wiederverwendet in einer mittelbyzantinischen Kapelle nördlich vom Tempel VI. Es besteht jedoch kein Zweifel, daß sie ursprünglich zu diesem engeren Gebiet der Oberstadt gehörte.
Zum Untergang des hethitischen Reiches und seiner Hauptstadt zuletzt: Heinrich Otten, Die letzte Phase des Hethitischen Großreiches nach den Texten, und Kurt Bittel, Die archäologische Situation in Kleinasien um 1200 v. Chr. und während der nachfolgenden vier Jahrhunderte (in: Griechenland, die Ägäis und die Levante während der „Dark Ages“, Symposion Zwettl 1980, 13–24 bzw. 25–65, jeweils mit Diskussion; Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften 1983). Inzwischen scheinen im Gebiete südöstlich vom Tempel VI in der Oberstadt Reste von wenigstens partieller, sehr bescheidener Neubebauung vorzuliegen. Über ihre genauere Zeitstellung läßt sich beim derzeitigen Stand der Ausgrabungen noch nichts Definitives sagen. Nach Ausweis der zugehörigen Keramik sind sie noch hethitisch.
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Bittel, K. (1984). Denkmäler eines hethitischen Großkönigs des 13. Jahrhunderts vor Christus. In: Denkmäler eines hethitischen Großkönigs des 13. Jahrhunderts vor Christus. Gerda Henkel Vorlesung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98850-8_1
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